Behandelter Abschnitt Ps 38
Wie ich bereits sagte, tragen die Psalm 38 und 39 einen besonderen, deutlich ausgeprägten Charakter. Bisher sahen wir, wie die Aufrichtigen nach Rettung ausschauten und verlangten, und dass ihnen die Vergebung der Sünden als Segnung gewährt wurde. In diesen beiden Psalmen jedoch liegt die Vergeltung von Seiten der Regierung Gottes für die Sünden schwer auf dem Überrest; er fühlt, warum er von der Hand Gottes leidet. In Psalm 6 flehten die Gläubigen, dass Er sie nicht strafen möge in Seinem Zorn, indem sie fürchteten, dass dies vielleicht ein Teil der Trübsal sei, die zu ihrer Stellung gehöre. Aber hier befinden sie sich völlig unter der Strafe um der Sünde willen: die Rute hat die Herde von außen, ihre Seele von innen getroffen. Es handelt sich um jeden einzelnen persönlich, obwohl es immer der Überrest ist. Die Freunde schrecken zurück vor einer solchen Plage; die Feinde, ohne Mitgefühl, verbünden sich gegen den Gläubigen und trachten nach seinem Leben. Dennoch ist er vor Jehova mit all seinem Begehr und seinem Seufzen. Sein Herz ist aufrichtig vor Gott und erkennt Ihn an, aber vor den Menschen ist er wie ein Stummer. Die Trübsale kommen für seine Seele von Jehova; und zu Ihm wendet er sich, und das mit Recht (V. 13-16), Er beugt sein Haupt und unterwirft sich. Seine Feinde sind tätig und stark. Doch obwohl Jehova ihn schlägt, vertraut der Gläubige auf Ihn; denn die demütige Seele erkennt an, dass die Strafe gerecht ist. Doch kann er Befreiung von seinen Feinden erwarten. Sie waren froh, wenn sein Fuß wankte, und freuten sich über ihn. Er aber tut seine Ungerechtigkeit kund und erkennt seine Sünde an: er entschuldigt sich nicht und verbirgt nichts in seiner Seele vor Gott. In Ihm schreit er, dass Er ihm zu Hilfe eilen möge.
Dieser Psalm ist, was den Zustand der Seele betrifft, überaus schön; der Geist Gottes hat für jeden Fall Vorsorge getroffen, selbst für den, dass der Aufrichtige gefehlt hat, was vielleicht eine schwere Züchtigung über ihn bringt und die Veranlassung wird, dass die Gottlosen sich über ihn freuen. Aber der Aufrichtige nimmt die Strafe für seine Ungerechtigkeit an und stellt sich aufrichtig vor Gott hin, indem er seine Sünde anerkennt, aber zugleich betreffs seiner Feinde auf Ihn vertraut. Wie traurig ein solcher Fall auch sein mag, so bringt doch nichts die Aufrichtigkeit vor Gott und das Vertrauen auf Ihn mehr zum Vorschein. Wie soll man seine Sünde bekennen und Hilfe von Gott erwarten, wenn man untreu gewesen ist, Ihn verunehrt hat und der Feind nun darüber frohlockt? Da ist keine Entschuldigung, kein Versuch, etwas zu verbergen - nichts von alledem; der Gläubige erkennt alles an und übergibt sich den Händen Gottes. Ohne das würde die Schilderung des Überrestes nicht vollständig gewesen sein, ebenso wenig wie die Unterweisungen der Gnade für jede Seele zu aller Zeit.
Nun entsteht die Frage: Wie weit tritt der Geist Christi in den hier geschilderten Zustand ein? Ich glaube, völlig, obwohl Christus persönlich selbstverständlich nie darin gewesen sein kann. Ohne Zweifel ist der Psalm infolge einer ernsten Züchtigung des Schreibers entstanden, einer Züchtigung, die vor allen offenbar war. Solche Fälle mögen in ihrer ganzen Ausdehnung unter dem Überrest vorkommen. Der Grundsatz ist allgemein anwendbar. Bei Christo konnte natürlich nichts sein, weswegen Er hätte gezüchtigt werden können, aber indem Er die Sünde in ihrer ganzen Tragweite vor Sich hatte und auf Seinem Pfade der ganzen Trübsal, welche das Volk treffen wird, begegnete, konnte Er, obwohl Er das grüne Holz war, in das ganze Gericht hineingehen, das über das dürre Holz kommen wird25. Er konnte nicht das sagen, was hier gesagt wird, aber Er kann völlig mit denen fühlen, die es sagen müssen. Er hat für die passenden Worte gesorgt, die es durch Seinen Geist in ihren Herzen zum Ausdruck bringen werden. Wenn Er nicht den ganzen Zorn gerade für diese Sünden, die auf ihrem Gewissen lasten, getragen hätte, diesen Zorn, dem sie (in seiner ganzen Ausdehnung als Grimm betrachtet entrinnen, so würde nicht nur Züchtigung nötig gewesen sein, in der sie vor Jehova ihr Herz ausschütten. Daher kann Christus, wenn die Trübsal diesen Charakter trägt, mehr tun, als sie fühlen; und Er hat von all den schmerzlichen Umständen den größten Teil getragen.
25 Obwohl das dürre Holz im vollen Sinne des Wortes das leblose Israel ist, werden doch die Gläubigen des Überrestes, die so lange Jesum, den Messias, verworfen haben, da sie mit der Nation vermengt sind, in ihrem Herzen und Ihrem Geiste die Trübsale mit durchmachen, die über die Nation kommen, mit Ausnahme des Endgerichts von Seiten Gottes. Das hat Christus für sie getragen; Er starb für die Nation. Aber mit Ausnahme dieses Gerichts gehen sie durch alles, und fühlen in bitterem Schmerz und großer Angst in gewisser Beziehung vorher mehr, als wenn das Gericht kommt, weil sie das Gefühl der Sünde haben, die es herbeiführt. Daher konnte Christus, der die Ursache des Gerichts kannte und das Gericht voraussah, durch das Er gegangen ist, völlig in ihre Lage eintreten. Er ging durch die Bedrängnis, ohne irgendwelche Befreiung zu sehen, weil die Stunde gekommen war, in der Er unter die Gesetzlosen gerechnet werden sollte. Obwohl Er in Liebe in ihre Lage eintrat, stand doch die Gerechtigkeit, die Israel bedrohte, vor Ihm.↩︎