Behandelter Abschnitt 1Kor 3-5
Damit beginnt das 3. Kapitel, in welchem Paulus seinen Zurechtweisungen besonderen Nachdruck verleiht. Er wirft den Korinthern vor, nach Menschenweise zu wandeln. Wie beachtenswert ist dieser Tadel! Nach Menschenweise wandeln! „Warum diese Anschuldigung?“, mag jemand fragen. „Wie sollten sie denn sonst wandeln?“ Und diese Schwierigkeit - zweifellos eine große für viele Christen heutzutage, nämlich dass der Wandel nach Menschenweise tadelnswert sein soll - klang ohne Frage wie ein Donnerschlag in die stolzen, aber elenden Herzen in Korinth. Ja, das Wandeln nach Menschenweise ist ein Abweichen vom Christentum, denn damit wird die besondere Kraft und der besondere Platz, der uns gehört, aufgegeben. Zeigt uns das Christentum nicht den Menschen, wie er gerichtet, verdammt und beiseitegesetzt ist? In dem Glauben daran und in Christus lebend sollten wir wandeln. Außerdem wurde der Heilige Geist eingeführt, um in dem Gläubigen zu wirken, und zwar natürlich kraft der Erlösung durch unseren Herrn Jesus. Das ist gemeint, wenn davon gesprochen wird, dass wir nicht im Fleisch, sondern im Geist sind. Dieses wird dadurch erwiesen, dass der Heilige Geist in uns wohnt.
Hier erklärt der Apostel diese Wahrheit nicht weiter. Stattdessen liefert er uns einen vernichtenden Grund für seine Zurückhaltung. Diese Korinther hatten eine ungewöhnlich gute Meinung von sich selbst; und daher musste ihnen klar gesagt werden, warum Paulus ihnen diese tiefen Wahrheiten nicht aufdecken wollte. Sie waren nicht aufnahmefähig; sie waren nur Säuglinge. Was, diese „feinen“ griechischen Gläubigen waren nicht mehr als Säuglinge? Die Korinther hätten eher den Apostel und die Zielgruppe seiner Lehre so bezeichnet. Sie hielten sich für weit fortgeschritten; und trotzdem hatte Paulus sich mit den grundlegenden Wahrheiten des Evangeliums aufgehalten. Sie verlangten nach dem Feuer eines Petrus und der Beredsamkeit eines Apollos. Zweifellos waren sie nur zu bereit, sich selbst zu schmeicheln in der Annahme, dass sie das Werk Gottes weiterführten.
Wie wenig weiß so mancher junge Gläubige, was für ihn zum Besten ist! Den Korinthern fiel nicht im Traum ein, dass sie den Zweiten Menschen herabsetzten und den Ersten erhöhten. Daher sagte der Apostel ihnen, dass er zu ihnen nicht als Geistliche, sondern nur als Fleischliche, nämlich als Unmündige in Christus, reden konnte. „Ich habe euch Milch zu trinken gegeben, nicht Speise.“ (V. 2). Er leugnete ihre Anspielung nicht, im Gegenteil, er erkannte sie an. Er hatte ihnen tatsächlich nur die Grundwahrheiten vorgestellt. Sie waren nicht in einem Zustand, um mehr vertragen zu können. Das ist allerdings voller Bedeutung und praktischer Wichtigkeit für alle Zeiten. Wir können Seelen großen Schaden zufügen, wenn wir denjenigen hohe Wahrheiten vorstellen, welche die Anfangselemente der göttlichen Wahrheit benötigen.
Der Apostel hatte als weiser Baumeister den Grund gelegt. Der Zustand der Korinther war aber derart, dass er auf dieser Grundlage nicht bauen konnte, obwohl er es gerne wollte. Seine Abwesenheit hatte Gelegenheit gegeben, ihre fleischlichen Wünsche nach der Weisheit der Welt zum Ausbruch kommen zu lassen. Sie machten sogar den Feuereifer eines Petrus und die Redegewandtheit eines Apollos zum Anlass für ihre Unzufriedenheit mit einem Mann, der, wie ich kaum sagen muss, den beiden Genannten überlegen war. Aber der Apostel begegnete den Korinthern auf eine Weise, die ihre Selbstzufriedenheit und ihr Stolz am wenigsten erwartet hätten. Er ließ sie nämlich wissen, dass ihre Fleischlichkeit der wahre Grund dafür war, warum er mit ihnen nicht auf tiefere Dinge eingehen konnte.
Das führt Paulus dazu, den Ernst des Werkes oder der Art des Bauens herauszustellen, denn er stellt die Kirche (Versammlung) Gottes unter dem Bild eines Bauwerks vor. Mit welcher Sorgfalt sollte sich deshalb jeder Knecht des Herrn fragen, wie oder was er baut! Welche Gefahr liegt darin, etwas hineinzubringen, was das Feuer oder das Gericht Gottes nicht erträgt ja, noch schlimmer, etwas hineinzutragen, was nicht nur schwach und wertlos ist, sondern sogar entschieden verderbenbringend! Und es war zu befürchten, dass es solche Elemente schon damals in Korinth gab. Außerdem stellt der Apostel noch einen anderen Grundsatz vor ihre Herzen. Ihr Parteigeist, ihre Engherzigkeit, indem sie den einen Diener Christi auf Kosten eines anderen überhoben, war nicht nur eine Unehre für ihren Herrn, sondern führte auch zu einem wirklichen Verlust für sie selbst. Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass Petrus oder Apollos dafür die Schuld trugen, genauso wenig wie Paulus selbst.
Das Übel bestand in den Gläubigen persönlich, welche ihrem alten Eifer für Lehrschulen frönten und ihre natürliche Parteilichkeit wirken ließen. Tatsächlich kann ein solches Verhalten nie ohne eine schwerwiegende Verarmung der Seele bleiben und muss zu einem ernsten Hindernis für den Heiligen Geist führen. Der Glaube muss die Wahrheit lernen: „Alles ist euer. Es sei Paulus oder Apollos oder Kephas . . . : alles ist euer“ (V. 21-23). Wie bei Paulus üblich, erweitert sich der Gesichtskreis gewaltig, indem er den Besitz eines Christen schildert. Dieser besteht aus Leben, Tod, Gegenwärtigem und Zukünftigem. „Alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes.“