Behandelter Abschnitt Jos 1
Und wo ist die besondere Schönheit dieses Kapitels? Und warum haben wir hier die Geschichte Rahabs? Können wir das nicht unmittelbar erkennen? Möglicherweise besser, wenn ein paar Worte hinzugefügt werden. Warum sahen wir nicht eine Rahab, als das Rote Meer durchzogen wurde? Warum hier mehr als dort? Ist es nicht so, dass Gott hier, wenn Er das Volk Gottes in seine richtige himmlische Beziehung bringt, ein neues Zeichen geben muss, dass die Unterscheidungen von Fleisch und Blut wertlos sind? Gerade dann, wenn die Heiligen Gottes himmlisch genannt werden, kommt die Fülle der Heiden hinzu? Es gab nichts dergleichen beim Auszug aus Ägypten – kein besonderes Zeugnis der Gnade für die Heiden damals wie heute. Zweifellos ist alles richtig geordnet. Es war da nicht angemessen, es gab keine besondere Kraft des Zeugnisses, dass damals ein Heide berufen wurde. Jetzt aber wohl. Deshalb denke ich, dass, wie wir im Buch Josua eine allgemeine Ähnlichkeit mit dem Epheserbrief haben, so können wir sagen, dass Josua 2Epheser 2 oder dem letzten Teil davon entspricht. In der Tat findet sich dasselbe Prinzip in beiden, das eine vorbildlich, das andere in schlichter Realität. Denn nachdem das neue Volk, das die Versammlung genannt wird, als in Beziehung zu Christus zur Rechten Gottes gesetzt gezeigt wird, haben wir ausdrücklich die Annahme der Heiden.
Es war nicht nötig, viel über den Juden zu sagen. Es war völlig klar, dass der Jude aus seinem Judentum herausgeführt wurde; aber der Heide, der nicht ein einziges religiöses Vorrecht hatte, wird zum Gegenstand der vollsten göttlichen Gunst erklärt, die jetzt in Christus ist. Ohne Christus, ohne Hoffnung, ohne Gott in der Welt, sogar ohne Verheißung, entfremdet in Bezug auf die Bündnisse der Verheißung, trotz all ihrer Verderbtheit und ihres tatsächlichen Niveaus, werden die Heiden jetzt nahegebracht, und dies mit einer ganz neuen Art von Nähe, die dem alten Israel unbekannt war. Daher scheint es mir, dass wir nicht an der wahrhaft bewunderungswürdigen Weisheit Gottes zweifeln können, jemand wie Rahab einzuführen. Sie war nicht nur keine Jüdin, sondern durch Gnade aus den Reihen der Gefallenen auserwählt; sie war erklärtermaßen, was für eine Frau am entwürdigendsten ist, eine Hure. Ich weiß, dass es solche gibt, die mit kleinen philologischen Argumenten versucht haben, zu behaupten, dass dies nicht notwendigerweise die Tatsache war, und dass die Bezeichnung vielleicht nicht mehr bedeutet, als dass sie eine Art öffentliche Herberge hatte. Die Menschen haben so versucht, den Charakter nicht nur Rahabs, sondern des Wortes Gottes zu retten. Aber sie brauchen sich die Mühe nicht zu machen. Es ist besser, die Bibel in ihrer Einfachheit zu akzeptieren.
Alles Fleisch ist wie Gras. In der Tat liegt eine Schönheit in der demütigenden Tatsache, so wie sie ist. Denn wenn Gott in der Macht seiner eigenen Gnade hinausgeht und zeigt, was Er für sein Volk ist, warum sollte Er dann nicht jemanden aufnehmen, der in den Augen der Menschen zu sehr von Verderbtheit durchdrungen zu sein scheint, um ihn zu segnen, noch dazu in einer solchen Zeit? Es könnte kein größerer Fehler in der Wahrheit darüber gemacht werden. Wenn Gott die Seinen zum Höchsten erhebt, ist es genau die Zeit, in der die Gnade zum Tiefsten hinabsteigt. Deshalb scheint mir, weit davon entfernt, eine Schwierigkeit in dem zu finden, was der Charakter Rahabs war, dass ein großer Teil des moralischen Gewichts der göttlichen Wahrheit und der Schönheit der Geschichte der Gnade, die hier vorgestellt wird, denen verlorengeht, die sie zu einer respektableren Person machen wollen, als sie wirklich war. Meine Brüder, nicht das, was wir waren, sondern das, was die Gnade aus uns macht, ist für den Gläubigen jetzt alles; und so erwies sich Rahab damals.
Wir brauchen nicht bei dem zu verweilen, was für den Aufruf eines Evangelisten das größte Interesse hätte. Es ist auch nicht mein gegenwärtiges Ziel, alles in einem minutiösen Rückblick zu behandeln, insbesondere einen solchen Teil des Themas. Es genügt zu sagen, dass Rahab uns einen Glauben zeigt, der auffallend mit dem übereinstimmt, was Gott jetzt tat. In der Tat muss dieser, da er immer wahr ist, mehr oder weniger offensichtlich sein. Glaube ist in jedem Fall nie eine bloße Wiederholung. Es gibt kaum zwei Menschen, deren Bekehrung genau gleich ist. Auch wenn sie sich zur gleichen Zeit bekehren, unter der gleichen Ansprache desselben Predigers, so hat doch jede eine Besonderheit; und je mehr man sie versteht, je mehr man wirklich in das Herz der Bekehrten eindringt, desto entschiedener wird der Unterschied gesehen. Aber das ist gerade das, was es sein sollte; denn es gibt auch ein lebendigeres Interesse für die, die wirklich die Menschen und die Wege Gottes mit Einzelnen lieben. Sicherlich ist es wertvoll zu lernen, was jeder Mensch für Gott ist, und die Art und Weise der Gnade Gottes mit jedem Menschen, den Er zu sich bringt.
Die Bekehrung Rahabs hatte also einen besonderen Charakter. Wer will sagen, dass mit dem Objekt seiner Gnade alles so war, wie es sein sollte? Weit gefehlt. Der Mensch, der gerettet wird, ist nicht der Erlöser; noch kann er jemals zum Erlöser aufsteigen, obwohl wir Ihm alle gleich sein werden. Zweifellos gibt es eine mächtige Kluft, die die Gnade überquert; und die Ergebnisse sind nicht gering bei denen, die auch jetzt glauben. Dennoch können wir in Rahab sehen, was mit ihren alten Gewohnheiten zusammenzuhängen scheint; denn selbst zu der Zeit, als die Wahrheit mächtig auf sie eingewirkt hatte, zeigte sie in ihrer Art und in ihren Worten ein wenig von dem, was, wie ich annehme, ihr alter Charakter war. Es besteht kein Zweifel, dass sie der Meinung war, dass alles für eine gute Sache war; aber kann man leugnen, dass es eine Prise der Täuschung zusammen mit dem Schutz gab, den sie den Spionen gewährte?
Nun glaube ich nicht, dass irgendjemand jemals von Gott berufen oder zugestanden ist, im geringsten Maße oder zu irgendeinem Zweck zu betrügen. Wir treffen manchmal auf die Tatsache, sogar bei Gläubigen des Alten Testaments; aber niemals auf die geringste Rechtfertigung dafür. Kurz, wir finden wie hier den Nachteil des Fleisches gerade dann, wenn die Gnade Gottes im Geist segensreich ist. Wir finden ihn bei anderen, die es besser hätten wissen müssen als die heidnische Hure von Jericho. Wenn wir von einem solchen Fehler bei Rahab hören, so war er mindestens ebenso groß bei einem Abraham, nicht weniger bei Isaak und noch mehr bei Jakob. Wenn diese nach ihrer Erkenntnis Gottes so versagen konnten, dürfen wir uns nicht wundern, dass diese arme Heidin, als sie nur im Übergangsstadium war, zum Herrn zu kommen, verriet, was sie in sich selbst war, so wahrhaftig wie ihr Glaube zeigt, was sie von Gott empfangen hatte. Aber sie wusste zumindest, dass Gott mit diesem Volk war. Das sah sie deutlich – und damit war sie mitten unter den Feinden Gottes; und geistig hatte sie mit ihnen zu tun. Der Glaube brachte sie dazu, sich von ihren ältesten Verbindungen abzuwenden. Ihr Herz war jetzt bei Gott und beim Volk Gottes; und es ist gut, sei sicher, dass man sein Herz nicht nur bei Ihm, sondern auch bei denen haben sollte, und dies ganz besonders in Anbetracht der Welt, durch die wir gehen.
Vertrauen in die Verbindung zu haben, die zwischen Gott und seinem Volk besteht, ist von großer praktischer Bedeutung. Für viele mag es vielleicht geistlicher klingen und durchgehen, wenn sie sagen: Ich bin nur mit Gott zufrieden; was sein Volk angeht, bin ich zufrieden, davon getrennt zu sein. So schwerwiegend sind ihre Fehler, so viele Wege und Worte, die unwürdig sind, dass ich mich entschuldigen muss, wenn ich sie nicht suche. Redet nicht über das Volk Gottes: Gott selbst reicht mir. Das, sage ich, war nicht das Empfinden Rahabs; und es ist auch nicht das Empfinden Gottes, der sie liebt, wie wir es auch tun sollten. Er liebt sie, trotz allem, was sie sind; und wenn wir von seinem Geist geleitet werden, wenn wir Gemeinschaft mit Ihm haben, lieben wir sie auch, und ihre Fehler werden unsere Herzen nicht von ihnen entfremden: Wer würde Wert auf die Liebe legen, die durch einen Fehler abgewandt werden könnte? Außerdem, wer und was sind wir, so bereit, die Fehler von Brüdern zu kritisieren? Haben wir keine eigenen zu bekennen? Kommt es uns nie in den Sinn, dass wir durch diese Eile im Urteil, für andere eine Prüfung und ein Ärgernis, wenn nicht gar ein Stolperstein sein könnten? Lasst uns lieber lernen, uns selbst mehr zu beurteilen und andere mehr zu schätzen als uns selbst. Ich sage das nicht, um das Böse zu verharmlosen: Gott bewahre uns! Aber gewiss, wahre Liebe bemüht sich und liebt trotz der Fehler und sucht, dass der andere frei davon wird. In der Tat mögen wir manchmal einen Fehler durch unsere eigene törichte Art, damit umzugehen, eher überbetonen. Doch wenn wir wirklich von Gott geleitet werden, werden wir die lieben, die Er liebt.
Rahab verstand dies sehr einfach, als sie nicht nur Gott, sondern sich selbst mit den Spionen identifizierte, die sie unter dem Flachs versteckte. Und dies drückte einen besseren, stärkeren, echteren Glauben aus, als es irgendwelche Worte unter den gegebenen Umständen hätten tun können. Sie bewies ihren Glauben durch ihre guten Werke (Jak 2,25), und das, indem sie nicht nur den Gott Israels, sondern das Israel Gottes liebte. War das nicht der Charakter des Glaubens und sein Inhalt? Aufgrund dessen, was sie gehört hatte (der Glaube kommt „aus der Verkündigung, die Verkündigung ab durch das Wort Gottes“ – Röm 10,16), verband sie durch ein wahres und einfältiges Empfinden Israel mit Gott; und sie hatte Recht.
Wenn also sogar der König von Jericho mit einer Forderung vor Rahab trat, die sonst übermächtig gewesen wäre, änderte der Glaube alles. Zweifellos war all das riskant. Sie trug ihr Leben in ihrer Hand. Es ist an Gott, dafür zu sorgen. Er tat damals, was Er immer tut: Er handelte zu seiner eigenen Ehre und verherrlichte sich selbst, ob durch unser Leben oder durch unseren Tod um seines Namens willen. Sie hatte auf jeden Fall ihre Entscheidung getroffen. Sie könnte zum Tod verurteilt werden für das, was der König als Hochverrat bezeichnen würde. Und ein Hochverrat war es nach den Regeln des Menschen beurteilt zweifellos. Es muss den Männern von Jericho so vorgekommen sein, als würde sie ihr Land und ihren König verraten. Aber sie beurteilte alles aus Gottes Sicht. Das ist das Handeln des Glaubens. Es gibt nicht nur Fälle, in denen man auf diese Weise Partei ergreifen muss, sondern das Prinzip erstreckt sich auf die alltäglichsten Gelegenheiten. Jeder, der Gott kennengelernt hat, ist dazu verpflichtet. Bei dieser höchst ernsten Veränderung, was ist jeder andere in der Welt, wenn er zwischen uns und Gott steht? Und was ist die Wirkung des Glaubens? Dass man, je mehr man einfach Gottes Gedanken vertraut, nachdem man sein Volk kennengelernt hat, die umso mehr lieben muss, die Gott liebt. Rahab hat das auf eindrucksvolle und praktische Weise begriffen. Deshalb riskierte sie ihr eigenes Leben, um dieser göttlichen Überzeugung zu folgen; denn der Glaube ist sehr real und vertraut völlig auf Gott und seinen Weg. So hielt sie es für keine törichte Spekulation, den Verlust des Lebens und aller Dinge für die Spione zu riskieren, denn es waren die Spione des Volkes des Herrn, deren Erfolg für sie eine Gewissheit war; und der Glaube ist sicher, dass er an jenem Tag seine Barmherzigkeit erfährt.
Aber sie lässt uns auch ein wenig über den Gefühlszustand in Jericho wissen. Ihre Überlegung war vernünftig, sie entsprach dem Glauben. Es war keine bloße Empfindung, auch kein plötzliches Gefühl. Es gab viele, die ihre Ängste teilten; aber wer teilte den Glauben Rahabs? Die Soldaten der Stadt waren nicht ohne die gleichen Befürchtungen. Aber in ihrem Fall, wie oft in unserem, wirkte der Geist Gottes, wo zuerst nur Furcht war. Gott wirkte und ersetzte die Furcht durch einen lebendigen Glauben an sich selbst und an seine Liebe zu seinem Volk. Sie sagt: „Denn wir haben gehört, dass der Herr die Wasser des Schilfmeeres vor euch ausgetrocknet hat, als ihr aus Ägypten zogt“ (V. 10). Zumindest schrieb sie ihren Durchzug keiner zweiten Ursache zu; auch teilten die Männer von Jericho nicht den Unglauben der Modernen, die vorgeben, dass Moses eine Furt beim Durchzug des Roten Meer kannte und benutzte. Sie verstand die Wahrheit, weil sie Glauben hatte. Sie sagte: „Ich weiß, dass der Herr euch das Land gegeben hat und dass euer Schrecken vor euch auf uns gefallen ist und dass alle Bewohner des Landes vor euch verzagt sind. Denn wir haben gehört, dass der Herr die Wasser des Schilfmeeres vor euch ausgetrocknet hat, als ihr aus Ägypten zogt, und was ihr den beiden Königen der Amoriter getan habt, die jenseits des Jordan waren, Sihon und Og, die ihr verbannt habt. Und wir hörten es, und unser Herz zerschmolz, und es blieb kein Mut mehr vor euch in irgendeinem Menschen; denn der Herr, euer Gott, ist Gott im Himmel oben und auf der Erde unten. Und nun schwört mir doch bei dem Herrn, weil ich Güte an euch erwiesen habe, dass auch ihr an dem Haus meines Vaters Güte erweisen werdet; und gebt mir ein zuverlässiges Zeichen“ (V. 9–12).
Auch hier glaube ich nicht, dass es ihr nur um die Rettung des natürlichen Lebens ging, obwohl nach dem Schwur der Kundschafter Leben erhalten wurde. Aber ihr Glaube erhob sich über die rein äußeren Umstände. Der Kommentar des Jakobus setzt einen höheren Charakter voraus, wie es mir scheint. So wurde sie nicht nur in die Linie Israels im Allgemeinen eingegliedert; sie wurde tatsächlich in die Linie des Messias gebracht und saß an der ehrenvollsten Stelle, in die eine Frau nach dem Fleisch gebracht werden konnte. Die Grundlage ist in dem Buch gelegt, das uns den Tod des Fleisches zeigt, aber auch Gott, der nach seiner eigenen Gnade handelt und die Rettung inmitten des Gerichts vollbringt. Daher wurde ihr ein entsprechendes Zeichen gegeben, nicht nur um ihrer selbst willen, sondern auch für ihre Familie. Die Rettung kam an diesem Tag in ihr Haus, obwohl sie arme und schuldige Heiden waren. Ihre Erlösung leuchtet umso heller auf dem Hintergrund der Zerstörung aller anderen. Die Vollstrecker des Gerichts über Jericho garantieren die Sicherheit Rahabs und ihres ganzen Hauses.