Behandelter Abschnitt Jos 5,1-9
Der Durchzug durch den Jordan war ein wunderbares und bedeutendes Ereignis; aber es war nicht alles. Es sank tief in das Gewissen der Kanaaniter auf allen Seiten; aber es gab mehr, was nötig war, und mehr, was Gott in Israel wirkte. Es stellte sofort eine bemerkenswerte Tatsache in den Vordergrund, dass nämlich diejenigen, die in der Wüste geboren worden waren, alle nicht beschnitten worden waren. Der Geist Gottes benutzt diese Gelegenheit, um die Aufmerksamkeit auf eine Notwendigkeit zu lenken, die nicht länger übersehen werden konnte. Hier geht es nicht um irgendeine Einbildung des Menschen. Wir haben die schlichte Tatsache vor uns; wir haben den Geist Gottes, der mit großer Genauigkeit dabei verweilt; aber wir haben noch mehr. Das Licht der Inspiration im Gebrauch der Einrichtung im Neuen Testament muss berücksichtigt werden. Wir haben also göttliche Gewissheit über ihre beabsichtigte Bedeutung und ihre Wichtigkeit. Die Kinder Israels, die die Wüste durchzogen hatten, waren zweifellos Gegenstände der zärtlichen Barmherzigkeit Gottes gewesen. Aber es gab noch eine ganz andere Maßnahme, die notwendig wurde, als sie in das Land Emmanuels gebracht wurden und als seine gute Hand sie in das Land führte, in dem Er bei ihnen wohnen wollte. Wenn Er sich herabließ, in ihrer Mitte zu wohnen, mussten sie zumindest gelehrt werden, zu empfinden, was dem Ort seiner Wohnung entsprach.
An diesem Punkt wird dann die Beschneidung zwingend nötig. Aus der lehrhaften Anspielung des Heiligen Geistes darauf können wir leicht erkennen, welche geistliche Wahrheit hinter dieser Form steckt. In den apostolischen Schriften gibt es mehr als eine Stelle, die sich darauf bezieht. Ich will zwei der auffälligeren Stellen anführen, wo eine ausdrückliche Erwähnung eingeleitet wird und es uns nicht nur deshalb offensteht, die beabsichtigte Vorstellung zu erfassen; denn in diesem Fall wird der Begriff sogar so verwendet, dass er eine Frage ausschließt, was bei den Vorbildern der Schrift keineswegs immer der Fall ist.
Im Philipperbrief sagt der Apostel: „Denn wir sind die Beschneidung, die wir durch den Geist Gott dienen und uns Christi Jesu rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen (Kap. 3,3). Es ist klar, dass er damit Christen meint; aber gleichzeitig denkt er an solche, die sich bewusst sind, oder zumindest gelehrt wurden, was Christentum bedeutet. Ich will damit nicht sagen, dass andere nicht so bevorrechtigt sind; aber es ist keine ungewöhnliche Sache, einen Christen zu finden, der unter oder sogar gegen seine Prinzipien wandelt; natürlich nicht unaufrichtig, aber manchmal durch Unwissenheit, manchmal durch den Willen, hier und da unüberlegt auf Wegen geht, die seine eigentliche Berufung ignorieren. Nun ist es klar, dass der Geist Gottes dies nicht in Betracht zieht, sondern die Christen immer nach dem Willen Gottes und der Herrlichkeit Christi, unseres Herrn, anspricht. Es konnte nicht anders sein. Wenn das Wort mit Gelassenheit von Kindern Gottes spräche, während sie außerhalb seines Willens wandeln, brauche ich nicht zu sagen, was für eine Entschuldigung für Unglaubwürdigkeit es geben würde, wenn nicht sogar eine offensichtliche Billigung. Die Menschen sind bereit genug, sich selbst einen Freibrief zu geben, wenn sie sich in einem schlechten Zustand vor dem Herrn befinden, indem sie aus den Ausrutschern guter Menschen, die in schlechte Wege gefallen sind, eine scheinbare Erlaubnis für ihre Erbärmlichkeit ableiten. Und doch kann nichts in der Schrift deutlicher sein als die eifersüchtige Sorgfalt, mit der Gott jeden solchen Missbrauch seines Wortes unentschuldbar macht. Ich bin also der Meinung, dass die Schrift die Kinder Gottes in der Regel weise und heilig anredet, so wie es seinen Gedanken und Absichten mit ihnen entspricht. Das allein kann seiner Herrlichkeit entsprechen; das allein ist heilsam für uns. Daher wird das Herz des Apostels sehr geprüft durch einige, die, obwohl sie den vortrefflichen Namen des Herrn trugen, nach irdischen Dingen trachteten, wie er hier sagt: „Denn viele wandeln, von denen ich euch oft gesagt habe, nun aber auch mit Weinen sage, dass sie die Feinde des Kreuzes Christi sind (Phil 3,18).
Aber hier am Anfang desselben Kapitels spricht er die Gläubigen an, wie Gott sie in Christus gemeint hat, und sagt: „Denn wir sind die Beschneidung“. So sagt er von ihnen voraus, was Gott aus ihnen in Christus gemacht hat. Die Bedeutung ist, dass die Natur gerichtet wird, das Todesurteil über sie gefällt wird. Es ist nicht nur so, dass der Gläubige wegen seiner Sünden aus der Verdammnis herausgeholt wird, sondern die in die Widerspenstigkeit gegen Gott gefallene, böse und selbstsüchtige Natur hat nun in Christus das Todesurteil über sich ergehen lassen; und der Gläubige wird entsprechend angesprochen. „Denn wir sind die Beschneidung, die wir durch den Geist Gott anbeten und uns Christi Jesu rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen.“.
Auch in Kolosser 2 finden wir eine weitere deutliche Anspielung. Er sagt nicht nur: Ihr seid vollkommen in Ihm, der das Haupt aller Fürstentümer und Mächte ist, sondern in dem ihr auch beschnitten worden seid mit der Beschneidung, die ohne Hände gemacht ist, indem ihr den Leib der Sünden des Fleisches ablegt habt durch die Beschneidung des Christus. So blickt er auf das mächtige Wirken der göttlichen Gnade im Tod und in der Auferstehung des Herrn Jesus. Ich muss nicht sagen, dass der Text überhaupt nichts mit der historischen Tatsache der Beschneidung zu tun hat, wie sie bei Lukas erwähnt wird. Es ist eine Beschneidung, die ohne Hände geschah, während der buchstäbliche Akt natürlich mit Händen vollzogen wurde. Dies steht im Gegensatz zu ihr. Die Verordnung war eine Verpflichtung für den Israeliten, eine bloße Abbildung, und nichts weiter, was die Wahrheit betrifft. Aber hier wird uns gesagt, was Gott in Christus und seinem Kreuz gewirkt hat, wo Er mit allem, was zu uns gehört, was seinem Willen widerspricht, abgeschlossen hat.
Dementsprechend wird gesagt, dass wir beschnitten worden sind. Dies wird hier besonders festgelegt. Er sagt nicht nur: In denen wir beschnitten sind, sondern ihr. Er sprach von diesen Gläubigen aus den Heiden – Personen, denen der Apostel nach dem Fleisch fremd gewesen war. Dass sie ihn nie gesehen hatten, können wir, glaube ich, aus einem früheren Teil dieses Kapitels schließen. Hier sagt er, dass sie bereits durch einen besseren Beschneidungsritus beschnitten worden waren, als der Mensch beobachten konnte. Das war vor allem für solche angebracht, die in der Gefahr standen, den Verordnungen einen übermäßigen Wert beizumessen. Es gab auch die Tendenz, einen besonderen Wert aus der Tatsache zu ziehen, persönlich unter der Lehre des Apostels gewesen zu sein. Dies war ein früher Aberglaube. Der Heilige Geist scheint deshalb dafür gesorgt zu haben, dass einige Briefe an Fremde und Heiden sowie an Christen, die Juden waren, gesandt werden sollten. Jeder Punkt wurde bewacht; und unter anderem das deutlichste Zeugnis für das einzig beständige Mittel zum Segen – die ernste Tatsache, dass alles, was Gott zuwider ist, alles, was nach dem Fall schmeckt, nach dem Stolz der Natur, die sich gegen Gott erhebt, gerichtet, abgeschnitten und vor Ihm weggenommen wird.
Es gibt keinen größeren Trost für jemand, der es wirklich schätzt, in vollkommener Reinheit und Rechtschaffenheit vor Gott gestellt zu werden. Hier geht es nicht darum, was wir zu erreichen haben. Es gibt, wie wir gleich sehen werden, reichlich Raum für die Kraft des Geistes Gottes in der Praxis; aber diese Kraft für die Praxis beruht auf dem, was Gott bereits getan hat, und was immer aus seinem Werk in Christus hervorfließt. Der Heilige Geist führt ein entsprechendes Werk aus; aber sicherlich gibt es etwas, dem entsprochen werden muss, und das ist das, was Gott selbst bereits für uns in Christus, unserem Herrn, getan hat. So sagt Er, dass sie mit der Beschneidung, die ohne Hände geschah, beschnitten wurden, indem sie den Leib [der Sünde] des Fleisches in der Beschneidung des Christus ablegten.
Kehren wir also zu unserem Kapitel zurück, so sehen wir, wie mir scheint, die eigentliche Kraft des Segens, der an jenem Tag bei der Überquerung des Jordans vorausgeschattet wurde. Kanaan konnte nicht als ein Ort betreten werden, an dem das Fleisch befriedigt oder sein Übel zugelassen werden würde. Nicht, dass es in der Wüste keinen Umgang mit dem Fleisch gegeben hätte; aber man konnte nicht sagen, dass es erledigt war; es wurde noch nicht als etwas behandelt, das unter das endgültige Gericht Gottes gekommen war. Das sehen wir am Jordan: Der Tod wird als die einzige Tür zur Befreiung behandelt, und das Messer der Beschneidung muss über alle männlichen Israeliten gehen, bevor der gute Kampf beginnt. Es ist also nicht nur so, dass der Tod und die Auferstehung mit Christus dem Volk Gottes ermöglicht, sich der himmlischen Dinge zu erfreuen und in seine eigene richtige Stellung einzutreten, wie wir beim letzten Vortrag gesehen haben, sondern es gibt eine weitere Wirkung, obwohl alles Teil desselben Werkes Gottes ist, die im Vorbild deutlich zum Ausdruck kommt.
So wie wir verschiedene Opfergaben finden, um verschiedene Teile des Werkes Christi darzustellen, so stellen sie, ob es nun das Rote Meer oder der Jordan ist oder ob nun wiederum die Beschneidung folgt, jeweils verschiedene Aspekte dessen dar, was Gott uns in und mit dem gestorbenen und auferstandenen Herrn Jesus gegeben hat. Sehr deutlich leiten wir aus der Beschneidung an dieser Stelle die Tatsache ab, dass die gefallene Natur in uns vollständig gerichtet wird, und dass wir berechtigt sind, uns entschieden gegen das Fleisch in uns zu stellen. Wir sind dann auch dazu berufen, miteinander zu tun zu haben, da wir in dieser Hinsicht alle auf demselben gemeinsamen Boden stehen. Etwas anderes konnte Gott nicht gutheißen. Er hat uns Christus gegeben und mit Ihm, den Glauben, den vollen Anteil an seinem Tod und seiner Auferstehung. Dieser Anteil setzt notwendigerweise das Werk voraus, das Er mit der gefallenen Natur in all ihren Formen vor Ihm vollständig getan hat. Nicht eine Spur des Bösen war in Christus. Er war Mensch, so wahrhaftig wie der erste Adam – der Sohn des Menschen, was Adam nicht war, sondern der Sohn des Menschen, der im Himmel ist – eine göttliche Person, aber nicht weniger ein Mensch. Aber gerade deshalb war Er nach der Herrlichkeit seiner Person fähig und befähigt, von Gott für alles behandelt zu werden, was Ihm in uns nicht ähnlich war. Hätte es den kleinsten Makel in Ihm gegeben, hätte dies nicht geschehen können. Die vollkommene Abwesenheit des Bösen in diesem einen Menschen stellte das erforderliche Opfer bereit; denn in Ihm selbst und in all seinen Wegen fand die göttliche Natur Befriedigung und Entlastung. Würde Er denn alles ertragen? Wäre Er bereit, in die Tiefe des Gerichts aller Menschen hinabzusteigen, nach Gottes Einschätzung des Bösen in unserer Natur? Das ganze, vollständige, ungemilderte Gericht Gottes traf Ihn, Er nahm es auf sich und tat es für immer weg. Nicht weniger, so glaube ich, ist die Kraft des Todes Christi für uns.
So beginnen wir nun, nicht mehr nur als Pilger und Fremdlinge betrachtet, sondern als solche, die in das Land Gottes eingeführt werden, noch während wir hier sind – die wir unseren Platz als himmlische Söhne einnehmen; denn das ist nun unser Charakter. So sagt der Apostel: „Und wie der Himmlische, so sind auch die Himmlischen“ (1Kor 15,48). Dementsprechend wird nichts von dem alten Menschen verschont; alles, was wirklich von ihm selbst ist, wird in seiner Abscheulichkeit gesehen. Die Notwendigkeit, dies alles abzulegen, wird uns vor Augen geführt; aber, welch ein Wunder, für uns, die wir mit Christus einsgemacht sind, ist die Sache erledigt. Was wir nun zu tun haben, ist vor allem, das zu glauben – ohne Frage, unseren Standpunkt vor Gott als gestorben und auferstanden mit Christus einzunehmen, dass wir durch die Gnade, ob Heiden oder nicht, wenn wir Christus angehören, die wahre Beschneidung sind. Nur solche können ihre Glieder auf der Erde vernünftig und durchgreifend kasteien. Sonst ist es ein Bemühen, entweder zu sterben oder das Fleisch zu verbessern; und beides ist vergeblich. In Anbetracht dessen ist die fleischliche Beschneidung nun bestenfalls eine arme und klägliche Sache, ja, eine rebellische Schlinge. Die wahre Beschneidung ist das, was Gott aus dem Christen in Christus gemacht hat, und zwar durch den Tod und die Auferstehung. Diejenigen, die sich früher mit ihrer jüdischen Stellung zufriedengaben, verwarfen die Wahrheit, die sie vorbildete, und bewiesen damit, dass sie nichts so verstanden, wie sie es sollten; diejenigen, die in der Christenheit die Wahrheit Christi verlassen können, um sich mit den bloßen Schatten zu beschäftigen, sind weit, weit schlimmer. Die Wirklichkeit der Wahrheit ist uns nur in Christus, unserem Herrn, gegeben. Alles ist unser in Ihm.
Können wir uns dann wundern, dass der Geist Gottes sehr ausführlich darauf eingeht und den Ort, an dem das Volk beschnitten wird, Gilgal nennt? Wir werden die Bedeutung, die diesem Punkt beigemessen wird, noch an anderer Stelle in diesem Buch finden. Kein Fleisch darf sich in seiner Gegenwart rühmen. Durch die Gnade himmlisch gemacht, bewusst gestorben und auferstanden mit Christus, sind wir aufgerufen, aus diesem Grund unsere Glieder auf der Erde im Tod zu halten. Und die Kinder Israel lagerten sich in Gilgal und feierten das Passah am vierzehnten Tag des Monats am Abend in den Ebenen von Jericho (V. 10).