Es ist in der Tat traurig, auf Segnungen zurückblicken zu müssen, an denen man sich einst erfreut hat, wenn alles nur noch eine Erinne- rung ist.
In den Tagen ihres Elends und ihres Umherirrens erinnert Jerusalem sich an alle ihre Kostbarkeiten, die seit den Tagen der Vorzeit waren, da nun ihr Volk durch die Hand des Bedrängers gefallen ist und sie keinen Helfer hat; die Bedränger sehen sie an, spotten über ihren Untergang (1,7).
Eine Ruhe wie die Ruhe des Sabbats lag über der ganzen Stadt, aber es war die Ruhe der Verwüstung und des Todes, es gab nichts mehr, was ihre Ruhe störte. Das Werk des HERRN war oft eine Last gewe- sen. Jetzt war sie von allem befreit, aber zu welch schrecklichem Preis! Abgelegt als „ein Gefäß, an dem man kein Gefallen hat“ (Jer 48,38), wurde Jerusalem in ungestörter Ruhe gelassen.
Rührend erkennt der Prophet in den folgenden vier Versen (V. 8–11) die Gerechtigkeit all dessen an. Jerusalem hatte schwer gesündigt. Deshalb ist sie „wie eine Unreine geworden“, untauglich, um von Gott weiter benutzt zu werden. Deshalb verachten die, die sie einst verehr- ten, sie jetzt. Ihre Nacktheit war offen zu Tage getreten. Ihre Unreinheit war für alle sichtbar. Sie vergaß ihr letztes Ziel –Gottes Absicht, sie aus der ägyptischen Knechtschaft zu befreien. „Sie hat ihr Ende nicht be- dacht und ist erstaunlich gefallen“ (V. 9a), bis sie keinen Tröster mehr hat. Und doch gibt es in ihrer Zeit der schrecklichen Schande und Be- drängnis noch einige treue Herzen, die ausrufen: „Sieh, HERR, mein Elend, denn der Feind hat großgetan“ (V. 9b). Ihr Widersacher hatte über sie triumphiert und sogar ihr Heiligtum verunreinigt; die Verantwortung dafür war Juda auferlegt worden, als ihnen geboten wurde, dass kein Unbeschnittener in die Gemeinde des HERRN kommen sollte. Da sie es versäumt hatte, ihre kostbaren Güter zu bewahren, wurden sie den Unreinen unter den Völkern überlassen. So ist es immer. Wenn Gottes Volk das, was Er ihm anvertraut hat, nicht wertschätzt, wird Er ihn die Wertschätzung lehren, indem Er es ihm wegnimmt und es sogar zum Spielball seiner Feinde macht.