Philadelphia
Und dem Engel der Versammlung in Philadelphia schreibe: Dieses sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der den Schlüssel [des] David hat, der öffnet, und niemand wird schließen, und schließt, und niemand öffnet (3,7).
Der Ton des Briefes an Philadelphia muss, denke ich, den Gedanken bestätigen, der in Bezug auf Sardes vorgetragen wird, dass wir in diesem Teil (Kap. 3) nicht so sehr die frühe Kirche oder die des Mittelalters finden, sondern das, was in der Neuzeit zu finden ist oder sich entwickelt. Sardes ist der entsprechende Anfang, nämlich ein Zustand der Dinge, der nicht durch offenbares Böse gekennzeichnet ist, sondern durch ein trauriges und fatales Merkmal – es ist negativ. Jeder rechtschaffene Mensch, der über das, was man Protestantismus nennt, gründlich nachgedacht hat, muss wissen, dass dies das Traurige ist, was wir, die wir Protestanten waren und somit seine Schande teilen, zugeben müssen. Die Menschen treten zu sehr, wenigstens zu selbstgefällig, für gewisse Streitpunkte ein, die in großem Maß ihre eigenen Mängel und Fehler verbergen. Sie rühmen sich, von gewissen Übeln, wie der Oberhoheit des Papstes, der unfehlbaren Autorität der Kirche, der Verehrung der Jungfrau, der Heiligen und der Engel, der Lehre von der Messe, dem Fegefeuer und dergleichen, Abstand zu halten.
Angenommen, es gäbe die strengste Rechtgläubigkeit in Bezug auf diese Dinge, so gäbe es doch tausend Übel anderen Charakters, die zusammen mit der äußeren Korrektheit das Herz gründlich von der Liebe und Ehre des Herrn entfernen würden. Das ist genau das, was wir in Sardes gesehen haben – ein Name, dass man lebt, und doch tot ist. Wie in Israel, als der Herr auf der Erde war, der alte Götzendienst vergangen war, der unreine Geist das Haus verlassen hatte und zurückkehren wird, so entspricht der gekehrte und geschmückte Zustand des Hauses dem, der auf die Reformation folgte. Aber wir müssen zwischen diesem und dem Werk unterscheiden, das Gott den Reformatoren auftrug. Niemand sollte abschätzig über diese Männer sprechen, ob Luther oder andere. Aber während Gott in dieser großen Bewegung wirkte, wäre es besser und heiliger gewesen, wenn sie die irdischen Regierungen ihren eigentlichen Aufgaben überlassen hätten. Zweifellos verschonten ihre Gönner sie mit Verfolgungen und brachten ihnen Ehrungen ein, die sich aber, statt dem Werk Gottes zu helfen, als ein großes Hindernis erwiesen. Und so, als das Feuer des ersten Eifers verblasst war, entsprach der Zustand der Dinge dem von Sardes.
In Philadelphia haben wir etwas ganz anderes. Erstens fällt uns auf, dass es nicht um das geht, was der Herr tut oder hat, sondern was Er selbst ist. Wenn es etwas gibt, das von bloßem Dogma mit all seinem abschreckenden Einfluss befreit, dann ist es, so glaube ich, die Person des Herrn, die auf besondere Weise geehrt wird. Und das sieht man im Brief an Philadelphia. Der Herr stellt sich hier persönlicher vor als in jedem anderen dieser Briefe. Es ist wahr, dass von Ihm gesagt wird, dass Er den Schlüssel Davids hat. Aber bevor irgendetwas darüber erscheint, sagt Er, dass Er der Heilige und der Wahrhaftige ist. In den anderen Briefen finden wir den Herrn nicht unter demselben moralischen Gesichtspunkt erwähnt. Das ist, meiner Meinung nach, das, was die Gnade in den letzten Jahren in den Kindern Gottes bewirkt hat. Der Impuls, der der Evangelisation durch die Verbreitung von Bibeln und missionarischen Bemühungen gegeben wurde, hat sie äußerlich geprägt. Doch innerlich wurde das Bewusstsein des Verderbens vom Geist benutzt, um die Gläubigen zum Wort zu führen und damit zu einer volleren Wertschätzung der Person Christi – der Einzige, in dem wir durch den Heiligen Geist ruhen können, so wie Er sich Gott dem Vater weihte, als Er auf der Erde wandelte.
Es ist etwas sehr Schönes in der Art und Weise, wie die Gnade des Herrn wirkt, nach dem Brief an Sardes, die in einem toten weltlichen Zustand war. Christus hat sich zu erkennen gegeben. Er ist die Auferstehung und das Leben. Und was kann neues Leben geben, die Versammlung in die richtige Haltung bringen oder einen Überrest zu einem Wandel und einer Gesinnung veranlassen, die zu einer Zeit des Verderbens passt, als der Herr, der sich persönlich zeigt? Das ist charakteristisch für das Johannesevangelium: die Person Christi in seinen Rechten, der sich nicht nur bis zum Tod erniedrigt, sondern mit dem Heiligen Geist tauft, in der Tätigkeit der gnädigen Macht, die seiner Herrlichkeit angemessen ist.
Der erste Teil stellt uns seine Person vor; der zweite den anderen Sachwalter, den der abwesende Herr vom Himmel herabsenden würde. Es ist schön, so den Platz zu sehen, den das Johannesevangelium in den Schriften Gottes hat. Es wurde sehr spät geschrieben, das letzte aller Evangelien, und es passt zu einer Zeit des Niedergangs. Von Jerusalem oder den Juden als dem unmittelbaren Gegenstand Gottes ist keine Rede, auch nicht in der Art des Zeugnisses. Sie werden als ein Volk außerhalb wahrgenommen, mit dem Gott vorläufig nichts zu tun hat. Daher spricht der Herr vom Passahfest als einem „Fest der Juden“ und so weiter. Bei Matthäus hingegen steht die Anerkennung Israels für die Wahrheit Gottes. Der Eber aus dem Wald mag verwüsten (Ps 80,4) und das Tier verschlingen, aber es ist immer noch Israels Land; und Jerusalem wird die heilige Stadt genannt, sogar in Verbindung mit dem Tod und der Auferstehung Christi.
Bei Johannes ist das alles zu Ende. Nicht nur, dass Jerusalem und die Juden jeden Anspruch auf Gott verwirkt hatten, weil sie sich von Ihm als dem Herrn und dem Gesetz und den Propheten entfernt hatten, sondern sie hatten auch Christus verworfen; ja, und als der Heilige Geist kam, verwarfen sie auch Ihn und wollten nicht mehr auf Ihn hören, so dass es kein Mittel der Zurechtbringung mehr gab. Gott hatte sich auf jede mögliche Weise offenbart. Keine Offenbarung Gottes, wo der Mensch unter dem Gesetz war, konnte etwas Gutes bewirken. Einzelne Menschen hielten sich durchweg an die Gnade Gottes, aber das Volk stand unter dem Gesetz. Das Johannesevangelium geht von diesem Punkt aus, dass alles Finsternis war, und da leuchtete das wahre Licht, obwohl die Finsternis es nicht erfasste. In Ihm war Leben. Das bleibt immer wahr, auch wenn Er hier im Gericht handeln mag.
Aber um zu diesen Versammlungen zurückzukehren: Es gab eine Abkehr von der ersten Liebe, Leiden durch heidnische Macht, Satan, der durch die Macht der Welt verführt, Isebel, die zum Götzendienst verführt, und, kurz gesagt, jede Art von böser Verbindung mit der Welt, mit Verfolgung, aber jetzt finden wir einen modernen Zustand – äußere Reinheit, aber das Herz sich selbst überlassen (siehe 2Tim 3). Sardes gibt uns dieses Bild: Einige wandelten in Reinheit, aber das Herz war dem Herrn nicht völlig untergeordnet. Doch wird Er sich damit zufriedengeben? Der Herr muss einen Zeugen für sich selbst erwecken; und der einzige Weg, durch den Er eine Person zu einem angemessenen Zeugen für sich selbst macht, besteht darin, dass Er sich den Zuneigungen vorstellt. In dem Moment, in dem wir den Herrn selbst sehen, gibt es Kraft, Ihm freudig zu dienen.