Behandelter Abschnitt 1Sam 15
Schließlich tritt sein Verderben im nächsten Kapitel auf die deutlichste Weise ans Licht: „Und Samuel sprach zu Saul: Der Herr hat mich gesandt, um dich zum König zu salben über sein Volk, über Israel. So höre nun auf die Stimme der Worte des Herrn. So spricht der Herr der Heerscharen: Ich habe angesehen, was Amalek Israel getan“ (V. 1.2). Er gab eine neue Prüfung, eine erneute Gelegenheit. Wenn er vielleicht den Schandfleck und das Urteil beseitigen könnte, würde der Herr ihm eine neue Prüfung geben. „Und Samuel sprach zu Saul: Der Herr hat mich gesandt, um dich zum König zu salben über sein Volk, über Israel. So höre nun auf die Stimme der Worte des Herrn. So spricht der Herr der Heerscharen: Ich habe angesehen, was Amalek Israel getan“ (V. 3–5). Und so kamen die Amalekiter herab; das Volk wurde besiegt; der König Agag wurde gefangengenommen; die Masse von ihnen wurde durch die Schärfe des Schwertes völlig vernichtet. „Und Saul und das Volk!“ – Wie auffallend bringt der Heilige Geist die Dinge hier zusammen: „Und Saul und das Volk verschonten Agag und das Beste vom Klein- und Rindvieh und die Tiere vom zweiten Wurf und die Mastschafe und alles, was gut war, und sie wollten sie nicht verbannen; alles Vieh aber, das gering und schwächlich war, das verbannten sie“ (V. 9). Das Fleisch nützt nichts. Wie sehr es auch von Gott geprüft wird, es versagt. Gottes Wort war klar, sein Wille entschieden; aber der König und das Volk waren gleichermaßen ungehorsam. „Da erging das Wort des Herrn an Samuel, indem er sprach: Es reut mich, dass ich Saul zum König gemacht habe, denn er hat sich hinter mir abgewandt und hat meine Worte nicht erfüllt“ (V. 10.11a). Wie konnte er das Volk anführen? Wie konnte er, der bei jeder neuen Prüfung so rebellisch war – wie konnte er, der den Sieg Israels gefährdet hatte, als ein anderer nicht versagt hatte, ihn zu erringen – wie konnte ein solcher Mann ein Hirte des Volkes Gottes sein? „Und Samuel entbrannte und schrie zu dem Herrn die ganze Nacht“ (V. 11b) – eine schöne Eigenschaft des Propheten. Er empfand alles, wusste alles, aber trotzdem betrübte es zutiefst sein Herz. „Und am Morgen machte Samuel sich früh auf, Saul entgegen. Und es wurde Samuel berichtet und gesagt: Saul ist nach Karmel gekommen; und siehe, er hat sich ein Denkmal errichtet, und er hat sich gewandt und ist weitergegangen und nach Gilgal hinabgezogen. Und Samuel kam zu Saul; und Saul sprach zu ihm: Gesegnet seist du von dem Herrn! Ich habe das Wort des Herrn erfüllt“ (V. 12.13).
Und was antwortete das betrübte Herz Samuels? „Was ist denn das für ein Blöken von Kleinvieh in meinen Ohren und ein Brüllen von Rindern, das ich höre? Und Saul sprach: Sie haben sie von den Amalekitern gebracht, weil das Volk das Beste vom Klein- und Rindvieh verschont hat, um dem Herrn, deinem Gott, zu opfern; aber das Übrige haben wir verbannt. Da sprach Samuel zu Saul: Halt, dass ich dir kundtue, was der Herr diese Nacht zu mir geredet hat. Und er sprach zu ihm: Rede! Und Samuel sprach: Wurdest du nicht, als du klein in deinen Augen warst, das Haupt der Stämme Israels? Und der Herr salbte dich zum König über Israel. Und der Herr hat dich auf den Weg gesandt und gesagt: Zieh hin und verbanne die Sünder, die Amalekiter, und kämpfe gegen sie, bis du sie vernichtest. Warum hast du denn der Stimme des Herrn nicht gehorcht und bist über die Beute hergefallen und hast getan, was böse ist in den Augen des Herrn?“ (V. 14–19).
Alle Ausreden Sauls waren eitel oder schlimmer. Wie Adam es mit Eva tat, so stellte der König das Volk auf, um sich zu schützen. Denn wozu war er berufen, wenn nicht, das Volk zu führen? War es nicht die Aufgabe des König, die Gesetzlosigkeit zu unterdrücken und sie nicht in den Ungehorsam zu verstricken? Wozu war er berufen, wenn nicht, um ihnen im Namen des Herrn zu gebieten? War es so weit gekommen, dass das Volk ihm befahl? Es konnte nur eine Auswirkung eines solchen Bekenntnisses geben. Sein Königtum war dahin. Die Wahrheit aber war: „Wie das Volk, so der König.“ „Und Saul sprach zu Samuel: Ich habe der Stimme des Herrn gehorcht“ (V. 20a). Denn Saul hält seine Heuchelei aufrecht: „und bin auf dem Weg gezogen, den der Herr mich gesandt hat; und ich habe Agag, den König der Amalekiter, hergebracht, und die Amalekiter habe ich verbannt. Aber das Volk hat von der Beute genommen: Klein- und Rindvieh, das Vorzüglichste des Verbannten, um dem Herrn, deinem Gott, zu opfern in Gilgal. Und Samuel sprach: Hat der Herr Gefallen an Brandopfern und Schlachtopfern, wie daran, dass man der Stimme des Herrn gehorcht? Siehe, Gehorchen ist besser als Schlachtopfer, Aufmerken besser als das Fett der Widder. Denn wie Sünde der Wahrsagerei ist Widerspenstigkeit“ (V 20b–23a). Lasst es uns gut abwägen, meine Brüder: Rebellion ist wie Sünde der Wahrsagerei, und wir wissen, was das sogar in Sauls Augen war. „Denn wie Sünde der Wahrsagerei ist Widerspenstigkeit, und der Eigenwille wie Abgötterei und Götzendienst“ (V. 23). Jetzt gibt es keine Unbestimmtheit mehr, keine Verwechslung mit dem Volk. Der schuldige König wird verurteilt und das erneute Urteil des Herrn ausgesprochen: „Weil du das Wort des Herrn verworfen hast, so hat er dich verworfen, dass du nicht mehr König sein sollst.“
Beachte, was dann folgt: „Und Saul sprach zu Samuel: Ich habe gesündigt“ (V. 24). Es ist nicht immer ein gutes Zeichen, wenn ein Mensch schnell seine Sünde bekennt. Haben wir das nicht auch bei Kindern gesehen? Es ist eine allgemeine Beobachtung, dass das Kind, das immer bereit ist, sein Unrecht zu bekennen, nicht viel dabei empfindet. Es ist nicht so, dass das Gegenteil davon kein Fehler wäre, oder dass es eine glückliche Sache ist, ein Kind stur zu finden; aber man sieht gern eine kleine Übung des Gewissens; dass man weiß, dass ein Kind die Tatsache abwägt und sein Verhalten und seine Motive überdenkt und sich dem beugt, was seine Eltern sagen: Das kann nach einer Betrübnis geschehen, die nicht sehr artikuliert zu uns herüberkommt. Das Herz gewinnt Vertrauen, und auch das Gewissen wirft seine Last ab und sagt sein Unrecht frei heraus. Aber das schnelle und voreilige Bekennen: „Ich habe gesündigt“, ist immer verdächtig; und es ist das, was man bei noch Schlimmerem als Saul finden kann. Judas sagte genau dasselbe. Die Bereitschaft, Unrecht einzugestehen, zumindest im Allgemeinen, kann sogar dort sein, wo es ein verhärtetes Gewissen gibt, der Zustand also ganz schlecht ist. Schon in alter Zeit wurde ein Prinzip gelehrt, das seine Wertlosigkeit offenbar machte.
Dies scheint mir ein wichtiger Punkt in jener bemerkenswerten Einrichtung des Gesetzes gewesen zu sein – der Verordnung zum Umgang mit Verunreinigungen. Das Wasser der Reinigung wurde niemals zu Beginn einer Versündigung auf einen Israeliten gesprengt (4Mo 19). Der Mann musste unter dem Bewusstsein seiner Verunreinigung bis zum dritten Tag warten. Wenn er seinen Fall vor Gott gerecht und vollständig empfunden hatte, wenn es am dritten Tag ein ausreichendes Zeugnis gab, dann und nicht vorher wurde er besprengt. Das wurde am siebten Tag wiederholt, und der ganze Vorgang war nach dem Gesetz abgeschlossen. Die Besprengung am siebten Tag wäre ohne die Besprengung am dritten Tag sinnlos gewesen. Aber so etwas wie Besprengung am ersten Tag gab es nicht.
Das Gegenteil von dem, was dort gelehrt wird, finden wir bei Saul. Er glaubte, das Ganze, wenn man so sagen darf, am ersten Tag erledigen zu können. Er versuchte, sich durch das schnellste Bekenntnis von der ganzen Last seines Versagens zu entledigen. Aber nein: Ein solches Geständnis taugt nichts. „Ich habe gesündigt; denn ich habe den Befehl des Herrn und deiner Wort übertreten“ (V. 24a). Was für ein Mann, der sich gerade noch damit gebrüstet hatte, dass er etwas Großartiges getan hatte ... und dass die Tiere verschont wurden, um sie dem Herrn zu opfern? Da war eindeutig kein gutes Gewissen vorhanden. „Ich habe gesündigt“, sagte er, als er verurteilt wurde, und nicht vorher, „dass ich den Befehl des Herrn und deine Worte übertreten habe; denn ich habe das Volk gefürchtet und auf seine Stimme gehört“ (V. 24b). Was für ein König! „Denn ich habe das Volk gefürchtet“. Er hat den Herr nicht gefürchtet. Ohne das gibt es nichts Rechtes. „Und nun, vergib doch meine Sünde, und kehre mit mir um, dass ich vor dem Herrn anbete. Aber Samuel sprach zu Saul: Ich kehre nicht mit dir um; denn du hast das Wort des Herrn verworfen, und der Herr hat dich verworfen, dass du nicht mehr König über Israel sein sollst. Und als Samuel sich wandte zu gehen, da ergriff er den Zipfel seines Oberkleides, und dieser riss ab“ (V. 25–27). Leider! Das Bekenntnis Sauls war nicht gottgefälliger als das Esaus. Beide fühlten für sich selbst, wie beide danach den Mann Gottes, den Er erwählt hatte, hassten. Was konnte die Aufdringlichkeit der beiden anderes hervorbringen als das Urteil über ihren Verlust?
Wir sehen also, dass hier die Tat des Königs nur eine weitere Gelegenheit für Samuel bietet, den schuldigen König zu warnen: „Da sprach Samuel zu ihm: Der Herr hat heute das Königtum Israels von dir abgerissen und es deinem Nächsten gegeben, der besser ist als du. Und auch lügt nicht das Vertrauen Israels, und er bereut nicht; denn nicht ein Mensch ist er, um zu bereuen. Und er sprach: Ich habe gesündigt! Nun ehre mich doch vor den Ältesten meines Volkes und vor Israel, und kehre mit mir um, dass ich vor dem Herrn, deinem Gott, anbete“ (V. 28–30).
Es war zu spät. Aber was für ein Gedanke zu solch einer Zeit! „Nun ehre mich doch vor den Ältesten meines Volkes.“ Seine Entehrung des Herrn und die Irreführung des Volkes zu spüren und zu bekennen, wäre eine ganz andere Haltung gewesen. Daran dachte er aber nicht. Samuel wandte sich wieder Saul zu; Saul betete den Herrn an; aber es war vergeblich. Jedenfalls wurde Agag vorgeführt, weil er, wie wir dem Bericht entnehmen können, dachte, dass ihm Barmherzigkeit zuteilwerden würde. Sicherlich würde der Prophet nicht weniger Mitleid haben als der König mit einem verlorenen Gefangenen! „Und Agag kam lustig zu ihm; und Agag sprach: Gewiss, die Bitterkeit des Todes ist gewichen! Aber Samuel sprach: Wie dein Schwert Frauen kinderlos gemacht hat, so sei kinderlos unter Frauen deine Mutter! Und Samuel hieb Agag in Stücke vor dem Herrn in Gilgal. Und Samuel ging nach Rama; und Saul zog in sein Haus hinauf nach Gibea-Saul. Und Samuel sah Saul nicht mehr bis zum Tag seines Todes; denn Samuel trauerte um Saul, weil es den Herrn reute, dass er Saul zum König über Israel gemacht hatte“ (V. 32–35).
Aber dies ist der moralische Schluss der Geschichte Sauls; und wir haben für die Gegenwart genug über den König des Menschen erfahren. Wir werden als nächstes mit der Geschichte eines besseren Menschen, seines „Nächsten“, beginnen. Es mag nützlich sein, die beiden in ihren gegenseitigen Beziehungen zu vergleichen, wenn wir sehen, wie der König Gottes über Israel regiert, nachdem der König des Menschen verschwand. Aber es gibt noch eine andere und äußerst ernste Wahrheit, die gleichzeitig gesehen wird: die schreckliche Wahrheit, dass die Darstellung der Gerechtigkeit und Gnade bei jemandem, der Gott im Glauben dient, immer denjenigen bis zum letzten Grad der Bosheit und des Hasses provoziert und erzürnt, der zwar behauptet, dem wahren Gott zu dienen, in Wirklichkeit aber seinem eigenen Bauch dient. Keine Liebenswürdigkeit, keine Nähe der natürlichen Verwandtschaft, keine Gewissenskämpfe können jemals von diesem abwärtsführenden Weg ins Verderben befreien, in die Satan den stürzt, der, nicht aus Gott geboren, unter solchen Umständen mit einem Mann des Glaubens zusammenstößt, der mit der offenkundigen Kraft und Gunst Gottes auf dem Weg des Glaubens wandelt.
Es gibt nur einen Ausweg: die Umkehr zum Leben, die das Teil dessen ist, der vor Gott nur auf Christus ruht und es sich deshalb leisten kann, sich selbst zu verleugnen, indem er es als einzig und immer böse beurteilt, so dass das Leben, das man fortan lebt, Christus und nicht das eigene ist, auch wenn es dort immer als verwerflich behandelt werden muss. „Denn ich bin durch das Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich Gott lebe; ich bin mit Christus gekreuzigt, und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir; was ich aber jetzt lebe im Fleisch, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“ (V. 19.20). Saul wusste nichts von diesem Prinzip, so wie David es sehr wohl wusste. Was immer er an Gerechtigkeit anstrebte, geschah ausschließlich durch das Gesetz, das, da es die Gnade Gottes vereitelt, in Enttäuschung und Tod endet. Diese alle haben dies von der Hand des Herrn – sie legen sich in Trauer nieder, wie wir bald sehen werden, dass dies das tatsächliche Ende des Königs Saul war.
Samuel zeigt uns hier die Absicht Gottes sowohl bei der Tötung Agags als auch bei der Trauer um Saul. Es war nach seinem Gesetz, die Todfeinde Israels nicht zu verschonen. Hatte Er nicht geschworen, mit Amalek Krieg zu führen von Generation zu Generation? Samuel hatte das nicht vergessen, auch wenn Saul es vergessen hatte. Andererseits ist die Zärtlichkeit, die um den König trauerte, so schuldig er auch war, ein feiner Zug jener Zuneigung, die nur durch den Glauben an Gottes ernstes Gericht gestärkt wird.