Vers 11
Obad 11: An dem Tag, als du gegenüberstandest … und Ausländer zu seinen Toren einzogen und über Jerusalem das Los warfen, da warst auch du wie einer von ihnen.
Dann folgt die schreckliche Beschreibung der Verhaltensweise der Edomiter. Sie jubelten über den Fall der Kinder Juda, raubten ihren Besitz und standen am Kreuzweg, um die
Flüchtlinge, die um ihr Leben liefen, abzufangen und sie dann den grausamen Babyloniern auszuliefern. In dieser Verbindung erkennen wir die Spuren Christi, wenn wir zwischen den Zeilen von Obadjas ernster Anklage lesen.
Bei der Betrachtung von Hosea sehen wir, wie Christus den Platz des wahren Israels vor Gott einnimmt. Er war der Sohn, der aus Ägypten gerufen wurde. Aus Gnade machte Er sich eins mit dem gottesfürchtigen Überrest: Er nahm teil an ihren Leiden, fühlte den bitteren Schmerz ihres Kummers, litt wegen ihrer Not und stöhnte unter der Last, die sie niederdrückte. Das ist etwas völlig anderes als sein sühnendes Leiden. Zweifellos galt sein Erlösungswerk sowohl Israel als auch uns. Doch in Obadja geht es weder um Christi sühnendes Leiden noch um sein Leiden um der Gerechtigkeit willen. Er nahm tatsächlich die Not und die Unterdrückung auf sich, unter der sein Volk stöhnte, und fühlte die furchtbaren Schmerzen davon tief in seiner Seele. Wenn wir darüber nachdenken, können wir nicht anders, als Ihn umso lieber zu haben!
Bei einem Vergleich Obadjas mit dem Schluss des Lukasevangeliums (Lk 23), findet man unschwer Christus in dem Bericht über die Leiden seines Volkes durch die Edomiter. Herodes war der erbarmungslose Fürst mit Edomiterblut. Sein Hass entflammte gegen den Einen, der aus Gnaden als Befreier zu seinem Volk gekommen war. Seit Christi Geburt hatte der Edomiter versucht, Ihn zu töten. Sogar während der letzten Ereignisse, die nicht lange danach auf Golgatha ihren Höhepunkt erreichten, war der Edomiter zur Stelle, um die Leiden dieses Heiligen noch zu verschlimmern. Wie Obadja prophezeit, vereint sich Edom mit den Unterdrückern aus den Nationen. Deshalb lesen wir, dass Herodes und Pilatus – der Edomiter und der Römer – Freunde wurden durch ihre gemeinsame Christusfeindlichkeit. Edom freute sich über den Untergang der Kinder Juda und sperrte sein Maul weit auf [war schadenfroh] am Tag ihrer Bedrängnis (Obad 12). Auch Herodes „freute … sich sehr“, als er Jesus erblickte und merkte, dass dieser in seiner Gewalt war; mit Hilfe seiner Kriegsleute behandelte er Ihn voller Verachtung und verspottete Ihn (Lk 23,8.11).
Edom stand am Tag von Judas Bedrängnis triumphierend im Tor von Jerusalem. Bezeichnenderweise wird das Gleiche gesagt von Herodes, dem Edomiter, zur Zeit des Leidens Christi: „Herodes war auch selbst in diesen Tagen in Jerusalem“ (Lk 23,7). Er war zur Stelle, um den schon vollen Becher des schwer Leidenden zum Überlaufen zu bringen. Schlimmer noch: Edom lieferte die Entronnenen aus. Und der Evangelist berichtet über Jesus: „Herodes … sandte ihn zu Pilatus zurück“ (Lk 23,11). So niederträchtig war dieser Edomiter! In der Endzeit, wenn der Staatenbund gegen das auserwählte Volk Krieg führen wird, wird es für die Gottesfürchtigen ein enormer Trost sein, dass Er mitfühlt und sie stärkt, Er, der selbst den bitteren Hass des Edomiters erfuhr. Ihre bekümmerten Herzen werden seine Gegenwart erfahren. Er, der so gut Bescheid weiß über jede Phase in ihrer Bedrängnis – hat Er doch selbst dies alles durchlitten –, wird ihnen auf wunderbare Weise Trost und Kraft spenden können.