Hermann Menge (1841-1939)
Versliste
„Denn von alters her hast du dein Joch zerbrochen, deine Bande zerrissen und hast gesagt: ‚Ich will nicht (länger) dienstbar sein!‘ Nein, auf jedem hohen Hügel und unter jedem dichtbelaubten Baum hast du dich als Buhlerin hingestreckt.
Und doch hatte ich dich als Edelrebe eingepflanzt, als ganz echtes Gewächs: ach, wie bist du mir in die wilden Schosse eines fremden Weinstocks ausgeartet!
Ja, wenn du dich auch mit Laugensalz wüschest und noch so viel Seife an dich wendetest: deine Schuld würde doch als Schmutzfleck vor mir bleiben!“ – so lautet der Ausspruch Gottes des HERRN.
„Wie kannst du nur behaupten: ‚Ich habe mich nicht verunreinigt, bin den Baalen nicht nachgelaufen!‘ Sieh doch dein Treiben im Tal an, bedenke, was du dort verübt hast, du leichtfüßige Kamelin, die toll in die Kreuz und Quere rennt!
Eine Wildeselin, die, an die Steppe gewöhnt, in wilder Lustgier nach Luft schnappt: wer vermag ihre Brunst zu dämpfen? Wer immer sie begehrt, braucht sich nicht müde zu laufen: in ihrer Brunstzeit findet er sie mühelos.
Nimm deinen Fuß in acht, dass er sich nicht barfuß (oder: wund) läuft, und deine Kehle, dass sie nicht vor Durst lechzt! Doch du entgegnest: ‚Vergebliche Mühe, nein! Ich habe nun einmal die Fremden (oder: Buhlen) gern, und ihnen will ich nachlaufen!‘“
Lasst mich doch einmal von meinem Herzensfreunde singen, nämlich das Lied meines Freundes von seinem Weinberg! Einen Weinberg hatte mein Herzensfreund an einer fruchtbaren Anhöhe.
Er grub ihn um, säuberte ihn von Steinen und bepflanzte ihn mit Edelreben; er baute einen Turm mitten in ihm, hieb auch gleich eine Kelterkufe in ihm aus und wartete dann darauf, dass er Trauben hervorbringe; doch er brachte nur Herlinge (= Herblinge) hervor.
Und nun, ihr Bewohner Jerusalems und ihr Männer von Juda, gebt doch ein Urteil ab in der Streitsache zwischen mir und meinem Weinberg!
Was hätte man noch mehr für meinen Weinberg tun können, das ich nicht an ihm getan hätte? Warum musste ich erwarten, dass er Trauben bringen würde, während er doch Herlinge gebracht hat?
So will ich euch denn jetzt kundtun, was ich mit meinem Weinberge machen will: die Umzäunung will ich von ihm wegnehmen, damit er abgefressen wird, und seine Mauer niederreißen, damit er zertreten wird.
Ich will ihn ganz wüst werden lassen: er soll nicht mehr beschnitten und nicht mehr behackt werden, sondern in Dornen und Disteln soll er aufschießen, und den Wolken will ich gebieten, keinen Regen mehr auf ihn fallen zu lassen. –
Denn der Weinberg des HERRN der Heerscharen ist das Haus Israel, und die Männer von Juda sind die Pflanzung, an der sein Herz hängt. Er wartete auf Rechtspflege, und siehe da: Blutvergießen! Auf Gerechtigkeit (= treue Pflichterfüllung), und siehe da: Wehgeschrei!
Doch vom Weinstock Sodoms stammt ihr Weinstock und aus den Gefilden Gomorrhas: ihre Trauben sind Gifttrauben, gallenbittre Beeren haben sie;
wenn wir (aber) unsere Sünden bekennen (= eingestehen), so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns von aller Ungerechtigkeit reinigt.
So ist das Verhalten eines ehebrecherischen Weibes: sie isst (= genießt) und wischt sich den Mund ab und sagt: „Ich habe nichts Unrechtes getan.“
und haben die Opferstätte des Thopheths im Tale Ben-Hinnom (vgl. 2,23) angelegt, um ihre Söhne und Töchter dort als Brandopfer darzubringen, was ich ihnen niemals geboten habe und was mir nie in den Sinn gekommen ist.
Der wird ein Mensch wie ein Wildesel sein: seine Hand gegen alle und die Hand aller gegen ihn, und allen seinen Brüdern wird er trotzig gegenüberstehen.“
Sodann, wenn die Lust empfangen hat (= befruchtet ist), gebiert sie Sünde; die Sünde aber gebiert, wenn sie zur Vollendung gekommen ist, den Tod. –
Denn als ich (einmal) am Fenster meines Hauses durch mein Gitter hinausschaute,
da sah ich unter den Unerfahrenen, bemerkte ich unter den jungen Leuten einen unverständigen Jüngling,
der auf der Straße hin und her ging, in der Nähe ihrer Ecke, und in der Richtung nach ihrem Hause schritt,
in der Dämmerung, am Abend des Tages, tief in der Nacht und in der Finsternis.
Da kam ihm auf einmal eine Frau entgegen im Anzug einer Lustdirne und mit arglistigem Herzen.
Sie ist in leidenschaftlicher Aufregung und wilder Unruhe, ihre Füße halten’s in ihrem Hause nicht aus;
bald ist sie auf der Straße, bald auf den freien Plätzen, und neben jeder Ecke lauert sie.
Nun hascht sie ihn, küsst ihn und sagt zu ihm mit frecher Miene:
„Dankopfer war ich schuldig: heute habe ich meine Gelübde entrichtet;
darum bin ich ausgegangen dir entgegen, um dich aufzusuchen, und habe dich nun gefunden.
Mit Teppichen habe ich mein Lager hergerichtet, mit bunten Decken von ägyptischem Linnen;
ich habe mein Bett mit Myrrhe, Aloe und Zimt besprengt.
Komm, wir wollen uns an der Liebe berauschen, bis zum Morgen in Liebeslust schwelgen!
Denn der Mann ist nicht daheim, er ist weithin auf Reisen gegangen;
die Geldtasche hat er mit sich genommen: erst am Vollmondstage kommt er wieder heim.“
Durch ihr eifriges Zureden verführte sie ihn, mit ihrem glatten Geschwätz riss sie ihn fort:
betört folgte er ihr wie ein Stier, der zur Schlachtung geht, und wie ein Hirsch, der ins Netz rennt,
bis ein Pfeil ihm das Herz durchbohrt; wie ein Vogel dem Fanggarn zueilt, ohne zu ahnen, dass es um sein Leben geht.