Hermann Menge (1841-1939)
Versliste
Da nahm Eliphas von Theman das Wort und sagte:
„Kann wohl ein Mensch Gott Nutzen schaffen? Nein, nur sich selbst nützt der Fromme (oder: Verständige).
Hat der Allmächtige Vorteil davon, wenn du rechtschaffen bist? Oder bringt es ihm Gewinn, wenn du unsträflich wandelst?
Meinst du, wegen deiner Gottesfurcht strafe er dich und gehe deshalb mit dir ins Gericht?
Ist nicht vielmehr deine Bosheit groß, und sind nicht deine Verschuldungen ohne Ende?“
Darauf antwortete Hiob folgendermaßen:
„Hört, o höret an, was ich zu sagen habe! Das soll mir eure Tröstungen ersetzen!
Erlaubt mir, dass ich rede, und nachdem ich gesprochen habe, magst du es bespötteln!
Richtet sich meine Klage etwa gegen Menschen? Oder warum sollte ich nicht ungeduldig werden?
Wendet euch her zu mir, so werdet ihr euch entsetzen und euch die Hand auf den Mund legen!
Wenn ich bloß daran denke, gerate ich in Bestürzung, und ein Schauder überläuft meinen Leib!“
„Warum bleiben die Frevler am Leben, werden alt, nehmen sogar an Kraft zu?
Ihr Nachwuchs steht bei fester Gesundheit vor ihnen, ja neben ihnen, und deren Sprösslinge vor ihren Augen.
Ihre Häuser stehen ungefährdet da, ohne Furcht vor Schrecknis, und Gottes Zuchtrute fährt nicht auf sie nieder.
Sein Stier belegt und befruchtet sicher, seine Kuh kalbt leicht und tut keine Fehlgeburt.
Ihre Buben lassen sie wie eine Herde Lämmer ausziehen, und ihre kleineren Kinder hüpfen tanzend umher;
sie singen laut zur Pauke und Zither und sind vergnügt beim Klang der Schalmei.
Sie verbringen im Wohlergehen ihre Tage und fahren in Ruhe zum Totenreich hinab (= erleiden einen schmerzlosen Tod).
Und doch haben sie zu Gott gesagt: ‚Bleibe fern von uns; denn nach der Erkenntnis deiner Wege tragen wir kein Verlangen.
Was ist der Allmächtige, dass wir ihm dienen sollten? Und könnte es uns nützen, dass wir ihn mit Bitten angehen?‘“
„Seht, ihr Wohlergehen liegt allerdings nicht in ihrer Hand – die Denkweise der Frevler steht mir fern! –,
aber wie oft kommt es denn vor, dass die Leuchte der Frevler erlischt und ihr Verderben über sie hereinbricht? Dass Gott ihnen die Lose gemäß seinem Zorn zuteilt?
Dass es ihnen ergeht wie dem Strohhalm vor dem Wind und wie der Spreu, die der Sturm entführt hat?
‚Gott spart‘, sagt ihr, ‚sein Unheil für die Kinder des Frevlers auf‘ – doch ihm selber sollte er vergelten, dass er es fühlte!
Sehen müssten seine eigenen Augen das Verderben, und er selbst sollte von der Zornglut des Allmächtigen trinken!
Denn was wird er sich noch um seine Familie nach seinem Tode kümmern, nachdem die Zahl seiner Monde abgeschnitten (= zu Ende) ist?
Doch – darf man Gott Erkenntnis lehren, ihn, der die himmlischen (Geister) richtet?
Der eine stirbt im Vollbesitz des Glücks, ganz sorgenfrei und in Ruhe:
seine Kufen sind mit Milch gefüllt, und so ist das Mark in seinen Knochen wohlversorgt;
der andere aber stirbt in bitterem Herzeleid, ohne je vom Glück etwas geschmeckt zu haben:
gleicherweise liegen sie in der Erde, und Gewürm legt sich als Decke über beide.“
„Seht, ich kenne eure Gedanken wohl und die Anschläge, mit denen ihr mir Gewalt antut.
Wenn ihr sagt: ‚Wo ist das Haus des Gewaltmenschen geblieben und wo das Zelt, in welchem die Frevler wohnten?‘ –
habt ihr euch denn noch nie bei den weitgereisten (oder: des Wegs vorüberziehenden) Leuten erkundigt, deren beweiskräftige Aussagen ihr doch nicht verwerfen könnt:
dass am Unglückstage der Böse verschont bleibt und am Tage des (göttlichen) Zorngerichts heil davonkommt?
Wer hält ihm auch nur seinen Lebenswandel unverhohlen vor? Und hat er etwas verübt, wer vergilt es ihm?
Nein, man gibt ihm noch das feierliche Geleit zur Gräberstätte und hält über seinem Grabhügel noch Wache.
Sanft liegen auf ihm die Schollen des Tales, und hinter ihm her zieht alle Welt, wie Unzählige ihm vorangegangen sind.
Wie mögt ihr mir da so nichtigen Trost bieten? Und eure Entgegnungen – von denen bleibt nur Treubruch übrig!“
Es lebte einst ein Mann im Lande Uz, Hiob mit Namen, und dieser Mann war fromm und rechtschaffen, fürchtete Gott und mied das Böse.
Sieben Söhne und drei Töchter wurden ihm geboren;
dazu besaß er siebentausend Stück Kleinvieh und dreitausend Kamele, fünfhundert Joch (= Paar) Rinder, fünfhundert Eselinnen und ein sehr zahlreiches Gesinde, so dass dieser Mann unter allen Bewohnern des Ostlandes der angesehenste war.
Nun pflegten seine Söhne im Hause eines jeden von ihnen an seinem Tage (= Geburtstage) ein festliches Mahl zu veranstalten und luden dann allemal auch ihre drei Schwestern ein, mit ihnen zu essen und zu trinken.
Wenn aber die Tage des betreffenden Gastmahls um waren, ließ Hiob ihnen sagen, sie möchten sich heiligen; er stand dann am andern Morgen früh auf und brachte für jeden von ihnen ein Brandopfer dar; denn Hiob dachte: „Vielleicht haben meine Kinder sich versündigt und in ihrem Herzen Gott verwünscht (d.h. sich von Gott losgesagt).“ So machte es Hiob jedesmal.
Nun begab es sich eines Tages, dass die Gottessöhne kamen, um sich vor Gott, den HERRN, zu stellen; und unter ihnen erschien auch der Satan.
Da fragte der HERR den Satan: „Woher kommst du?“ Der Satan gab dem HERRN zur Antwort: „Ich bin auf der Erde umhergestreift und habe eine Wanderung auf ihr vorgenommen.“
Da sagte der HERR zum Satan: „Hast du wohl auf meinen Knecht Hiob achtgegeben? Denn so wie er ist kein Mensch auf der Erde, so fromm und rechtschaffen, so gottesfürchtig und dem Bösen feind.“
Der Satan erwiderte dem HERRN: „Ist Hiob etwa umsonst so gottesfürchtig?
Hast du nicht selbst ihn und sein Haus und seinen ganzen Besitz rings umhegt? Was seine Hände angreifen, das segnest du, so dass sein Herdenbesitz sich immer weiter im Lande ausgebreitet hat.
Aber strecke doch einmal deine Hand aus und lege sie an alles, was er besitzt: dann wird er sich schon offen von dir lossagen (oder: dir fluchen).“
Da antwortete der HERR dem Satan: „Gut! alles, was ihm gehört, soll in deine Gewalt gegeben sein! Nur an ihn selbst darfst du die Hand nicht legen!“ Da ging der Satan vom Angesicht des HERRN hinweg.
Während nun eines Tages Hiobs Söhne und Töchter im Hause ihres ältesten Bruders schmausten und Wein tranken,
kam plötzlich ein Bote zu Hiob und meldete: „Die Rinder pflügten gerade, und die Eselinnen befanden sich neben ihnen auf der Weide,
da machten die Sabäer einen Überfall und trieben sie weg und erschlugen die Knechte mit dem Schwert; ich bin der einzige, der entronnen ist, um es dir zu melden!“
Während dieser noch redete, kam schon ein anderer und berichtete: „Feuer Gottes (d.h. der Blitz) ist vom Himmel gefallen und hat das Kleinvieh und die Knechte vollständig verbrannt; ich bin der einzige, der entronnen ist, um es dir zu melden!“
Während dieser noch redete, kam schon wieder ein anderer und berichtete: „Die Chaldäer sind in drei Heerhaufen, die sie aufgestellt hatten, über die Kamele hergefallen und haben sie weggetrieben; sie haben auch die Knechte mit dem Schwert niedergemacht; ich bin der einzige, der entronnen ist, um es dir zu melden!“
Dieser hatte noch nicht ausgeredet, da kam wieder ein anderer und berichtete: „Deine Söhne und Töchter waren beim Essen und Weintrinken im Hause ihres ältesten Bruders,
da kam plötzlich ein gewaltiger Sturmwind über die Steppe herüber und fasste das Haus an seinen vier Ecken, so dass es auf die jungen Leute stürzte und sie ums Leben kamen; ich bin der einzige, der entronnen ist, um es dir zu melden!“
Da stand Hiob auf, zerriss sein Gewand und schor sich das Haupt; dann warf er sich auf die Erde nieder, berührte den Boden mit der Stirn,
und sagte: „Nacht bin ich aus meiner Mutter Schoß gekommen, und nackt werde ich dorthin zurückkehren; der HERR hat’s gegeben, der HERR hat’s genommen: der Name des HERRN sei gepriesen!“
Bei allen diesen Heimsuchungen versündigte sich Hiob nicht und tat nichts Ungebührliches vor Gott.
Da begab es sich eines Tages, dass die Gottessöhne (1,6) wiederum kamen, um sich vor Gott den HERRN zu stellen; und unter ihnen erschien auch der Satan, um sich vor den HERRN zu stellen.
Da fragte der HERR den Satan: „Woher kommst du?“ Der Satan gab dem HERRN zur Antwort: „Ich bin auf der Erde umhergestreift und habe eine Wanderung auf ihr vorgenommen.“
Da sagte der HERR zum Satan: „Hast du auch auf meinen Knecht Hiob achtgegeben? Denn so wie er ist kein Mensch auf der Erde, so fromm und rechtschaffen, so gottesfürchtig und dem Bösen feind; noch immer hält er an seiner Frömmigkeit fest, wiewohl du mich gegen ihn gereizt hast, ihn ohne Grund unglücklich zu machen.“
Der Satan aber erwiderte dem HERRN: „Haut um Haut! Ja alles, was ein Mensch hat, gibt er für sein Leben hin.
Aber strecke nur einmal deine Hand aus und lege sie an sein Gebein und sein Fleisch, so wird er sich sicherlich offen von dir lossagen!“ (vgl. 1,5)
Da sagte der HERR zum Satan: „Gut! er soll in deine Gewalt gegeben sein: nur sein Leben sollst du schonen!“
Da ging der Satan vom HERRN hinweg und schlug Hiob mit bösartigen Geschwüren von der Fußsohle bis zum Scheitel,
so dass er sich eine Scherbe nahm, um sich mit ihr zu schaben, während er mitten in der Asche saß.
Da sagte seine Frau zu ihm: „Hältst du denn immer noch an deiner Frömmigkeit fest? Sage dich los von Gott (= verfluche doch Gott) und stirb!“
Er aber antwortete ihr: „Du redest, wie die erste beste Törin reden würde! Das Gute haben wir von Gott hingenommen und sollten das Schlimme nicht auch hinnehmen?“ Bei allen diesen Heimsuchungen versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen.
Als nun die drei Freunde Hiobs von all diesem Unglück hörten, das ihn betroffen hatte, machten sie sich, ein jeder aus seinem Wohnort, auf den Weg, nämlich Eliphas aus Theman, Bildad aus Suah und Zophar aus Naama, und zwar verabredeten sie sich, miteinander hinzugehen, um ihm ihr Beileid auszudrücken und ihn zu trösten.
Als sie nun von ferne ihre Augen aufschlugen, erkannten sie ihn nicht mehr; da fingen sie an, laut zu weinen, zerrissen ein jeder sein Gewand und warfen Staub in die Luft auf ihre Häupter herab.
Dann saßen sie bei ihm auf dem Erdboden sieben Tage und sieben Nächte lang, ohne dass einer ein Wort zu ihm redete; denn sie sahen, dass sein Schmerz überaus groß war.
sondern dass in jedem Volk der, welcher ihn fürchtet und Gerechtigkeit übt, ihm angenehm (oder: für ihn zur Annahme geeignet) ist.
„Ist deine Gottesfurcht nicht deine Zuversicht und dein unsträflicher Wandel deine Hoffnung?
„Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!
Denn mit demselben Gericht (oder: Urteil), mit dem ihr richtet, werdet ihr wieder gerichtet werden, und mit demselben Maße, mit dem ihr messt, wird euch wieder gemessen werden (Mk 4,24).
Was siehst du aber den Splitter im Auge deines Bruders, während du den Balken in deinem eigenen Auge nicht wahrnimmst?
Oder wie darfst du zu deinem Bruder sagen: ‚Lass mich den Splitter aus deinem Auge ziehen‘? Und dabei steckt der Balken in deinem Auge!
Du Heuchler, ziehe zuerst den Balken aus deinem Auge, dann magst du zusehen, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst. –
Weil Jesus nun wusste, dass der Vater ihm alles in die Hände gegeben hatte und dass er von Gott ausgegangen sei und wieder zu Gott hingehe,
erhob er sich beim Mahl von seinem Platz, legte die Oberkleidung ab, nahm einen linnenen Schurz und band ihn sich um.
Danach goss er Wasser in das Waschbecken und begann seinen Jüngern die Füße zu waschen und sie mit dem linnenen Schurz, den er sich umgebunden hatte, abzutrocknen.
So kam er denn auch zu Simon Petrus. Dieser sagte zu ihm: „Herr, du willst mir die Füße waschen?“