Behandelter Abschnitt 1Sam 6
So war die erbeutete Lade des Herrn lange genug da, um Gericht über die verschiedenen Länder und Städte des Feindes zu bringen: „Und die Philister riefen die Priester und Wahrsager und sprachen: Was sollen wir mit der Lade des Herrn tun? Teilt uns mit, womit wir sie an ihren Ort senden sollen“ (V. 2). Und so machten sie sich ihre eigenen Gedanken. Es ist eine sehr bemerkenswerte und lehrreiche Tatsache, dass Gott den Menschen in ihrem jeweiligen Zustand begegnet, obwohl Er sich weigert, seinem eigenen Volk zu begegnen, außer nach seinem Wort. Wie gut und doch wie heilig ist Er! Das halte ich für eine wichtige Wahrheit, wenn es um die Menschen der Welt geht. Hätten die Israeliten für die Lade des Herrn einen Plan nach ihren eigenen Gedanken ersonnen, der das Wort Gottes geringschätzte, so hätte Er sie sicher gerichtet, statt zu heilen; aber als diese armen Heiden, die die lebendigen Orakel nicht hatten, nur nach dem handelten, was sie hatten, da zeigte Er seine einfühlsame Barmherzigkeit. Der Herr ist nicht gleichgültig gegenüber den Bedürftigen und Bedrängten unter den Menschen; Er verachtet niemand. Zweifellos stehen solche, die das Wort Gottes kennen, wie die Menschen hier um uns herum, in einer anderen Stellung. Dennoch gilt allgemein der Grundsatz, dass dort, wo Menschen außerhalb der positiven Erkenntnis der Wahrheit Gottes stehen, die zärtliche Barmherzigkeit Gottes ihnen im Gewissen mit erstaunlichem Mitgefühl begegnet. Aber das Gewissen wird nicht genügen, wo es die Erkenntnis des Wortes Gottes gibt, so wichtig es auch in seinem eigenen Bereich sein mag, wo es nichts anderes gibt.
Diese Philister schlagen dann einen neuen Wagen vor und „Kühe, auf die kein Joch gekommen ist“ (V. 7). Dadurch prüft der Herr sie. Ihre Berater sagen: „Und nehmt die Lade des Herrn und stellt sie auf den Wagen; und die goldenen Geräte, die ihr ihm als Schuldopfer erstattet, legt in ein Kästchen an ihre Seite, und sendet sie hin, dass sie wegziehe. Und gebt Acht: Wenn sie den Weg zu ihrer Grenze hinaufgeht, nach Beth-Semes hin, so hat er uns dieses große Übel getan; wenn aber nicht, so wissen wir, dass nicht seine Hand uns geschlagen hat: Ein Zufall ist es uns gewesen“ (V. 8.9). Und der Herr ließ sich herab, ihnen in ihrer eigenen Prüfung zu begegnen. Das war gewiss sehr gnädig und zeigt, mit welchem Gott wir es zu tun haben, nicht nur für uns selbst, sondern auch für die, die ihn kaum kennen. „Und die Männer taten so und nahmen zwei säugende Kühe und spannten sie an den Wagen, und ihre Kälber sperrten sie zu Hause ein“ (V. 10), damit das Schreien der Kälber und die natürlichen Instinkte des Muttertieres es dazu bringen würden, zu seinen Jungen hinauszugehen. Stattdessen verlassen die Kühe ihre Jungen, gehen in eine völlig entgegengesetzte Richtung und nehmen einen Weg, den sie nie zuvor genommen hatten, entgegen allen Instinkten ihrer Natur in der tierischen Schöpfung. „Und sie stellten die Lade des Herrn auf den Wagen, und das Kästchen mit den goldenen Mäusen und den Abbildern ihrer Beulen. Und die Kühe gingen geradeaus auf dem Weg nach Beth-Semes; auf einer Straße gingen sie, im Gehen brüllend, und wichen weder nach rechts noch nach links; und die Fürsten der Philister gingen hinter ihnen her, bis an die Grenze von Beth-Semes“ (V. 11.12).
So begegnete Gott dem Gedanken des Herzens, wo es nur das Wirken des Gewissens gab, ohne das Licht der offenbarten Wahrheit, nicht die Erkenntnis Gottes, sondern das instinktive Gefühl seiner Hand, damit es eine Stimme in ihrem Gewissen gebe. Wenn sie sich dagegen verhärteten oder es vergaßen, so würde es umso schlimmer für sie sein. „Und die Bewohner von Beth-Semes ernteten die Weizenernte in der Talebene; und als sie ihre Augen erhoben und die Lade sahen, da freuten sie sich, sie zu sehen. Und der Wagen kam auf das Feld Josuas, des Beth-Semiters, und stand dort still; und es war dort ein großer Stein. Und sie spalteten das Holz des Wagens und opferten die Kühe als Brandopfer dem Herrn. Und die Leviten nahmen die Lade des Herrn herab und das Kästchen, das bei ihr war, in dem die goldenen Geräte waren, und setzten sie auf den großen Stein. Und die Männer von Beth-Semes opferten Brandopfer und schlachteten Schlachtopfer dem Herrn an jenem Tag. Und die fünf Fürsten der Philister sahen zu und kehrten an jenem Tag nach Ekron zurück“ (V. 13–16).
Aber das ist noch nicht alles. Es heißt weiter: „Und er schlug unter den Leuten von Beth-Semes, weil sie in die Lade des Herrn geschaut hatten“ (V. 19). Warum das? Er schlug die Philister nicht, weil sie hineingeschaut hatten. Sie hatten sich an der Lade zu schaffen gemacht, und sie hatten ihre Opfergaben nach ihrem eigenen Verständnis gegeben und nicht nach seinem Wort; weil die Männer von Beth-Semes jedoch hineingeschaut hatten, geschah Folgendes: „Und er schlug unter den Leuten von Beth-Semes, weil sie in die Lade des Herrn geschaut hatten, und schlug unter dem Volk siebzig Mann; da trauerte das Volk, weil der Herr eine so große Niederlage unter dem Volk angerichtet hatte“ (V. 19). Das sind die Wege Gottes mit seinem eigenen Volk. Oh, lasst uns das nie vergessen, geliebte Brüder! Nicht einmal für die Philister gab es ein solches Gemetzel. „Der Herr wird sein Volk richten“, und die Tatsache, dass Er richtet, ist ein Beweis, nicht dass sie nicht sein Volk sind, noch dass Er sie nicht liebt, sondern dass Er ihre Respektlosigkeit bestraft. Lasst uns das nicht lesen, ohne davon beeindruckt zu werden.
Die Gnade Gottes bringt immer eine von zwei Wirkungen hervor: einen Geist der Anbetung, wo sich das Herz beugt, oder eine Gewohnheit der Respektlosigkeit, wo man mit der Gnade herumspielt. Die Vertrautheit seiner Liebe macht uns entweder zu nichts vor Ihm, und Ihn selbst zu allem, oder sie ermutigt das natürliche Herz zu einer Art Leichtsinn und Selbstvertrauen, was ich von allen Dingen für eines der größten Hindernisse für die Wahrheit Gottes halte, und das manchmal wirksam ist in denen, die Ihn kennen. Wir müssen in dieser Hinsicht eifersüchtig auf uns selbst sein. Sogar echte Christen mögen sich dessen nicht bewusst sein; aber wir können uns darauf verlassen, dass wir nicht diejenigen sind, die sich am wenigsten davor hüten müssen, sondern dass gerade die Kenntnis seiner Gnade, die Vertrautheit mit seiner Wahrheit, wenn es nicht den echten und anhaltenden Genuss seiner Gegenwart gibt, uns immer dem aussetzen wird. Es gibt nämlich kein echtes Empfinden seiner Gegenwart, wenn es nicht mit Selbstgericht und Wachsamkeit gepaart ist. Das Versagen darin ist überhaupt kein Beweis dafür, dass jemand die Erkenntnis seiner Gnade und Wahrheit will, sondern es verrät unseren niedrigen Zustand. Vielmehr ist es die Wirkung der Gnade, die erkannt wird, wenn unsere Natur als schwach beurteilt wurde. Andererseits bewahrt uns niemals das ständige Selbstgericht, sondern die Gemeinschaft mit Ihm und seiner Gnade.
Die Männer von Beth-Semes stellen zweifellos einen sehr extremen Fall dar. Es gab eine gewisse Art von Freude des Herzens, als sie die zurückkehrende Lade Gottes sahen. War das nicht richtig? Es war sicher nicht falsch; aber dann hätte es ein anderes, ein demütiges Empfinden geben müssen, als sie sahen, dass sie von den Philistern kam. Wenn Gottes Teil voller Barmherzigkeit war, was war dann ihr Teil Ihm gegenüber und auch überhaupt ihr Teil? Und hätte es nicht eine demütige Niederwerfung vor dem Gott Israels geben müssen? Das hätte jedem Gedanken an die Entweihung vorgebeugt. Wurde die Lade entweiht, weil Israel ungläubig gewesen war? Mit Recht hat dieser eine Blick in die Lade Gottes Israel mehr gekostet als alle Schwerter der Philister: „und die Leute von Beth-Semes sprachen: Wer vermag vor dem Herrn, diesem heiligen Gott, zu bestehen? Und zu wem soll er von uns hinaufziehen?“ (V. 20). Aber wenn diese Panik auch nur natürlich war, so war sie doch nicht der Schrei des Glaubens. Sie hätten sich selbst richten sollen, anstatt so einem Gefühl des Schreckens vor dem feierlichen Gericht Gottes nachzugeben. So wird auch das Böse nicht wirklich korrigiert.
Wo es Leichtsinn und Respektlosigkeit gegenüber Gott gegeben hat, kann nicht eine reaktionäre Distanz das wahre Heilmittel sein (wenn möglich schlimmer als die Krankheit), sondern eine bessere Erkenntnis der Gnade und Wahrheit Gottes. Diese wird, wenn sie im Glauben angenommen wird, den Fehler korrigieren, nicht indem wir einen Geist der Unfreiheit hofieren, sondern indem wir die Gewissheit der Gnade nutzen, um die Wahrheit auf uns selbst anzuwenden. Distanz und Ungewissheit sind der Weg des Menschen; aber Gott bringt sein Wort im Geist, um die Natur zu richten, umso mehr wegen der Fülle seiner Gnade und der Klarheit der Wahrheit. So geht das Selbstgericht mit der Gnade einher.