Behandelter Abschnitt Heb 11,13-19
Der 13. Vers unseres Kapitels ist besonders schön und lieblich. Das erste, was mit einer Verheißung geschehen muß, ist, daß man sie sich aneignet, dann, daß der Glaube bezüglich dieser Verheißung in Tätigkeit kommt, und schließlich, daß man sie mit dem Herzen aufnimmt. Die Gläubigen, von denen wir bisher gesprochen haben, „sahen sie von ferne und begrüßten sie”. Ihre Herzen ergriffen sie. Und nun mögen wir uns fragen: Inwieweit haben unsere Herzen die Verheißungen ergriffen? Jeder von uns wird die Armut und Dürre seines eigenen Herzens kennen. Doch eins ist gewiß: Je inniger unsere Herzen sie ergreifen, desto freudiger werden wir bereit sein, als Pilgrime und Fremdlinge durch diese Welt zu gehen. Wir haben hier ein wunderbares Bild vor uns von Herzen, die durch den Glauben geleitet wurden. Hatten jene Gläubige etwa deshalb das Gefühl der Fremdlingschaft, weil sie Mesopotamien, das Land ihrer Verwandtschaft, verlassen hatten? Nein, sondern weil sie die ihnen von Gott bereitete himmlische Stadt noch nicht erreicht hatten. Sie hätten zurückkehren können, wenn sie gewollt hätten; aber das hätte sie von ihrer Fremdlingschaft nicht abgebracht.
Angenommen, es würde ein Wechsel in deinen Umständen eintreten, würde das deine Fremdlingschaft aufheben? Sicherlich nicht, wenn du dem Volk Gottes angehörst. Mesopotamien stillte das Sehnen jener Fremdlinge nicht. Nichts konnte ihre Fremdlingschaft aufheben, ihr ein Ziel setzten oder sie beendigen, als nur die Erlangung des Erbteils. Vorwärts führte ihr Weg, der himmlischen Stadt entgegen, und Gott schämte Sich nicht, ihr Gott genannt zu werden.
In Kapitel 2 haben wir gelesen, daß Christus Sich nicht schämte, uns Seine Brüder zu nennen. Hier hören wir, daß Gott Sich nicht schämte, diese Fremdlinge Sein Volk zu nennen. Warum schämt Christus Sich nicht, die Geheiligten Seine Brüder zu nennen? Weil sie in ein und demselben göttlichen, ewigen Ratschluß mit Ihm stehen; weil Der, welcher heiligt, und die, welche geheiligt werden, alle von einem sind. Die Auserwählten und Christus sind in einer Familie miteinander verbunden. Ein Band umschlingt sie alle. Wie könnte Er Sich ihrer schämen? Und gerade so ist es, wenn du mit der Welt abgeschlossen hast, wenn du ein Fremdling in ihr geworden bist; Gott schämt Sich dann nicht, dein Gott zu heißen. Denn Er Selbst hat mit der Welt abgeschlossen, und so kann Er Sich deiner nicht schämen, weil du eines Sinnes mit Ihm bist. Gerade deshalb, weil jene sich Fremdlinge nannten, nannte Gott Sich ihr Gott.
Stehen wir hier einen Augenblick still, um auf die ernste Zurechtweisung zu lauschen, die uns hier zuteil wird. Wie tief sitzt in den meisten von uns noch eine Neigung zu Verbindungen oder zu Freundschaft mit der Welt! Wie wenig zeigt sich jene himmlische Fremdlingschaft, die ein für allemal entschieden mit der Welt und ihren Dingen gebrochen hat, und die nur ein Ziel kennt - den Himmel!
Darum wird Abraham in einem neuen Licht vor unsere Blicke gestellt. Alle Hoffnungen Abrahams konzentrierten sich auf Isaak, ruhten auf dem Sohn der Verheißung. „In Isaak soll dein Same genannt werden”, war über ihn gesagt worden. Isaak hinzugeben, hieß nicht nur Bankrott in der Welt machen, sondern schien geradezu einem Bankrott im Blick auf Gott gleichzukommen. Abraham hätte fragen können: Soll ich denn nun auch an Gott zu Schanden werden, nachdem ich in Mesopotamien alles eingebüßt habe? Eine höhere Anforderung hätte an den Glauben unseres Patriarchen nicht gestellt werden können. Hast du je gefürchtet, Gott könnte dich an Ihm Selbst zu Schanden werden lassen? Hat Er Sich wohl je von dir abgewandt, um Sich dir nie wieder zuzuwenden?
Was Abraham betrifft, so empfing er Isaak im Gleichnis zurück, als ein Siegel und einen neuen Zeugen der Auferstehung. Und ich möchte fragen: Verlieren wir wohl je etwas dadurch, daß wir Gott in dunkler Stunde vertrauen? Wahrlich nicht; und wenn jemand Gott jemals in dunkler Stunde vertraut hat, so war es Abraham.