Behandelter Abschnitt Klgl 1,4-6
Wie schnell hat sich die apostolische Kirche selbst verdorben. Die dichte Finsternis des Mittelalters war die staatliche Belohnung dafür. In noch kürzerer Zeit wurde die Bewegung, die in der glorreichen Refor- mation des sechzehnten Jahrhunderts begonnen hatte, durch die An- passung an die Welt verdorben, so dass man mit Recht gefragt hat: „Wo ist die Kirche?“ und geantwortet hat: „In der Welt!“ Wiederum: „Wo ist die Welt?“ und die Antwort: „In der Kirche.“ Aus dieser ge- mischten Schar hat es Gott zu verschiedenen Zeiten gefallen, kleine Restgruppen für sich abzusondern, die sich dann ihrerseits in die Welt verliebt haben, der sie einst abzuschwören versprachen. War es anders mit denjenigen, die mehr als viele andere erleuchtet sind, die in diesen letzten Tagen aus den menschlichen Systemen herausgerufen wurden, um ein Zeugnis für die Einheit und die himmlische Berufung der Kirche zu sein? Ach, meine Brüder, „wie sind die Mächtigen gefallen!“ Wie un- sagbar traurig ist die wechselvolle Geschichte dieser Bewegung, die so verheißungsvoll begann und einst so viel versprach! Die Weltlichkeit frisst wie ein Krebsgeschwür das Leben selbst heraus. Stolz, Hochmut und Selbstgenügsamkeit sind allgegenwärtig. Gott hat im Gericht eine Spaltung auf die andere folgen lassen, bis wir kurz vor der völligen Ver- nichtung stehen; und doch, wie viel Anmaßung, wie wenig Zerbruch vor Ihm, wie viele unentschiedene Herzen und abgestumpfte Gewissen! Soll von uns gesagt werden wie einst von Juda:
Die Wege Zions trauern, weil niemand zum Fest kommt; alle ihre Tore sind öde; ihre Priester seufzen; ihre Jungfrauen sind betrübt, und ihr selbst ist es bitter. Ihre Bedränger sind zum Haupt geworden, ihre Feinde sind sorglos; denn der HERR hat sie betrübt wegen der Menge ihrer Übertretungen; vor dem Bedränger her sind ihre Kinder in Gefangenschaft gezogen. Und von der Tochter Zion ist all ihre Pracht gewichen; ihre Fürsten sind wie Hirsche geworden, die keine Weide finden, und kraftlos gingen sie vor dem Verfol- ger her (1,4–6).
Es ist auch nicht möglich, ein solch trauriges Ergebnis zu vermeiden, in- dem man „mit ungehärtetem Mörtel schmiert“, indem man versucht, Spaltungen zu heilen, indem man die Übel beschönigt, die zu ihnen ge- führt haben, und so die Stimme Gottes in ihnen nicht hört. Ein Weg, und nur einer, hätte Juda gerettet. Das war echte Selbstverurteilung und Zerschlagung des Geistes vor dem Herrn, die das Volk dazu brach- te, „vor seinem Wort zu zittern“. Das ist es, was heute überall ge- braucht wird. Es geht nicht so sehr darum, neue Wahrheiten zu suchen und zu lernen, die die Heiligen Gottes segnen und befreien werden, sondern darum, unsere Wege an der Wahrheit zu prüfen, die uns bereits anvertraut ist, und zu suchen, in ihrer Wirklichkeit zu leben. Weil wir das nicht taten, ging Juda in die Gefangenschaft, verlor eine christli- che Versammlung ihren Leuchter des Zeugnisses, und die Welt konnte sich gegen das Volk des Herrn durchsetzen.