Behandelter Abschnitt 1Kor 16
Das letzte Kapitel steht jetzt vor uns, in dem der Apostel uns wichtige Ermahnungen hinsichtlich der Geldsammlungen (Kollekten) der Erlösten gibt. Paulus legt fest, dass diese nach Maßgabe des Gedeihens eines jeden Korinthers zu geschehen habe. Dabei verbindet er die Kollekte mit dem besonderen Tag christlicher Freude, an dem die Erlösten versammelt sind, um die Gemeinschaft der Heiligen zu pflegen. „An jedem ersten Wochentage lege ein jeder von euch bei sich zurück und sammle auf, je nachdem er Gedeihen hat, auf daß nicht dann, wenn ich komme, Sammlungen geschehen“ (V. 2). Müssen wir sagen, wie sehr menschlicher Einfluss diese Wahrheit unter den Korinthern in Unordnung gebracht hatte? Zweifellos fanden der Apostel oder vielmehr der Heilige Geist genau diesen in Korinth am Werk. Diese Entstellung des Wesens einer Geldsammlung in der Versammlung hat auch so unheilvoll in der Christenheit weitergewirkt. Damit meine ich den Einsatz von persönlicher Stellung, Gelehrsamkeit, Beredsamkeit oder eines großen Namens (z. B. der eines Apostels), um die Freigebigkeit der Erlösten (und vielleicht sogar der Welt) hervorzurufen und durch solche oder ähnliche Mittel den Erlös zu steigern.
Doch gibt es nicht noch eine weitere Gefahr? Liegt in ihr nicht auch ein Fallstrick für euch, geliebte Geschwister? Wenn die Menschen mehr oder weniger frei von dem gewöhnlichen Druck der Überlieferung sind, wenn sie nicht so sehr unter dem Einfluss einer aufreizenden Stimmung und solcher Appelle an ihre Liebe nach Ansehen oder dem Wunsch, diesem oder jenem Menschen zu gefallen, und dergleichen stehen und wenn keine menschlichen Beweggründe wirken, wie es häufig der Fall ist, dann fürchte ich, dass sie sich in der genau entgegengesetzten Gefahr befinden.
Machen wir jeder von uns unser Geben in ausreichendem Maß zu einer Angelegenheit unserer Verantwortung dem Herrn gegenüber und bringen wir es in eine Verbindung zum ersten Tag der Woche und seiner gesegneten Umgebung sowie seinen gesegneten Zeichen vor uns, wenn wir uns an seinem Tisch befinden? Gibt jeder von uns, je nachdem er Gedeihen hat? Es ist gut, sich von menschlichen Einflüssen frei zu halten. Achten wir jedoch darauf und vergessen wir nicht, dass der Herr unser Geben zur Ausführung seiner Absichten der Liebe auf der Erde wünscht. Wenn wir zu Recht rein menschliche Aufforderungen ablehnen und wenn wir Gott für die Befreiung von der Macht weltlicher Einflüsse und der Gewohnheit, von der öffentlichen Meinung usw. danken, dann bin ich mir völlig sicher, dass es eine tiefe Schande für uns wäre, wenn wir, die wir unter der Gnade stehen, die auf uns rechnet, nicht doppelt soviel gäben wie unter dem Gesetz, welches uns früher regierte. Eure eigenen Gewissen müssen entscheiden, ob ihr dem Herrn in dieser Sache begegnen könnt.
Ich glaube, dass wir in nicht geringer Gefahr schweben, uns hinzusetzen in dem Bewusstsein, dass unser alter Weg falsch war, und trotzdem das Geld in unseren Taschen zurückhalten. Ich muss gestehen, so schlecht es ist, durch Ausübung menschlichen Druckes Geld zu erheben, so schlecht es ist, in dieser oder jener Weise weltliche Ziele zu verfolgen oder wie die Welt verschwenderische Ausgaben zu machen, so scheint mir letzten Endes ein selbstsüchtiges Festhalten dessen, was wir haben, das Schlimmste von allem zu sein. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Gefahr für die Heiligen Gottes, die außerhalb des Lagers geführt worden sind, hierin liegt. Nachdem sie von dem befreit sind, was sie als falsch erkannt haben, neigen sie möglicherweise dazu, in dieser Angelegenheit kein geübtes Gewissen zu pflegen. Indem sie in dem Bewusstsein der Macht der Gnade Gottes stehen, müssen sie ständig darauf achten, Ihm ergeben zu sein. Es genügt nicht, mit dem aufzuhören, was in falscher Weise und manchmal auch für falsche Zwecke getan wurde. Mögen wir eifrig und wachsam unsere Seelen üben und danach forschen, wie wir das Richtige auf rechte Weise tun können, und zwar umso mehr, wenn uns wirklich eine einfältigere und vollere Erkenntnis der Gnade Gottes und der Herrlichkeit Christi mitgeteilt worden ist!
Danach wird von verschiedenen Arten des Dienstes berichtet. Hier geht es nicht um Gaben als solche, sondern um Personen, die sich der Arbeit für den Herrn geweiht haben; denn es gibt einen Unterschied zwischen Gaben und Dienst, wie uns dieses Kapitel ausdrücklich zeigt. Zum Beispiel tritt der Apostel selbst vor unsere Blicke in seinem Dienst mit seinen besonderen Gaben und seiner einzigartigen Stellung in der Kirche (Versammlung). Danach lesen wir von Timotheus, des Apostels Sohn im Glauben, der nicht nur als Evangelist arbeitete, sondern auch einen umfassenderen Auftrag in der Beaufsichtigung von Ältesten erhalten hatte und bis zu einem gewissen Grad gelegentlich für den Apostel Paulus tätig war (1. Tim.). Außerdem wird uns der beredsame Alexandriner mit den Worten vorgestellt: „Was aber den Bruder Apollos betrifft, so habe ich ihm viel zugeredet, daß er mit den Brüdern zu euch komme; und er war durchaus nicht willens, jetzt zu kommen“ (V. 12).
Wie zartfühlend und rücksichtsvoll ist die Gnade des Apostels! Er wünschte damals, dass Apollos nach Korinth reisen möchte, während Apollos unter den vorliegenden Umständen nicht gehen wollte. Schon bei oberflächlicher Betrachtung erkennen wir die Wirksamkeit von Freiheit und Verantwortungsbewusstsein in ihren wechselseitigen Beziehungen; und es ist gerade der Apostel Paulus, der uns mitteilt, dass Apollos nicht zu der Zeit nach Korinth reisen wollte, wie er selbst es wünschte. Es ging demnach keineswegs um eine Stellung weltlicher Überordnung, von der aus die Handlungen eines Untergebenen reguliert wurden. Der Apostel hatte sein ernstes Verlangen ausgedrückt, dass Apollos doch reisen möchte. Aber Apollos arbeitete für seinen Meister; und wir dürfen sicher sein, dass er entsprechend einer Weisheit handelte, welche jede menschliche übertraf.
Zuletzt erkennen wir einen anderen Charakter des Dienstes in dem „Haus des Stephanas.“ Dieser Dienst war einfacher und geschah in einer bescheideneren Stellung. Dennoch war er für Gott voller Wirklichkeit, auch wenn die Menschen in Gefahr standen, ihn vielleicht gering zu schätzen. Ich denke, aus diesem Grund wird er in die Worte einer Ermahnung gekleidet: „Ich ermahne euch aber, Brüder: Ihr kennet das Haus des Stephanas, daß es der Erstling von Achaja ist, und daß sie sich selbst den Heiligen zum Dienst verordnet haben“ (V. 15). Sie hatten sich regelrecht diesem Werk geweiht. Die Korinther sollten solchen Gläubigen unterwürfig sein nicht allein Timotheus oder Apollos, sondern solchen herzenseinfältigen Christen, die danach verlangten, mit dem Maß der Kraft, welche sie besaßen, dem Herrn zu dienen, und die Echtheit ihres Wunsches durch ausdauernde Arbeit bewiesen. Zweifellos gehört die Kraft Gottes dazu, inmitten der kirchlichen Schwierigkeiten, angesichts des Widerstands und der Entmutigungen, trotz mannigfaltigen Kummers, von Feinden und sonstigen Quellen der Leiden und der Schande unbewegt von solchen Dingen seinen Weg zu gehen.
Der Anfang ist leicht; aber nichts Geringeres als die Macht Gottes kann uns ohne Schwanken in der Gegenwart aller Umstände, die uns niederdrücken wollen, bei unserem Werk erhalten. Darum ging es hier. Wir dürfen annehmen, dass die Geschwister in Korinth Mühe genug machten. Das erkennen wir klar aus den Aussagen im ersten Teil des Briefs. Daher fordert der Apostel sie auf, unterwürfig zu sein. Offensichtlich wirkte unter ihnen ein Geist fehlender Unterwürfigkeit; und jene, an denen ein Dienst getan werden musste, hielten sich für genauso gut wie das Haus des Stephanas. Es ist gut, „daß auch ihr solchen unterwürfig seid und jedem, der mitwirkt und arbeitet“ (V. 16). Ich bin davon überzeugt, geliebte Geschwister, dass es keine Beeinträchtigung der Segnungen unseres geschwisterlichen Verhältnisses ist, wenn die Besonderheiten des Dienstes im Herrn festgehalten werden. Es kann in dieser Angelegenheit keinen beklagenswerteren Irrtum geben als die Annahme, dass der eine Gläubige sich nicht einem anderen in dieser gottgemäßen Weise unterzuordnen habe entsprechend dem Platz und der Kraft, die es dem Herrn gefallen hat zuzuteilen.
Der Herr bewirke, dass unsere Seelen die hier offenbarten Wahrheiten festhalten, und zwar nicht nur in einer allgemeinen und oberflächlichen Weise! In diesem Vortrag wollte ich nur einen Überblick oder eine Zusammenfassung der Abschnitte dieses Briefs geben. Möge das Wort selbst und jedes seiner Teile in unsere Herzen sinken und uns zur Freude sein, damit wir nicht ausschließlich die kostbaren Wahrheiten eines solchen Briefs wie den an die Römer zum Frieden und zur Freude unserer Herzen in unserem persönlichen Glauben annehmen! Wir sollen auch unseren Platz durch den Glauben als Gottes Versammlung auf der Erde verstehen. Wir werden dann dankerfüllt Gott preisen als solche, die den Namen des Herrn anrufen - „sowohl ihres als unseres Herrn“ (1Kor 1,2) und erkennen, dass wir praktisch gesehen die geschilderten Ermahnungen benötigen. Der Herr gebe uns seinen eigenen Geist des Gehorsams dem Vater gegenüber!