Hab 3,2: HERR, ich habe deine Kunde vernommen, ich fürchte mich; HERR, belebe dein Werk inmitten der Jahre, inmitten der Jahre mache es kund; im Zorn gedenke des Erbarmens!
Als Habakuk etwas von der Verdorbenheit seines eigenen Herzens und dem Zustand seines Volkes erkennt, erfüllt das Wort des Herrn ihn mit Furcht. Wie Jesaja konnte er ausrufen: „Wehe mir! Denn ich bin verloren; denn ich bin ein Mann von unreinen Lippen, und inmitten eines Volkes von unreinen Lippen wohne ich“ (Jes 6,5). Auf der Grundlage von Verdiensten kann er nichts geltend machen. Aber als er sich darauf besinnt, mit wem er es zu tun hat, kann er mit Zuversicht und Gewissheit demütig für Erneuerung und Segen bitten.
Es besteht kein Grund, in Verzweiflung niederzusinken und anzunehmen, dass der Leuchter weggenommen worden und das gemeinschaftliche Zeugnis erloschen ist, nur weil ein Volk sich wegen seines Versagens, den Willen Gottes zu tun, unter der mächtigen Hand Gottes befindet. Unglaube, nicht göttliche Unterordnung, führt Gläubige dazu, diesen Standpunkt einzunehmen. Das lässt vielleicht an jene Bewegung1 denken, die [in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts] dadurch entstanden ist, dass man viele kostbare Wahrheiten wiederentdeckt hat, die über Jahrhunderte als toter Buchstabe behandelt worden waren. In der praktischen Umsetzung dieser Wahrheit ist zweifellos sehr demütigendes Versagen zutage getreten. Gott hat als Folge davon erlaubt, dass Trennung und Streit den Platz von glücklicher Einheit und heiliger Gemeinschaft einnehmen. All das sollte uns Grund zur Beugung und Zerbrochenheit sein, aber kein Grund zu völliger Entmutigung. Welches Versagen es auch immer gegeben hat, Gott und seine Wahrheit bleiben bestehen. „Was von Anfang war“ (1Joh 1,1), haben wir noch immer, damit wir unsere Wege danach ausrichten. Versagen zu einem Grund für weitere Untreue zu machen, hieße, in Eigenwillen zu wandeln und die Kraft gerade der Lektion zu verlieren, die Gott uns lehren wollte. Wie Habakuk, so haben auch wir allen Grund, uns tief zu beugen; aber wir dürfen, wie er, auf Gott zählen, dass Er an diesem niedrigen Platz bei uns ist.
Habakuk bittet flehentlich um Erweckung – eine Erweckung, von der wir wissen, dass es Gott gefiel, sie zu schicken, als sein Volk durch die Züchtigung dafür bereit war. Der Überrest, der aus Babylon zurückkehrte, erkennt die Gnade des Herrn darin an, dass Er sie „ein wenig aufleben“ ließ (Esra 9,8). So können auch wir gewiss sein: Es gefällt Gott, uns jetzt Erweckung zu schenken – auch wenn die Zeit schon fortgeschritten ist –, wenn Er unter uns denselben gebeugten Geist der Unterwerfung unter seinen Willen entdecken kann.