Behandelter Abschnitt Jud 14-15
Es hat aber auch Henoch, der Siebte von Adam, von diesen geweissagt und gesagt: „Siehe, der Herr ist gekommen inmitten seiner heiligen Tausende, um Gericht auszuführen gegen alle und zu überführen alle Gottlosen von allen ihren Werken der Gottlosigkeit, die sie gottlos verübt haben, und von all den harten Worten, die gottlose Sünder gegen ihn geredet haben“ (V. 14.15).
Dies ist eine bemerkenswerte Äußerung, die wir nur mit der Kraft des Heiligen Geistes erklären können.
Es gibt ein überliefertes Buch Henoch in der äthiopischen Sprache, das in einer griechischen Form bekannt gewesen zu sein scheint, die heute längst verlorengegangen ist. Das griechische Buch ist nicht erhalten, aber gelehrte Männer haben mit allem möglichen Eifer versucht, herauszufinden, dass Judas aus diesem nicht inspirierten Buch zitiert; denn das Buch ist offensichtlich eines der jüdischen Tradition, und aus internen Beweisen scheint es, dass es nach der Zerstörung Jerusalems geschrieben wurde. Aber es gibt noch eine andere Sache, die, denke ich, jedem klar wird, der es nicht nur mit Gelehrsamkeit, sondern mit geistlichem Verständnis liest, nämlich, dass es sich gerade in diesem Vers, von dem einige annehmen, dass er daraus zitiert wird, wesentlich von dem unterscheidet, was Judas uns hier durch den Geist Gottes gegeben hat.
Wie aber war Judas in der Lage, die Worte Henochs zu zitieren, der vor der Sintflut in den Himmel aufgenommen wurde? Nichts kann deutlicher sein, als dass er sie als Henochs Worte wiedergibt! Er sagt: „Es hat auch Henoch geweissagt“. Nun, ich denke, dass es für uns, die wir die Kraft des Geistes Gottes kennen, dabei keine wirkliche Schwierigkeit gibt. Es ist für Ihn dasselbe, aufzuzeichnen, was vor dreitausend Jahren geschah, wie es wäre, aufzuzeichnen, was zur Zeit der Apostel geschah. Es mag für die, die an dieser Macht zweifeln, etwas schwieriger sein, wenn sie es tun; aber wir sind die letzten, die das tun sollten.
Tatsache ist, dass keine Überlieferung irgendeinen Wert hat, die über den Menschen hinausgeht, aber eine Prophezeiung kommt notwendigerweise, wenn sie wahr ist, von Gott. Wir haben keine Andeutung, dass sie in irgendeiner schriftlichen Form übermittelt wurde, und es war durchaus möglich, dass der Heilige Geist sie Judas erneut gegeben hat. Ich wage gar nicht zu behaupten, dass es so war; wir wissen es wirklich nicht, aber wir wissen, wie auch immer Judas es bekommen hat, dass es von Gott war. Wir wissen, dass dieser Ausspruch mit absoluter Gewissheit wiedergegeben ist und dass er Gottes Autorität besitzt.
Es gibt eine Besonderheit, wenn es heißt: „Henoch, der Siebte von Adam“. Die Menschen haben etwas daraus gemacht, weil sie es nicht verstehen. Aber es ist sehr einfach. Es gab mehr als einen Henoch.
Es gab einen Henoch vor diesem – einen Henoch, den Sohn von Kain. Ich sehe keinen Grund, darin etwas Besonderes und Geheimnisvolles zu sehen. Auf jeden Fall, wenn es so etwas gibt, gebe ich zu, dass ich nicht weiß, was es ist. Aber ich weiß, dass es einen klaren und ausreichenden Sinn gibt, um diesen Henoch zu unterscheiden und zu erklären, wie er prophezeien konnte. Wir sollten keine Prophezeiung bei einem Sohn Kains erwarten. Aber dass Henoch auf höchst bemerkenswerte Weise in den Himmel aufgenommen wurde – in mancher Hinsicht mehr als jeder andere Mensch; mehr als Elia, obwohl das ein Wunder von ähnlicher Bedeutung und ähnlichem Charakter war –, dass Henoch der Kanal der Prophetie sein würde, können wir durchaus verstehen, denn er wandelte mit Gott und er war nicht mehr. Es war nicht so, dass er starb, sondern „er war nicht mehr“, weil Gott ihn zu sich hinaufnahm; doch bevor er die Welt verließ, prophezeite er. Wir können kaum bezweifeln, dass er über die Menschen seiner Zeit geweissagt hat.
Prophetie geht immer von dem aus, was tatsächlich gegenwärtig ist, und hat einen Halt im Gewissen der damals Lebenden. Das Ziel war es, vor den schrecklichen Folgen des Bösen zu warnen, das verübt wurde, und wie das Böse, das damals in Erscheinung trat, mit Sicherheit zu gegebener Zeit von Gott gerichtet werden würde. Aber der Geist Gottes geht auch von Anfang an auf das Ende zu. Das ist der gemeinsame Charakter aller Prophezeiungen. Jedenfalls finden wir es bei allen Propheten. Ich sage natürlich nicht, dass es immer der Fall war, wenn die Vorhersage sich auf etwas rein Gegenwärtiges bezog, aber es war so in den Fällen jener moralischen Bilder, die nicht an eine bestimmte Zeit oder Person gebunden sind. Wir können durchaus verstehen, dass diese zum Träger für den Geist Gottes gemacht wurden, um auf die Zeit des Gerichts zu blicken, wenn es nicht um ein Handeln des Herrn in seiner Vorsehung ging, wie zum Beispiel die Sintflut, sondern – viel mehr als jedes Handeln nach dieser bildlichen Art – sein wirkliches persönliches Kommen im Gericht.
Nun, in dem äthiopischen Buch, das ich gesehen habe, und von dem ich den Text und die englische Übersetzung des verstorbenen Erzbischofs Laurence habe, sowie eine französische Version des Werkes von einem sehr gelehrten Katholiken (vielleicht ein ausgezeichneterer Gelehrter als der von mir genannte Erzbischof, auf jeden Fall jemand, der mit den orientalischen Sprachen vertrauter ist) – beide stimmen darin überein, was völlig anders ist als das, was wir hier haben; und noch bemerkenswerter ist, dass sie darin übereinstimmen, einen Irrtum zu behaupten, der jetzt in der Christenheit fast allgemein geglaubt wird.
Wir wissen, dass die allgemeine Ansicht aller Christen, die ihre Gedanken aus Traditionen, Glaubensbekenntnissen oder Glaubensartikeln ableiten, die ist, dass alle auf dieselbe Weise gerichtet werden; und diese Ansicht entspricht ganz den natürlichen Gedanken, besonders des natürlichen Menschen. Es scheint ihnen eine sehr anstößige Sache zu sein, dass die, die wirklich Sünder sind wie sie selbst, aber Gläubige im Gegensatz zu ihnen, nicht gerichtet werden sollen. Es scheint ihnen, da sie sehr wenig vom Glauben halten, eine sehr harte und ungerechte Sache zu sein, dass Gläubige vom Gericht ausgenommen werden sollten, dem andere schnell entgegeneilen.
Aber warum? Unser Herr drückt es in Johannes 5 auf die klarste Weise aus. Er beschreibt sich dort in zwei verschiedenen Weisen – die eine als der Sohn Gottes, die andere als Sohn des Menschen. Als Sohn Gottes gibt Er Leben. Und wer sind die, die das Leben bekommen? Sagt Er uns nicht, dass der, der an Ihn glaubt, das ewige Leben hat? Es ist eine dieser bemerkenswerten, kurzen und prägnanten Aussagen des Johannesevangeliums. In der einen oder anderen Form zieht sie sich das durch das ganze Evangelium, ich würde fast sagen, vom ersten Kapitel an, obwohl wir vielleicht nicht die ausdrücklichen Worte haben, aber den gleichen grundlegenden, wesentlichen Sinn. Und das zieht sich durch das ganze Evangelium, sicherlich bis Kapitel 20, wenn nicht sogar bis Kapitel 21.
Und dieselbe große Wahrheit taucht in seinem ersten Brief wieder auf: Das Leben gehört dem, der an den Herrn Jesus glaubt. So sicher, wie wir den Tod auf natürliche Weise von Adam geerbt haben, so gibt es jetzt einen anderen Menschen, der zugleich Gott ist, und da Er sowohl Gott als auch Mensch ist, hat Er das Gericht über unsere Sünden für uns völlig ausgelöscht, indem Er es selbst getragen hat. Aber das ist noch nicht alles. Er gibt uns dieses neue Leben, das Er selbst ist, damit wir jetzt in der Lage sind, Frucht für Gott zu bringen. Es muss ein gutes Leben geben, um gute Frucht zu bringen. Und es gibt kein gutes Leben, um Früchte zu bringen, die Gott für gut erachtet, außer dem Leben Christi, und alle, die gläubig sind, haben dieses Leben empfangen, jeder alttestamentliche Gläubige so wirklich wie ein neutestamentlicher Gläubiger. Sie hatten Glauben, sie hatten Leben, sie legten Zeugnis ab für Gott. Ihre Wege waren heilig, was sie nicht hätten sein können, wenn sie nicht ein Leben gehabt hätten, das diese Heiligkeit hervorbringt; und so ist es auch jetzt.
Nun, dementsprechend empfangen die, die an Ihn, den Sohn Gottes, glauben, das Leben. Wenn ich seine göttliche Herrlichkeit ablehne, das heißt, dass Er der Sohn Gottes in diesem hohen und vollen Sinn ist, dann habe ich kein Leben; denn Er gibt es nur denen, die glauben. Aber entkommen deshalb die, die im Unglauben bleiben? Nein, Er ist der Sohn des Menschen; und gerade daran ist ihr Unglaube gescheitert. Sie konnten sehen, dass Er ein Mensch war, und da sie keinen Glauben hatten, um etwas Tieferes zu sehen, betrachteten sie Ihn nur als einen Sohn des Menschen. In genau diesem Charakter wird der Herr sie richten. Er wird sie als der Mensch richten, den sie verachteten. Sie werden Ihn als Menschen der ewigen Herrlichkeit sehen. Nicht einfach eine göttliche Person, sondern ein Mensch; und genau in dieser Eigenschaft – als Sohn des Menschen – wird Er sie richten.
Nun, es gäbe keinen Sinn und keinen Grund, den Gläubigen zu richten, wenn unser Herr nicht gesagt hätte, dass der Gläubige nicht ins Gericht kommen wird. Denn, warum sollte er ins Gericht kommen? Wenn jemand ins Gericht kommt, ist das eine Realität. Es muss so sein, wenn Gott sogar mit Gläubigen ins Gericht geht. Haben solche sich nie Sünden zuschulden kommen lassen? Und wenn diese Sünden ins Gericht kommen, können sie der Strafe nicht entgehen; und wenn sie gerichtet werden, sind sie verloren. Wenn aber Christus ihre Sünden getragen hat, wo wäre dann die Verwerflichkeit oder Weisheit, sie vor Gericht zu stellen, nachdem sie freigesprochen und gerechtfertigt sind? Und wir sind jetzt durch den Glauben gerechtfertigt. Das trifft auf alle Gläubigen zu. Das gibt es für jeden Christen. Es ist keine Frage von besonderen Ansichten. Ich hasse eigenartige Ansichten. Eigenartige Ansichten sind die Irrtümer der Menschen. Es wäre eine höchst beschämende Sache, Gottes Wahrheit zu den „besonderen Ansichten“ zu zählen. Das einzige, worum sich ein Christ kümmern sollte, ist Gottes Wahrheit. Es ist nur die Sprache eines Feindes, das zu „eigentümlichen Ansichten“ zu zählen. Wenn es solche gibt, die versuchen, sie anzuschwärzen und sie als „eigenartige Ansichten“ zu bezeichnen, dann wird ihr Blut auf ihrem eigenen Kopf sein. Die Sprache ist die Sprache eines Gegners. Wir haben nichts damit zu tun, neuen Ansichten oder Innovationen jeglicher Art hinterherzulaufen, und Gott bewahre uns davor, dass wir uns um eine einzige Sache kümmern, die eine Neuerung ist. Eine Neuerung nenne ich alles, was ein Abweichen vom Wort Gottes ist.
Es ist nicht das Altertum von sechzehn oder siebzehn Jahrhunderten, sondern wir gehen zum Anfang zurück, zu den Aposteln und zum Herrn selbst. Dort ist die Quelle, aus der wir schöpfen und für uns selbst sofort wissen können, genauso wahrhaftig, als wenn wir die Apostel hier vor uns hätten. Die Apostel waren sicherlich nicht inspirierter, wenn sie sprachen und predigten, als wenn sie schrieben; aber das, was sie schrieben, war geeignet, den Strom der Zeitalter göttlicher Wahrheit mit der größtmöglichen Sicherheit zu bewahren. Es ist ein großer Vorteil, wenn man das Geschriebene hat. Man kann es immer und immer wieder lesen. Sogar wenn jemand einem Apostel oder dem Herrn zugehört hat, könnte man es vergessen. Du könntest von seinen Worten etwas abweichen und etwas Eigenes einfügen. Es gibt nichts Häufigeres als das, sogar bei sehr akkuraten Menschen; sie behalten nicht absolut jedes Wort. Es ist eine zu ernste Sache, das Wort Gottes nicht zu haben, und es ist von äußerster Wichtigkeit, dass wir es in geschriebener Form haben. Was wir wollen, ist die Wahrheit aus erster Hand – von den Menschen, die dazu inspiriert waren, sie weiterzugeben – und das ist genau das, was wir haben. Und der einfachste Mensch ist dafür verantwortlich, sie zu bedenken und zu bewahren.
Jemand mag sagen, er sei darin schwach. Nun, wir sind alle zu sehr geneigt, zu viel von uns selbst zu halten. Vor allem, wenn die Menschen ein wenig Fähigkeit haben, sind sie geneigt, zu überschätzen, was sie haben. Es gibt nichts Gewöhnlicheres als das und nichts Gefährlicheres. Wenn hingegen ein Mensch wirklich schwach ist und nicht viel von sich selbst hält, so ist er viel eher bereit, zu lernen; es sei denn, er ist ein eigensinniger Mensch, der, obwohl er nur wenig weiß, viel von sich hält. Es gibt nichts Gefährlicheres als das, besonders wenn er sich über das Wort Gottes stellt. Wenn ein Mensch zu Gott gebracht wird, ist er in seinen eigenen Augen nichts mehr wert. Würden wir doch immer dort bleiben, bei dem Empfinden der eigenen Nichtigkeit! Möge es sich nicht verflüchtigen, wenn wir zur Ruhe kommen!
Es besteht immer die Gefahr, dass ein Mensch vergisst, dass es eine Zeit gab, in der er nichts, was er dachte, sagte oder fühlte, für wert hielt, darüber nachzudenken. Wir sollten diese Demut immer bewahren. Die beste und wahrhaftigste Form echter Demut ist das Empfinden für die Gegenwart Gottes und für den unendlichen Wert des Wortes Gottes. Nichts ist so demütig, wie sich vor Gottes Autorität zu beugen, nichts ist so demütig, wie Gehorsam – Gott zu gehorchen. Und gleichzeitig gibt nichts größere Freimütigkeit, nichts größeres Vertrauen, nichts größere Festigkeit; und diese Demut ist genau das, was wir wollen – nichts in unseren eigenen Augen zu sein und völliges Vertrauen auf Gottes Wort zu haben. Und der Glaube kann dies in jedem Gläubigen hervorbringen.
Der Herr legt also nicht nur fest, dass der Gläubige „nicht ins Gericht kommt“, sondern er erklärt auch, wie das Ende sein wird. Nicht, dass es nur eine Auferstehung geben wird. Wenn es nur eine Auferstehung gäbe, wäre es kein Wunder, wenn es auch nur ein Gericht gäbe; aber um die Tatsache zu bestätigen, dass der Gläubige nicht ins Gericht kommt – in keine Gerichtssitzung über ihn, um sein Los für die Ewigkeit zu entscheiden – gibt es zwei Auferstehungen, von denen in demselben Abschnitt in Johannes 5 gesprochen wird; und ich würde dieses Kapitel jedem empfehlen, der es nicht gründlich überdacht hat. Dort wird gezeigt, dass es eine „Auferstehung des Lebens“ für die geben wird, die bereits Leben für haben; und es wird eine „Auferstehung des Gerichts“ für die geben, die kein Leben, sondern ihre Sünden haben, und nicht nur Sünden, sondern Unglauben und die Ablehnung dieses Lebens.
Solche haben den Sohn Gottes verworfen! Für sie gibt es das Gericht, und für sie gibt es eine besondere Auferstehung am Ende der Zeit. Für die, die jetzt das Leben im Sohn haben, gibt es „die erste Auferstehung“, eine Auferstehung des Leben (Joh 5,29). Auch andere Gläubige werden daran teilhaben, denn wenn auch nicht im gleichen Moment, so wird ihre Auferstehung doch diesen Charakter haben. Alle, die Christus angehören, die in ihren Gräbern sind, werden, wenn der Herr kommt, gemeinsam auferstehen, und die Lebenden, die zu dieser Zeit auf der Erde sind, werden verwandelt werden, während andere, die danach sterben, folgen werden, wie wir aus dem Buch der Offenbarung lernen, was mein Grund für die diese Aussage ist. Sie alle haben eine Auferstehung des Lebens, außer denen, die nicht sterben und ohne Auferstehung verwandelt werden; aber ihre Verwandlung wird der Auferstehung gleichkommen, so dass das alles in gewisser Weise eine Auferstehung des Lebens genannt werden kann.
Aber es gibt auch eine „Auferstehung des Gerichts“ (Joh 5,29) für alle, die Christus verachten, für alle, die gegen Gott sündigen, für alle, die den Heiland abgelehnt haben, vom Anfang der Welt bis zu dieser Zeit; und die Auferstehung des Gerichts ist am Ende aller Zeiten. Nicht so die Auferstehung des Lebens, und der Grund, warum sie es nicht ist, ist dieser: Die, die in der Auferstehung des Lebens auferstehen, werden mit Christus herrschen, vor der Auflösung aller Dinge. Diese Auflösung wird sein, nachdem alle Zeitalter erfüllt sind, so dass der letzte Sünder in diese schreckliche Auferstehung – „die Auferstehung des Gerichts“ – eingeschlossen werden kann. Wir brauchen es nicht „Auferstehung der Verdammnis“ zu nennen, denn das verwendete Wort ist davon verschieden. In der Tat wird das der Fall sein, aber es ist nicht die Kraft des Wortes. Es ist immer besser, sich an das genaue Wort Gottes zu halten, auch wenn wir es nicht verstehen. Wir schulden ihm Ehre und Ehrfurcht, ob wir es verstehen oder nicht. Sein Wort muss richtig sein, es muss weise und das Beste sein, das einzige, was wirklich gut und absolut zuverlässig ist.
Dies mag als lange Vorrede erscheinen, aber es ist vielleicht notwendig, um die Kraft dessen deutlich zu machen, was ich hier darlegen werde.
In diesem unechten Buch Henoch, von dem die Gelehrten behaupten, dass Judas es zitiert hat, heißt es: „Siehe, der Herr ist gekommen inmitten seiner heiligen Tausende, um Gericht auszuführen gegen alle und zu überführen alle Gottlose“ (V. 14.15). Was die Gelehrten behaupten ist eine falsche Lehre. Darin sehen wir den Irrtum, der den Teufel im Fälscher verrät, denn aufgrund dieses Verses zweifle ich nicht im Geringsten daran, dass dieses Dokument gefälscht wurde. Es weist alle Merkmale auf, die zeigen, dass es nach der Zerstörung Jerusalems von einem Juden geschrieben wurde, der sich immer noch mit der Hoffnung tröstete, dass Gott den Juden beistehen würde.
Und das wird er am Ende auch, aber auf eine ganz andere Weise, als der Schreiber es angenommen hat. Denn es gibt keine wirkliche Anerkennung Christi. Er wird einfach als der Messias aus jüdischer Sicht anerkannt, aber es wird niemals eine Erlösung für den Juden geben, wenn er nach dem Messias nach seiner Vorstellung sucht. Es ist der Messias Gottes, der Gesalbte des Herrn, der wahre Messias, der gekommen ist, und sie haben Ihn verworfen. Aber wenn Er kommt, um sie nach und nach zu erlösen, werden sie sagen: „Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn“ (Mt 21,9). Sie werden dann all ihren Unglauben aufgeben und Ihn willkommen heißen. Er wird dann kommen und sie erlösen und aus aller Not erretten, in der sie sich dann befinden.
Aber Er wird sein eigenes Volk niemals richten. Er wurde für sie gerichtet und trug ihr Gericht am Kreuz. Es gibt auch kein einziges Wort in der Bibel – weder im Alten noch im Neuen Testament –, das auch nur im Entferntesten andeutet, dass der Herr sein eigenes Volk richten wird. Dass Er sein Volk richten wird, ist im Alten Testament eine selbstverständlich. Aber das wird ein Gericht aller ihrer Sünden sein, wenn Er als König kommt und sie sich im Chaos befinden. Er wird sie auch vor ihren Feinden rechtfertigen. In diesem Sinn wird Er sein Volk richten.
Außerdem übt Gott jetzt ein moralisches Gericht über seine Kinder aus: „Und wenn ihr den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person richtet nach eines jeden Werk, so wandelt die Zeit eurer Fremdlingschaft in Furcht“ (1Pet 1,17). Das geschieht beständig. Auf diese Weise handelte der Herr mit den Korinthern. Als sie in einem so schlechten Zustand waren und den Tisch des Herrn entweihten, indem sie dreist kamen und das Brot und den Wein nahmen, als wären sie in einem guten Zustand, legte der Herr seine Hand auf sie. Einige wurden krank, einige entschliefen, indem sie durch den Tod weggenommen wurden. Dies alles war ein zeitliches Gericht. Es ist das, was der Herr jetzt tut, und dieses Gericht ist zu unserem Wohl und Gewinn.
Wir sehen dasselbe in einer Familie. Es ist das Gericht, das ein Vater in seiner Familie ausübt, oder jede Person, die mit der Sorge für Jugendliche beauftragt ist, die ihm unterstellt sind – junge Menschen beiderlei Geschlechts. Es gibt ein Gericht zu ihrem Besten. Das ist eine völlig andere Sache als das, was in Johannes 5 als ins Gericht kommen bezeichnet wird. Es wird sogar eine anderes Form des Wortes verwendet. Aus Psalm 143 geht hervor, dass die alttestamentlichen Gläubigen es besser wussten als das. Jedenfalls gab der Geist Gottes ihnen ein besseres Wissen, denn dort heißt es: „Und geh nicht ins Gericht mit deinem Knecht! Denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht“ (V. 2). Wenn Gott mit dem Gläubigen ins Gericht ginge, wäre es vorbei mit ihm, denn auch der Gläubige selbst müsste sagen: Ich verdiene es nicht, gerettet zu werden. Und wenn Gott sich all die Fehler im Leben eines Gläubigen ansehen würde, könnte Er sagen: Wenn das alles ist, was ich mir ansehen muss, habe ich keinen Grund, dich zu retten, du verdienst es nicht. Aber der Grund für die Errettung eines Gläubigen ist nicht, dass er sie verdient, sondern dass Christus sie für uns verdient hat.
Christus hat das ganze Wesen Gottes vollständig erfüllt, und darüber hinaus hat Er alle unsere Sünden und Missetaten in seinem eigenen Leib auf dem Holz getragen. Gott wird sie nicht noch einmal richten, als ob sie nicht ausreichend gesühnt worden wären und das Gericht am Kreuz nicht ausreichen würde. Das wird Gott niemals über das sagen, was Christus ertragen hat, und genau das ist es, woran der Glaube festhält. Deshalb ist die einheitliche Lehre der Bibel – sowohl des Alten als auch des Neuen Testaments – die, dass die Gläubigen nicht in das zukünftige Gericht kommen, das der Herr am Ende aller Dinge vollstrecken wird; sondern weil wir jetzt das Leben haben und Kinder Gottes Kinder, wacht Er über uns und sorgt für uns und führt ein moralisches Gericht durch; und außerdem führt der Herr Jesus jetzt ein Gericht über die Versammlung durch.
Wir finden, dass der Vater nicht nur seine Kinder einzeln richtet, sondern dass der Herr Jesus sich der Dinge, die seinen Namen betreffen, unter denen, die versammelt sind, annimmt. Er ist das Haupt der Versammlung und Er hat ein wachsames Auge darauf, dass die Dinge, die in seinem heiligen Namen geschehen, echt sind, und nicht heuchlerisch und sein Name nicht entweiht wird. Wenn unsere Wege nicht echt sind und wir uns schlecht verhalten, handelt Er mit uns auf dem Weg der Zucht, und zwar, „damit wir nicht mit der Welt verurteilt werden“ (1Kor 11,32). Da hast du den Grund. Wenn Er das nicht täte, könnte man die Frage aufwerfen, ob sie verlorengehen könnten.
Nun denn, der Autor dieses gefälschten Buches Henoch verstand kein Wort von alledem. Er war kein Gläubiger. Er war ein böser Mensch; er hätte niemals gefälscht, wenn er nicht böse gewesen wäre. Er war ein Fälscher der schlimmsten Art. Keine Fälschung ist so schlimm wie die, die vorgibt, uns das Wort Gottes zu geben. Es ist sehr schlimm, in irgendetwas zu betrügen, aber wenn Betrug in den Dingen Gottes geschieht, gibt es keinen Betrug, der in seinen Folgen schlimmer ist, es gibt keinen, der Gott deutlicher entehrt. Und das ist hier der Fall. „Siehe, der Herr ist gekommen inmitten seiner heiligen Tausende, um“ ‒ wie heißt es in der Schrift? – „Gericht auszuführen gegen alle.“ Das sind nicht die Gläubigen. Die „alle“ sind völlig verschieden von den Gläubigen. Sie wurden entrückt und kommen dann mit Ihm, der das Gericht an allen Sündern vollstreckt, die an diesem Tag auf der Erde sind: „um Gericht auszuführen gegen alle und zu überführen [um ganz klar zu machen, wer gemeint ist – alle] alle Gottlosen.“ Da steht es, um jedes Argument zu zerstören, denn es gibt Menschen, die nicht an der Wahrheit festhalten, sondern immer bereit sind, zu argumentieren! Hier sehen wir, dass es darum geht, „um Gericht auszuführen gegen alle und zu überführen alle Gottlosen [diese alle] von allen ihren Werken der Gottlosigkeit, die sie gottlos verübt haben“ (V. 15). Und nicht nur gottlose Taten; es gibt noch etwas, auf das der Geist Gottes großen Wert legt: „und von all den harten Worten, die gottlose Sünder gegen ihn geredet haben“. Das sind Worte, die Gottes Gedanken widerlegen, Worte, die das sagen, was in Bezug auf Gott falsch ist. Hiobs Freunde taten das. Hiob selbst demütigte sich vor Gott. Er hatte nicht viele Worte, er gestand seine Torheit ein, er sagte das, was richtig war. Aber seine Freunde sagten das nicht, was vom Herrn richtig war. Ich glaube nicht, dass der Herr alledem, was Hiob sagte, auf die gleiche Weise den Stempel seiner Zustimmung aufdrückte. Er sprach oft hochmütig und unglücklich über Gott und ärgerte sich über sich selbst, aber der Herr geht nicht darauf ein. Hiob brach zusammen und gestand seine Nichtigkeit. Seine Freunde brachen nicht zusammen. Hiob tat es, und infolgedessen wurde Hiob wiederhergestellt und musste für seine Freunde beten, die noch nicht wiederhergestellt waren.
Aber hier wird deutlich, dass gottlose Worte auf ihre Weise genauso schlimm sind wie gottlose Taten. Manchmal richtet ein ungöttliches Wort mehr Schaden an als eine ungöttliche Tat. Zum Beispiel kann eine gottlose Tat eine Handlung der Ungerechtigkeit in einem Menschen sein, aber ein gottloses Wort kann eine Verunglimpfung Christi sein. Das ist schlimmer, vor allem, wenn die Menschen es aufnehmen. Die Menschen sind durchaus bereit, gegen eine gottlose Tat zu protestieren. Auch weltliche Menschen können sehr wohl über gottlose Taten urteilen, und dieselben Menschen würden durch harte und gottlose Worte gegen den Herrn und seine Gnade und Wahrheit verführt werden.
In diesem Buch Henoch, auf das ich mich bezogen habe, steht kein Wort über die harten Worte. Das zeigt, dass der Autor einfach ein natürlicher Mensch war, der diesen Ausdruck zweifellos vor Augen hatte, aber ihn nicht verstanden hat. Er verstand offensichtlich weder etwas über den Heiligen noch über den Sünder. Er verstand nichts von den Heiligen, denn er machte sie ebenso zum Gegenstand des Gerichts wie die Gottlosen. Es ist genau wie bei den heutigen Theologen. Sie glauben nicht, was ich jetzt sage. Aber es gibt ein Wort, das ich beim Verlassen dieses Themas hinzufügen möchte. „Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden“ (2Kor 5,10).
Alles, ob gut oder schlecht, wird ans Licht kommen, sowohl für den Gläubigen als auch für den Ungläubigen. Aber das ist eine ganz andere Sache als das Gericht. Das wird nicht Gericht genannt, sondern „offenbar werden“, was nicht dasselbe ist wie Gericht. Die Offenbarung aller unserer Wege wird eine sehr gute Sache für uns sein. Wie sehr neigen wir dazu, uns selbst zu überschätzen! Es mag etwas geben, worüber wir uns vielleicht zu Lebzeiten geschmeichelt haben, und wir haben nie gesehen, wie töricht wir waren, bis wir von den Toten auferstanden sind und vor dem Richterstuhl Christi stehen. Dort wird alles offenbart werden. Wo wir dachten, dass wir weise waren, dann werden wir sehen, dass wir sehr töricht waren. Und so werden wir in allem, wo wir uns vielleicht einen kleinen Spielraum erlaubt haben und versucht haben, uns zu entschuldigen, gezwungen sein, es als völlig falsch zu bekennen. Das ist zu unserem Besten. Es ist ein Segen, es in diesem Leben zu tun, aber es wird dort der vollste und reichste Segen sein. Dann wird alles zum Vorschein kommen. Dann werden wir erkennen, wie auch wir erkannt worden sind. Wir werden in unserem ganzen Leben keinen einzigen Gedanken haben, der anders ist als der Gedanke Gottes. Aber das ist nicht das Gericht. Das Gericht ist da, wo ein Mensch vor Gericht steht und von seiner Schuld überführt werden soll. Das wird bei jedem der Fall sein, der nicht durch den Herrn Jesus Christus und sein unvergleichliches Werk am Kreuz gerecht gemacht geworden ist.
Es gibt aber noch einen zweiten Punkt, bei dem dieser Fälscher den ihm vorliegenden Text nicht richtig abschreiben konnte. Er spricht nur von gottlosen Werken. Harte, ungöttlich gesprochene Worte schienen ihm nicht sehr wichtig zu sein, also ließ er die gottlosen Worte weg. Der erste Teil schien ihm das einzig Richtige zu sein. Folglich verstümmelte er die Schrift. Er konnte sie nicht einmal richtig abschreiben, und so hat er uns eine falsche Version gegeben.
Mit anderen Worten: Judas hat seine Prophezeiung über Henoch nicht aus einer bloßen Überlieferung oder überhaupt aus diesem Buch. Er hat sie von Gott. Wie es war, kann ich nicht sagen, doch es war so.