Behandelter Abschnitt Hos 13
Wir sehen hier, wie die Zuneigungen Gottes und seine Strafurteile beständig gegeneinander streiten. Der Gedanke an ihre Sünde ruft die Ankündigung des notwendigen und unvermeidlichen Gerichts hervor. Sobald jedoch das Urteil ausgesprochen ist, kehrt das Herz Gottes zu seinen eigenen Gnadengedanken zurück (siehe V. 1 - 4, 7 und 9, 12 und 14 sowie die beiden letzten Verse des Kapitels). Wir könnten uns nichts Schöneres vorstellen als die Weise, in der hier die verschiedenen Gedanken miteinander verwoben sind: die Notwendigkeit des Gerichts um des Zustandes des Volkes willen, der gerechte Zorn Gottes über die Sünde desselben, wobei Er mit Israel rechtet und es zu bewegen sucht, seine bösen Wege zu verlassen und den Herrn zu suchen, der gewiss Mitleid mit ihm haben würde, sodann seine Zufluchtnahme zu den ewigen Ratschlüssen seiner eigenen Gnade, um seinem geliebten Volk das zu sichern, dessen es sich durch seine Ungerechtigkeit beraubt hatte, und zu gleicher Zeit die rührende Erinnerung an sein früheres Verhältnis zu diesem Volk. Welch eine Herablassung und Gnade seitens des Gottes Israels! Das Volk hatte den Ausspruch: „Ich werde mich nicht mehr erbarmen“, so schmerzlich und schrecklich derselbe auch war, wohl verdient; denn er entsprach vollkommen den vielen Erweisungen der Huld Gottes seinem Volk gegenüber. Wohl konnte auch der Herr Jesus sagen: „Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel, und du hast nicht gewollt!“
Auch die Art und Weise, in welcher Gott die Geschichte der Ungerechtigkeit Israels, von der Zeit an, da es die Wüste betrat, verfolgt und dem Volk die Mittel vor Augen stellt, die ihm zu Gebote gestanden hatten, um zu seinem Gott zurückzukehren; die Weise ferner, in der Er davon spricht, wie Er einst dem untreuen Jakob widerstehen musste und ihn doch gesegnet hatte, als derselbe im Glauben kämpfte - Er, der sich nie verändert und der auch noch für Israel derselbe war, wobei deutlich hervortritt, wie das ganze Verhalten Israels von Gott wohl beachtet worden war, wie Er desselben immer noch gedachte und es dem Volk zur Belehrung vorführt, um es, wenn irgend möglich, verschonen zu können: mit einem Wort, dieses ganze, von Gott selbst entworfene Gemälde dient zu einer tiefernsten Belehrung für uns; es weist uns an, uns fest an Den anzuklammern, der, so groß auch seine Geduld sein mag, doch von allen unseren Wegen Kenntnis nimmt und der angeordnet hat, dass wir das ernten sollen, was wir gesät haben.
Durch nichts könnte auch die langanhaltende, erstaunliche Geduld, die Gott in seiner Liebe beweist, völliger an den Tag gelegt werden. - Was also in dieser Weissagung besonders vor unsere Augen gestellt werden soll, ist zunächst der innere Zustand des Volkes, der das Urteil „Lo-Ruchama“ und dann das „Lo-Ammi“ herbeiführte, wie dies in der in Kapitel 1 - 3 enthaltenen Übersicht der Wege Gottes mit seinem Volk entwickelt ist; sodann die Beziehung, in der das Verhalten Gottes dem Menschen gegenüber zu seinen unveränderlichen Ratschlüssen steht; ferner die Verbindung dieser Ratschlüsse mit den zärtlichen Gefühlen des Herzens Gottes, denen entsprechend Er jene verwirklichen will; dann die Undankbarkeit des Menschen in seinem Verhalten diesen zärtlichen Gefühlen gegenüber; weiterhin die Langmut, die Gott, durch seine Liebe bewogen, Seinem undankbaren Volk gegenüber beweist; und schließlich das vollständige Sichzurückziehen seitens Gottes, das zur Folge hat, dass Sein Volk eine Beute seiner eigenen Verderbtheit sowie der Fallstrick des Feindes wird. Das Resultat ist, dass Gott durch den Zustand seines Volkes genötigt wird, über dieses das Gericht zu bringen, das um seiner Sünde willen erforderlich war, nachdem alle Warnungen Gottes vermittels seiner Boten erfolglos geblieben waren. Dies aber macht dann der Erfüllung der Ratschlüsse Gottes Platz, der sein Volk, nachdem es lange die Früchte seiner Handlungen hat schmecken müssen, dahin bringt, Buße zu tun, und es auf diese Weise fähig macht, das genießen zu können, was ihm aufgrund seiner Ratschlüsse zuteil werden soll.