Behandelter Abschnitt Ps 108
Psalm 108 trägt einen besonderen Charakter, indem er aus den Endhälften von zwei anderen Psalmen zusammengesetzt ist, deren erste Hälfte der Notschrei aus tiefer Trübsal, und deren letzte Hälfte die Antwort auf diesen Schrei in Glauben und Hoffnung ist. Vers 1 - 5, das Ende von Psalm 57, ist der Ausdruck der festen Zuversicht des gläubigen Herzens, das nun singen und Gott preisen kann unter den Völkern (ammim), die jetzt mit Israel in näherer Verbindung stehen, sowie unter den übrigen verschiedenen Völkerschaften. Doch das volle Ergebnis dessen, was Gott in Seiner Gunst für Sein Volk tun will, ist noch nicht zutage getreten; deshalb verkündet derselbe Glaube, indem er Psalm 60 aufgreift, aber den Notschrei weglässt, das Hervortreten Gottes, dessen Güte groß ist über die Himmel hinaus, um diejenigen Völker, die noch Teile des Gebietes Israels in Besitz haben, zu unterwerfen.
Man beachte, dass im allgemeinen in diesem fünften Buche der Psalmen, wie auch in dem vorhergehenden, die Lage und Stellung Israels folgende ist: das Volk ist durch Gottes Hand in sein Land zurückgebracht und errettet, jedoch noch nicht frei von allen feindlichen Angriffen und noch nicht im Besitz des ganzen verheißenen Landes. Daher finden wir wohl Preis und Dank, denn Gott hat eingegriffen, und Israels Lage hat sich geändert, aber noch immer bedürfen sie der Hilfe und des Schutzes den noch nicht besiegten Feinden gegenüber, und die volle Segnung von Seiten Gottes, der ungestörte Friede, ist noch nicht da. Nur in einigen wenigen Psalmen am Ende finden wir unvermischtes Lob und Aufforderung nur zum Lobe. Diese Lage, in der das Volk wohl befreit ist, jedoch die volle Sicherheit noch erwartet, wird am Ende von Psalm 107 dargestellt. Was die endgültige Befreiung anbetrifft, so wird nur die Tatsache derselben festgestellt.
Die Verbindung zwischen den beiden Teilen dieses Psalmes ist nicht ohne Interesse. In der ersten Hälfte wird Jehova gepriesen im Blick auf das, was Er ist (im Gegensatz zu den Menschen) für ein Herz, das Ihn im Glauben kennt; Seine Güte ist groß über die Himmel hinaus, und Seine Wahrheit bis in die Wolken; auch hier wird die Güte wie immer zuerst genannt als die Quelle von allem. Die zweite Hälfte des Psalmes beginnt mit Vers 5: „Erhebe dich über die Himmel, o Gott! und über der ganzen Erde sei deine Herrlichkeit!“ Er wird aufgefordert, als Gott Seinen Platz einzunehmen und Seinen Namen zu rechtfertigen, damit Seine Geliebten befreit werden möchten. Von Vers 7 ab vernehmen wir Gottes Antwort hierauf, indem Er die Ansprüche und Rechte Israels als Seine eigenen geltend macht. So wird Jehova streiten wider die Nationen, die Israels Besitztum innehaben; doch das geschieht in Israel, und mit Gott werden sie mächtige Taten tun. Er ist in diesem Psalm nicht Jehova, sondern Gott, weil es sich nicht um Seine Bundesbeziehung zu Israel handelt, sondern vielmehr um das, was Er ist im Gegensatz zu den Menschen, deren Hilfe eitel ist.