Doch schon aus dem Beginn des Buches her scheint es offensichtlich ebenso unbegründet zu sein, aus dem Besitz des Buches anzunehmen, dass wir uns in den vorhergesagten Umständen befinden müssen, wie aus der vertraulichen Ankündigung Gottes an Abraham zu schließen, dass er notwendigerweise in seiner eigenen Person an den unter Gericht stehenden Städten der Ebene beteiligt war. Das Prinzip ist falsch, übersieht die Gnade, in der der Christ steht, und ignoriert die Tatsache, dass es am letzten Tag Diener Gottes geben wird, die sich in einer anderen Lage als wir befinden und unmittelbarer in die Schrecken verwickelt sind, obwohl sie gewarnt und gerettet wurden, so wie gerade Lot rechtzeitig dem Schlimmsten entging. Wenn dennoch das Buch in den Tagen des Apostels den Heiligen Gottes, die nicht persönlich von den Gerichten betroffen waren, nützen konnte, so möge es mindestens ebenso für uns von Nutzen sein. Der Herr gebe, dass wir den Platz, an den Er uns gestellt hat, zunehmend schätzen, indem wir diese Dinge in Frieden vorher wissen.
Johannes den sieben Versammlungen, die in Asien sind: Gnade euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind (1,4).9
Schon die drei bereits betrachteten Verse geben uns einen gewissen Einblick in die Besonderheiten dieses Buches, die sich offensichtlich von den anderen Teilen des Neuen Testaments unterscheiden. Gott kehrt in hohem Maß zu den Prinzipien zurück, nach denen Er in alttestamentlichen Zeiten gehandelt hatte. Man kann sehen, dass die positive Erbauung der Versammlung nicht das Thema ist und auch nicht die Entfaltung des besonderen Handelns Gottes in Barmherzigkeit. Wir haben es hier mit seinem Gericht über das Böse zu tun, sei es in den Versammlungen oder in der Welt. In vollkommener Harmonie damit stellt sich Gott seinem Volk mit einem Stil und Namen vor, der sich von den übrigen apostolischen Anreden unterscheidet. „Gnade euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt“. Es ist im Allgemeinen das, was im Neuen Testament dem Herrn im Alten entspricht. Es gibt die Besonderheit, dass Er hier zuerst in seinem absoluten, allgegenwärtigen Sein offenbart wird, dann als der, der war, und der, der kommen wird. Das „Ich bin“ hat Vorrang, aber Er war vorher, und Er ist der Kommende. Gott offenbarte sich Israel in früher Zeit als der Unveränderliche, „derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“ (Heb 13,8). Aber jetzt spricht Er in der Sprache der Heiden und übersetzt mit diesen Worten – „der da ist und der da war und der da kommt“ – gleichsam den Namen des Herrn, der ihnen nie zuvor so mitgeteilt wurde.
Er wird zu seinem früheren Volk Israel zurückkehren; aber bevor Er das tut, muss es notwendigerweise ein umfassendes Gericht über die bekennende Masse geben, die sich selbst mit dem Namen Kirche bezeichnet. Wenn Gott also die Christenheit beiseitegesetzt hat, wird Er Israel wieder einführen – nicht mehr auf dem Boden des Gesetzes, sondern der Gnade. Das Gesetz hat den Tod am sündigen Menschen vollstreckt, aber die Gnade Gottes hat die Person des Sohnes Gottes an die Stelle gesetzt, wie es in Hebräer 2,9 geschrieben steht: „so dass er durch die Gnade Gottes für alles den Tod schmeckte.“ Aber Gott hat im Tod des Herrn Jesus auch einen stärkeren Ausdruck seines Hasses auf die Sünde gegeben als in jedem anderen Umgang. Zum Zeugnis und als Antwort auf seinen Tod fließt die Gnade nun bis zum Äußersten. An jenem Tag wird Israel dies selbst erfahren. Aber sie werden besser wissen, was der Herr beabsichtigt. Und von welch gewaltiger Bedeutung wird es sich für sie erweisen, dass sein persönlicher Name in der Regierung dieser Welt das kostbare Zeichen ist, das ihnen landesweit als Name der Beziehung gegeben wird, in dem sie Ihn als ihren Gott offenbart kennen! Dieses Buch ist also der Übergang von einer moralisch verurteilten Christenheit zu „jenem Tag“.
Auch die Art und Weise, wie der Heilige Geist hier eingeführt wird, ist so auffallend charakteristisch für das Buch, wie das, was wir gerade dargelegt haben. Und so ist auch die Art, in der der Herr Jesus selbst danach angesprochen wird: „Gnade sei mit euch und Friede ... von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind“. Natürlich wird derselbe Heilige Geist, der im Brief des Paulus an die Epheser als „der eine Geist“ bezeichnet wird, hier als „die sieben Geister, die vor seinem Thron sind“ genannt. Von Ihm wird als dem „einen Geist“ gesprochen, wenn es um den einen Leib, die Versammlung, geht, wie in Epheser 4,4. Aber hier sind es die „sieben Geister“. Denn wenn Gott sein gegenwärtiges Werk in der Versammlung vollendet haben wird, wird Er unfehlbar die Ungläubigen (Juden oder Heiden) vernichten und wird nicht mehr Juden und Heiden zu einem Leib auf der Erde versammeln.
Im Gegenteil, im Tausendjährigen Reich wird Israel auf der Erde über
die Heiden gestellt werden (vgl.
9 Mit Asien ist nicht Kleinasien gemeint, sondern der Teil seiner Westküste, der die römische Prokonsularprovinz bildete. Das Königreich Pergamus erhielt diesen Titel, ebenso wie ein Teil des karthagischen Gebietes als Provinz Libyen oder Afrika bezeichnet wurde. Einige erklären das Fehlen von Anspielungen auf Kolossä und Hierapolis mit dem Umstand, dass sie bald nach dem Brief des Paulus an Erstere durch ein Erdbeben zerstört wurden. Wenn Eusebius und Tacitus sich auf dieselbe Tatsache beziehen (denn ihre Daten weichen voneinander ab), scheint es, dass Laodizea, obwohl von der Katastrophe betroffen, vor der Herrschaft Domitians wieder aufgebaut wurde. Aber wenn man das frühere Datum des römischen Geschichtsschreibers (61 n. Chr.) annimmt, wie kann das mit dem üblichen Bezug des Kolosserbriefs auf 64 n. Chr. zusammenpassen? Darf ich auch mein Erstaunen darüber zum Ausdruck bringen, dass die seltsame Vorstellung Theodorets, dass der Apostel Paulus die Versammlungen von Kolossä, Laodizea und Hierapolis gegründet hat, von irgendeinem unbefangenen Menschen vertreten werden soll? Ich bin mir der aufwändigen Bemühungen von Lardner bewusst. Doch Kolosser 2 schließt, wenn es richtig verstanden wird, die Kolosser und Laodizeer unter denen mit ein, die den Apostel nicht persönlich gesehen hatten.↩︎