Einleitung
Auch in diesem Kapitel werden die beiden Dinge besprochen, die in der Prophezeiung von Hosea gewissermaßen um die Priorität kämpfen. Auf der einen Seite ist da Gottes Abscheu über die Sünde seines Volkes und sein gerechter Zorn darüber. Auf der anderen Seite sehen wir seine Liebe und Sehnsucht, dieses Volk nach seinem Ratschluss zu segnen, was Er auch tun wird, wenn sie sich in Zukunft zu Ihm bekehrt haben. Diese beiden Seiten werden in den für Hosea typischen schnellen Szenenwechsel dargestellt. Die Menschen werden nicht gerne auf ihre Sünden und die daraus entstehenden Gefahren aufmerksam gemacht. Aber Gott wird nicht müde zu warnen.
Der Prophet kündigt das Gericht über Ephraim wie ein letztes Gewitter an. König oder Fürst können ihnen keinen Nutzen bringen. Assyrien, das mit einem sengenden Ostwind verglichen wird, wird das Land völlig zerstören. Aber zwischen den Zeilen über das Gericht lassen sich einige Strahlen des zukünftigen Segens entdecken. Gott wird sie nicht völlig dem Totenreich überlassen. Er hat eine Lösung vorgesehen. Christus hat durch sein Werk auf Golgatha den Tod im Sieg verschlungen. Die herrlichen Ergebnisse davon werden in Hosea 14 beschrieben.
Verse 1 | Vom Privileg ins Verderben
Wenn Ephraim redete, war Schrecken; es erhob sich in Israel. Aber es machte sich schuldig durch Baal und starb.
Der Prophet fährt fort, den Zustand von Ephraim zu erklären, aber jetzt mehr aus einer historischen Perspektive. Am Anfang war Ephraim – hier als Stamm und nicht als Nation der zehn Stämme gesehen – immer der Erste und sprach mit Autorität. Ihm war ein privilegierter Platz in Israel gegeben worden. Deshalb nennt Gott ihn sein „Kind der Wonne“ (Jer 31,20). Führungspersönlichkeiten wie Josua und Debora kamen aus Ephraim. Dies sind alles Dinge, derer sich das Fleisch rühmen kann.
Das ist genau das, was dann passiert ist. Die Ephraimiter missbrauchten ihre privilegierte Stellung. Sie meinten, dass sie aufgrund ihrer Stellung mehr Rechte haben. Sie sind eifersüchtig, wenn andere Stämme ihre Stellung nicht anerkennen (Ri 8,1-3). Diese Eifersucht geht so weit, dass später, wie im Buch der Richter beschrieben, ein Bürgerkrieg beginnt, der nicht weniger als 42000 Menschen das Leben kostete (Ri 12,1-6). Ephraim wird arrogant und aufgeblasen, er überhebt sich. Der erste König der zehn Stämme, Jerobeam, stammt aus Ephraim. Das Zehnstämmereich wird danach oft mit dem Namen Ephraim bezeichnet.
Die Geschichte von Ephraim ist die geistliche Geschichte vieler, die gut anfingen, aber schlecht endeten. Das liegt daran, dass sie nicht auf die Ermahnung hörten, „mit Herzensentschluss bei dem Herrn zu verharren“ (Apg 11,23).
Ephraim hat eine ruhmreiche Vergangenheit, aber eine traurige Gegenwart. Diese Gegenwart beginnt mit der Einführung des Götzendienstes durch König Jerobeam. Er stellt Kälber in Bethel und Dan auf (1Kön 12,28-30). Auf diese Weise setzt das Sterben des Volkes ein. Auf dem eingeschlagenen Weg kann Baal Fuß fassen. Baal wird seit Ahab gedient. Ephraim entfernt sich immer weiter von Gott. Dieses Sterben ist ein Sinnbild für ein Leben ohne Gott. Der lebendige Gott gibt Leben; Götzen sind Tod und bringen den Tod.
Das funktioniert in der Gemeinde nicht anders. Diotrephes ist ein geistlicher Nachkomme von Ephraim. Er will der Erste sein (3Joh 1,9). Es hat in der Geschichte der Christenheit viele „Diotrephesse“ gegeben, allesamt Menschen, die einen Platz der Autorität für sich beansprucht haben. Diese Haltung führt über das große Babylon, das sich „verherrlicht“ und in seinem Herzen sagt: „Ich sitze als Königin“ (Off 18,7), schließlich zum Gericht einer christuslosen Christenheit in der Endzeit.
Die Geschichte zeigt häufig, dass nach dem Segen die Selbsterhöhung kommt, gefolgt von Götzendienst und geistlichem Tod und schließlich mit dem Gericht Gottes. Das Verlassen Gottes beginnt immer mit der Selbsterhöhung, die am Ende zum Tod führt.
Im Gegensatz zu der Christenheit gibt es für Ephraim, die zehn Stämme, eine Wiederherstellung in der Zukunft. Ephraim wird in seinem Land wiederhergestellt werden (Jes 11,13).