Behandelter Abschnitt Jos 1
Einleitung
Das Buch Josua folgt ganz natürlich auf die fünf Bücher Mose und ist tatsächlich deutlicher mit den Büchern verbunden, die ihm vorausgehen, als es dem gewöhnlichen Leser erscheinen mag. Es beginnt nicht mit einer bloßen Zeitspanne oder einem Übergang, sondern mit einer Verbindung. Dies wird in der englischen Version nicht ausgedrückt, aber das wird tatsächlich im hebräischen Text deutlich. Zweifellos war es der Heilige Geist, der durch einen anderen Diener des Herrn schrieb. Und Er führte dasselbe Zeugnis weiter, und auch ein Zeugnis, auf das uns das fünfte Buch Mose besonders vorbereitet; denn die Reden des ganzen Buches wurden von Mose gesprochen, als die Kinder Israels sozusagen am Vorabend des Einzugs in das verheißene Land standen. Hier, wie auch anderswo, ist es von großer Bedeutung, dass wir den besonderen Zweck des Geistes Gottes in diesem Buch klar erkennen. Ich werde daher einige Bemerkungen allgemeiner Art machen, um den Zweck so deutlich darzustellen, wie der Herr es mir ermöglicht.
Kein geistlicher Mensch, der sich damit beschäftigt, kann daran zweifeln, dass das, was der Geist Gottes uns in Josua zu geben beliebt, wenn wir es vorbildlich als Segen für uns annehmen, nicht unser Hinübergehen aus der Welt in den Himmel ist. Wir sind alle mit der üblichen Art vertraut, den Jordan als den Tod darzustellen, und die Überquerung des Jordans als das Verlassen der Welt zum Himmel beim Tod. Aber das ist nicht seine wirkliche Bedeutung, obwohl es praktisch für uns von großer Bedeutung ist. Wenn man seine Bedeutung so für den Himmel nach dem Tod zuordnet, verfehlt man den Hauptzweck Gottes, der ihn uns für die Erde gegeben hat. Wenn man die Bedeutung auf den zukünftigen Zustand verschiebt, kann die gegenwärtige Anwendung seiner Bedeutung offensichtlich keinen direkten Platz haben. Natürlich nicht, aber man kann aus bestimmten Stellen hier und da einen Segen herauslesen. Wir wissen, dass selbst die, die die Überquerung des Jordans auf unseren Heimgang zu Christus anwenden, keine Skrupel haben, die Errettung Rahabs in Josua 2,6 auf das Evangelium anzuwenden, da sie aus jedem Kapitel einen moralischen Gewinn zu ziehen suchen. Aber ich spreche jetzt nicht von einer Anwendung oder einem Gebrauch, in dem wir alle übereinstimmen, sondern von dem, was einige von uns vielleicht lernen müssen, was wir alle, da bin ich mir sicher, zu der einen Zeit oder einer anderen lernen mussten.
An der Oberfläche des Buches gibt es eine einfache Tatsache, die uns seine wahre Natur oder Bedeutung zeigt, und das ist das, was die Kinder Israels taten, als sie den Jordan überquerten. Erfreuten sie sich der Ruhe? Nein, es war immer noch Anstrengung, es war ein Kampf mit dem Feind, und nicht nur die Geduld des Glaubens, in der sie auf ihrem Weg durch die Wüste geprüft worden waren. Es lag eine wunderbare moralische Ordnung darin, dass Gott die Herzen seines Volkes auf die Probe stellte, wo es um sie herum nichts gab als den unfruchtbaren Sand und Ihn selbst. In der Wüste war Gott allein da, um sie lehren. Das war die große Lektion der vierzig Jahre der Fremdlingschaft; aber es ist klar, dass es, was die Umstände anging, keineswegs der Ort war, an dem sich direkter positiver Segen zeigte. Gott verwandelte dort und damals jeden Umstand durch seine eigene Gnade in Segen, durch das, was Er sagte, durch das, was Er tat, und durch das, was Er für sein Volk war. Das gilt vor allem für die frühere Zeit und die früheren Begebenheiten. Doch im Buch Josua treffen wir auf wirklichen und deutlichen Segen – die Verleihung seiner Gaben in Liebe an Israel entsprechend seiner Verheißung an die Väter, wenn auch noch unter dem Vorbehalt ihrer Treue zum Bund des Gesetzes. Es ging also nicht nur darum, sie aus dem Bösen herauszunehmen, und es war auch nicht die Lektion Gottes in der Wüste – seine Bewährung und sein Umgang mit seinem Volk: Gott gab ihnen, was Er ihnen versprochen hatte, und nun vollendete Er es in seiner Macht; Er brachte sie in das gute Land Kanaan. Aber die ganze Zeit über hören wir im Buch Josua von den Kriegen des Volkes.
Nun zeigt uns diese einfache Tatsache ihren wahren Charakter. Gewiss, wenn wir die Welt verlassen, um tatsächlich beim Herrn zu sein, werden wir keine Kriege mehr haben. Die Überquerung des Jordans bezieht sich also nicht auf das Verlassen der Welt, um in der Gegenwart Gottes zu ruhen, sondern auf die völlige Veränderung der Stellung der Christen, während sie noch in der Welt sind. Wie kann von ihnen gesagt werden, dass sie den Jordan überqueren? Das ist es, was ich einfach anhand des Lichtes, das das Neue Testament gibt, vorstellen möchte, zumindest soweit Gott mich dazu befähigt. Wir werden feststellen, dass das göttliche Licht reichlich vorhanden ist, so dass wir die Gedanken Gottes deutlich erkennen können.
Es ist für jeden nachdenklichen Christen offensichtlich, dass zwischen dem Durchzug durch das Rote Meer und dem durch den Jordan eine enge Verbindung besteht. Sie ist im Tod und in der Auferstehung des Herrn Jesus zu finden. Doch es gibt zwei Auswirkungen, die sich deutlich unterscheiden und sehr wichtig sind und die wir unterscheiden sollten. Im Vorbild des Roten Meeres betrachtet, sondert es uns einfach von der Welt ab und macht uns zu Fremden, während wir sie durchziehen. Das Durchqueren des Jordans oder der Tod und die Auferstehung Christi bewirkt in dieser Hinsicht weit mehr. Es ist die Kraft dieses mächtigen Werkes, das uns in den Besitz der himmlischen Segnungen bringt, bevor wir dorthin gehen. Wir werden bewusst in den Himmel versetzt; wir müssen allerdings noch kämpfen, bevor die Zeit der Ruhe kommt. In beiden Fällen geht es nicht nur darum, dass Christus gestorben und auferstanden ist, sondern dies wird durch den Geist auf uns angewandt.
Auf der einen Seite ist der Durchzug durch das Rote Meer, dass wir mit Christus gestorben sind und für Gott leben durch Jesus Christus, unseren Herrn, eine Frage der Gerechtigkeit. So sind wir von der Sünde gerechtfertigt und von der Macht Satans wirksam befreit. Es gibt keine Frage der Furcht mehr vor dem Gericht Gottes. Andererseits bedeutet der Durchzug des Jordans, dass wir gemäß der Fülle des Anspruches Christi schon jetzt in die himmlischen Örter eingeführt werden. Auf dieser Grundlage möchte uns der Geist mit den himmlischen Dingen vertraut machen.
Daher sind wir aufgefordert, unsere Zuneigung auf die himmlischen Dinge zu richten, erfüllt von dem, was zweifellos ganz und gar eine Sache des Glaubens, aber nicht weniger wirklich ist, weil es so ist. Es gibt keinen schwerwiegenderen Irrtum als den, anzunehmen, dass die irdischen Dinge wesentlich sind und die Dinge des Glaubens nicht. Es gibt nichts, was so real ist wie der Glaube, und nichts, was so beständig ist wie das, was sich auf das Wort Gottes gründet. Die Gnade hat uns in Jesus Christus, unserem Herrn, ein Reich gegeben, das nicht erschüttert werden kann. Ich gebe zu, dass wir Ihm vertrauen müssen; wir haben nichts vorzuweisen. Sind wir deswegen ärmer? Nein, wir sind unvergleichlich reicher! Es ist eine gesegnete Sache, wenn wir lernen, der Sicht Gottes zu vertrauen und nicht unserer eigenen, und das ist es, was der Glaube immer tut. Der Glaube schmälert unsere Sicht nicht, sondern vergrößert unsere Sichtweite unendlich. Wir mögen schwach im Sehen sein, nach einem solchen Maß, und das sind wir zweifellos; aber es gibt so etwas wie ein Wachstum, das der Geist bewirkt, indem Er uns mehr von Christus in den Schriften offenbart. Da wir im Wort Gottes so wie in Christus das haben, was göttlich ist, gibt es eine unendliche Fülle, in die wir hineinwachsen können. Das ist es, wozu Christus uns einführt, nicht wenn wir buchstäblich sterben, sondern wenn wir die Macht seines Todes und seiner Auferstehung kennenlernen, nicht nur die Ohnmacht Satans, sondern auch unsere eigene. Das ist die Wahrheit, die im Durchzug des Jordans vorgebildet wird. Es ist nicht die Befreiung aus Ägypten: Das ist die Bedeutung des Roten Meeres; dort wird im Vorbild die Welt, der Bereich der Knechtschaft Satans, verlassen; somit ist der Durchzug durch den Jordan der Eingang in das himmlische Land, in die himmlischen Örter.
Wir werden also nach und nach einen weiteren, sehr wichtigen Unterschied finden, der jetzt nur am Rande gestreift werden kann. Hier kommt die Beschneidung ins Spiel, ausdrücklich im Gegensatz zu dem vorherigen Zustand der Dinge. Während die Israeliten durch die Wüste zogen, gab es keine solche Praxis. Nicht ein einziger Mensch wurde beschnitten, der in der Wüste geboren wurde; zweifellos waren einige dort, die vorher beschnitten worden waren. Aber als sie den Jordan überquerten, durften sie nicht zögern; dann war es zwingend notwendig, beschnitten zu werden. Offensichtlich wurde es also eine Frage des Todes an sich selbst durch Christus, der in die Höhe hinaufgestiegen ist und uns dort mit sich vereinigt hat; und das ist genau der Punkt, um den es geht. So ist der Mensch frei, in das einzutreten, was Gott oben schenkt; und es gibt nichts, was dies mehr hindert als das nicht unterworfene und nicht gestorbene Selbst. Die Beschneidung findet also unmittelbar nach dem Durchzug durch den Jordan statt. Allerdings greife ich jetzt etwas voraus; dennoch schien es mir notwendig, diese wenigen Worte allgemeiner Art zu geben, damit ein einfacher und klarer Eindruck des genauen Unterschieds zwischen den beiden entsteht.
Offensichtlich haben wir also eine Gemeinsamkeit zwischen dem Roten Meer und dem Jordan, aber beide haben etwas Besonderes. Alles ist in Christus, unserem Herrn, zu finden. Nur ist es wichtig für uns, dass wir uns nicht mit dem vagen und allgemeinen Gedanken begnügen sollten, dass wir alles haben. Gott will, dass wir wissen, was wir als seine Kinder empfangen haben, was es ist, das Er uns gegeben hat. Hier kommt die Energie des Glaubens ins Spiel: Wir sollen uns nicht damit zufriedengeben, die Wahrheit zu erkennen, dass wir alles haben, sondern dass wir fleißig von Ihm lernen, was es ist. Gott enthält uns nichts Gutes vor. Wir kränken seine Liebe, wenn wir nicht darauf drängen, alles zu lernen und zu genießen, was Er uns offenbart hat. Der Geist ist es, der uns ermutigt zu den Konflikten, um das Land zu besitzen.
Das ist also einer der charakteristischen Punkte des Buches Josua; Israel wird hier in das verheißene Erbe gebracht wird nicht nur aus dem Haus der Knechtschaft in eine öde, heulende Wüste. Welche Gnade, Gott in dieser Wüste als ihren Begleiter zu haben! Es war Gott, der sie in das Land führte, auf dem seine Augen ruhten und an dem Er Gefallen gefunden hatte – das tat Er nicht in der Wüste; dort hatte Er Gefallen an seinem Volk. Und Er zeigte ihnen sicherlich, was Er war, und dass Er sie schließlich in das gute Land bringen würde; aber es ging damals in der Wüste nicht darum, in die gegebenen Segnungen des Landes Emmanuels einzutreten. Das werden wir im Buch Josua finden.
Ich will nun ein wenig genauer auf einige Einzelheiten der Kapitel eingehen, die ich heute Abend im Überblick behandeln werde.
Mose ist gestorben, und Josua nimmt seinen Platz ein; das bedeutet, dass Christus sowohl durch den, der gestorben war, als auch durch den, der lebt, repräsentiert wird. So war es Christus, ob Er aus der Welt herausgeführt oder durch die Wüste geleitet wurde, und jetzt ist es Christus in einem neuen Vorbild ‒ der Anführer der Errettung, der an der Spitze Israels im Land Kanaan steht. Es ist jedoch, wie wir wissen, derselbe Christus in einer anderen Sichtweise, der das Volk Gottes in das bessere Land führen sollte. Wir müssen sorgfältig bedenken, dass wir hier nicht den leiblichen Tod des Körpers und die Trennung des Geistes von ihm haben; noch weniger ist es der Zustand der Auferstehung, wie er in der Wahrheit, die ich bereits gezeigt habe, enthalten ist. Davon ist im Buch Josua überhaupt keine Rede. Aus demselben Grund ist es auch nicht die Wiederkunft Christi in Herrlichkeit: Josua stellt nicht den wiederkommenden Christus dar. Es ist Christus, der jetzt im Geist das Volk in das Land führt, das heißt die Kraft des Geistes Gottes, der auf diese Weise die Christen befähigt, sich ihren Platz im Himmel, wo Er ist, anzueignen und zu kennen, indem sie sich der Herrlichkeit Christi hingeben. Kurzum, Josua stellt Christus nicht als den dar, der nach und nach in Person kommt, sondern als den, der jetzt im Geist handelt und uns daher befähigt, unsere himmlische Glückseligkeit zu empfangen und zu erkennen.
Außerdem werden wir in diesem Buch finden, dass es zuerst die Annahme dessen zeigt, was Gott gibt, und dann, dass die Menschen sich das Geschenk aneignen müssen. Diese beiden unterschiedlichen Wahrheiten teilen das Buch Josua in zwei Teile. In den ersten zwölf Kapiteln geht es einfach darum, dass wir die große Wahrheit kennenlernen, dass wir das himmlische Land als Eigentum besitzen und dafür kämpfen müssen. Der letzte Teil des Buches zeigt uns die Pflicht, uns mit den Schwierigkeiten auseinanderzusetzen, wenn wir die Wahrheit empfangen haben. So werden wir vor den verschiedenen Wegen bewahrt, durch die Satan unseren Sinn für den Segen schwächen und verhindern würde, dass wir ihn uns wirklich praktisch aneignen. Er darf nicht nur eine objektive Tatsache bleiben: Wir müssen unser Anrecht wahrnehmen und wertschätzen.
Dies teilt das Buch entsprechend in seinen früheren und seinen späteren Teil ein.
Kapitel 1
In diesem Kapitel gibt es eine weitere Sache, auf die ich aufmerksam machen möchte: Nachdem der Herr die neue Form genannt hat, in der sich die Macht Christi in Josua zeigen würde, sagt Er: „mach dich auf, geh über diesen Jordan, du und dieses ganze Volk, in das Land, das ich ihnen, den Kindern Israel, gebe. Jeden Ort, auf den eure Fußsohle treten wird – euch habe ich ihn gegeben, so wie ich zu Mose geredet habe“ (V. 2.3). Das Land war von Gott gegeben, musste aber erkämpft werden; das Land hinter dem Jordan war für das Volk Gottes offen. Da das Buch diesem Ziel gewidmet ist, wird zu Beginn eine allgemeine Beschreibung der Ausdehnung des Landes gegeben – von der Wüste und diesem Libanon bis zum großen Strom, dem Euphrat. Genau genommen reichte dies weit über Kanaan hinaus. So finden wir eine bemerkenswerte Antwort darauf in jenem Brief des Neuen Testaments, wo uns der eigentliche himmlische Anteil der Gläubigen vor Augen geführt wird. Es gibt nichts Offensichtlicheres im Epheserbrief als die beiden Merkmale, die ich jetzt anführen möchte:
Gott hat uns himmlische Segnungen in und mit unserem Herrn Jesus gegeben, und das jetzt; nur ist es aus diesem Grund ohne Zweifel eine Sache des Glaubens, soweit es uns betrifft, bis Jesus kommt. Wir sind auf der Erde, aber „gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segen in den himmlischen Örtern in Christus“ (Eph 1,3).
Auch zeigt uns dasselbe Kapitel nicht nur unser Kanaan, sondern von der Wüste und diesem Libanon bis an den großen Strom, den Euphrat. Gott gibt uns also ein Maß an weitreichendem Segen, das weit über das hinausgeht, was uns zusteht. Kurz gesagt, da es sich nicht nur um das Vorbild Christi handelt, sondern um Christus selbst, wird auch der Segen entsprechend vergrößert.
Alle Dinge, und nicht weniger als alle Dinge, müssen Christus unterstellt werden. Nachdem Christus universell das Haupt über alles gestellt ist, wird Er so der Versammlung als Haupt gegeben (Eph 1,22.23). Er ist in Verbindung mit der Versammlung über nicht weniger als das ganze Universum Gottes gesetzt. So sehen wir, was das Besondere ist: Die himmlischen Dinge entsprechen Kanaan und sind Ihm unterstellt sind. Aber in Verbindung damit gibt es eine große Ausdehnung des Territoriums, das sich vom Libanon im Norden bis zum Fluss Euphrat erstreckt, der im Osten dahinter liegt. Führt uns das nicht vor Augen, dass Gott, wenn Er überhaupt gibt, als Gott geben muss? Er wird seine Verheißungen erfüllen, aber Er kann nicht weniger geben als Er es immer tut. Und wie wird dies an dem Tag, auf den wir warten, bestätigt werden! Wir werden das Unsere haben (Lk 16,12); und wir werden das Teil Christi haben, und Gott hält nichts zurück von dem verworfenen, aber verherrlichten Menschen, seinem eigenen Sohn.
Weiter finden wir für die Schwierigkeiten auf dem Weg, die wirklich unermesslich sind, dass Gott entsprechenden Trost und Sicherheit gibt. „So wie ich mit Mose gewesen bin, werde ich mit dir sein; ich will dich nicht versäumen und dich nicht verlassen. Sei stark und mutig“ (V. 5.6). Die letzten Worte haben, wie man sieht, großen Nachdruck und werden sogar im ersten Kapitel öfter wiederholt. Ich möchte meine Geschwister fragen, ob sie wirklich verstanden haben, dass dies das ist, wozu sie berufen sind – das, wozu wir jetzt berufen sind. Nicht wenige aufrichtige Christen irren hier sehr. Sie verwechseln guten Mut mit Anmaßung; das ist Gewissheit im Herrn mit dem niedrigsten und stolzesten Gefühl des Fleisches; das ist bloße gedankenlose Kühnheit ohne ein Atom gläubigen Vertrauens in Gott. Vor Anmaßung möge jedes Kind Gottes bewahrt werden! Andererseits, Gott bewahre, dass ein Kind Gottes um den guten Mut und das einfältige Vertrauen, das Gott gebührt, betrogen wird durch das, was es verleumdet. Nein, meine Brüder; wir sind berufen, stark und guten Mutes zu sein.
Was ist denn Anmaßung im Unterschied zum Mut des Glaubens; und wie sollen wir den Unterschied erkennen? Ist es nicht wichtig, in einer so ernsten Angelegenheit Fehler zu vermeiden? Anmaßung ist der Mut des Menschen, der sich auf sich selbst gründet – auf den ersten Menschen. Die Stärke und der gute Mut des Christen sind allein auf Christus gegründet. Der Unterschied ist daher sehr weitgehend. Wir können nicht zu großmütig sein, wenn Christus die einzige Quelle unseres Mutes ist: Wir verdanken Ihm den Mut. Wenn es darum geht, gegen den Feind zu bestehen oder seinen Täuschungen zu widerstehen, müssen wir tatsächlich wachsam sein. Wenn es darum geht, ruhiges Vertrauen in das zu haben, was Christus ist und was Er uns gegeben hat, dann dürfen wir keinen Deut von der vollen Ermahnung wegnehmen, die diese Worte an jenem Tag an Josua gerichtet haben. Waren sie allein für Josua? Es war für Josua, der sich unlösbar mit dem Volk Gottes verbunden hatte; es war zur Ermutigung des Führers und derer, die von ihm geführt wurden. Aber so, geliebte Brüder, sollte es mit den Kindern Gottes sein; denn Er vollendet nicht nur einen Bruchteil davon. Die besten Segnungen, die wir haben, sind die, die Gott für die Versammlung – für jedes Glied der Versammlung Christi – vorgesehen hat.
Wir befinden uns leider in einem Zustand und an einem Tag, an dem nur wenige Glieder Christi an ihren eigentlichen Segen glauben. Wenn Gott uns zum Glauben an seine Gnade zurückgeführt hat, lasst uns Ihm danken; aber wenn wir an die unendliche Barmherzigkeit denken, die uns veranlasst hat, zu sehen, dass Gott für uns ist, und was Christus für uns ist, und auch durch den Geist, der in uns wirkt, lasst uns Ihn anbeten, dafür, dass alles für alle ist, die Ihm angehören. Das wird unser Empfinden für den Niedergang der Christenheit vertiefen, wo mangelnder Glaube die guten Dinge, die Gott gibt, ablehnt, wo das schwache Urteilsvermögen des Fleisches das vermischt, was von sich selbst und der Welt ist, ohne eine Zurechtweisung. Wenigstens werden wir sehen, wie Gott mit allen Heiligen handelt, wenn wir auch umso mehr empfinden, wie sie dem nicht entsprechen, trotz all seiner Liebe. Erstens verdanken wir Ihm unsere zartesten Empfindungen; aber es steht uns auch gut an, wenn wir wünschen, dass andere den Segen empfangen, dass wir demütig – und doch zugleich mutig – versuchen, selbst in den Segen einzutreten und ihn zu besitzen. Es gibt nichts, was mehr zum Segen eines anderen beiträgt, als das zu genießen, was seine Gnade uns selbst schenkt. „Sei stark und mutig! Denn du sollst diesem Volk das Land als Erbe austeilen, das ich ihren Vätern geschworen habe, ihnen zu geben. Nur sei sehr stark und mutig“ (V. 6.7). Wir wissen, dass der, den Josua vorbildet, uns nicht im Stich lassen kann. Es gab Momente, in denen sogar Josua zaghaft war; es würde Zeiten geben, in denen Josua in den Staub sank, in denen der Herr ihn auch mit einem Maß an Zurechtweisung aufstehen ließ. Unser Josua braucht nie mehr als einen Hinweis; und alle Macht ist Ihm gegeben im Himmel und auf der Erde (Mt 28,18). Möge seine Macht auf uns in unserer Schwachheit ruhen! Wir werden lernen, wo und was die Hindernisse sind.
Aber es gibt noch einen anderen Punkt in dem einleitenden Kapitel. „Dieses Buch des Gesetzes soll nicht von deinem Mund weichen“ (V. 8). Mit dem Eintritt des Volkes durch die Kraft des Geistes Christi in den himmlischen Segen entsteht ein zunehmendes Verlangen nach dem Gottes Wort. Der Wert jedes Wortes wird nicht so empfunden, wenn man sich damit begnügt, Jesus als Retter anzunehmen. Dann will man nicht mehr als die Gewissheit, dass man nicht ins Gericht kommen wird. Dann reicht ein vager und allgemeiner Halt des Wortes Gottes für das Bedürfnis aus. Aber wenn wir erweckt werden, um die Wahrheit kennenzulernen, die Christus in der Höhe und die himmlische Stätte der Heiligen Gottes darlegt, und um den Wunsch zu haben, einen positiven und definitiven Halt unseres eigenen Anteils in Christus zu haben, bevor wir nach und nach persönlich dort hingelangen, dann brauchen wir in der Tat den prinzipiellen Wert jedes Wortes, und der Geist Gottes versäumt nicht, ihn uns zu geben. Wir empfinden, dass wir alles brauchen. Dann wissen wir auch, dass es gut ist für uns, dass wir erforscht und geprüft werden und dass wir uns dem nicht verschließen, was uns unmittelbar zum Trost dient, aber auch darüber hinaus. Wir können das Wort ertragen, das uns zu Überwindern über Satan macht, indem wir nichts von uns selbst aus machen; und in der Tat ist es gerade das, was das Buch Josua (jedenfalls vorbildlich betrachtet) uns vor Augen führen will. „Dieses Buch des Gesetzes soll nicht von deinem Mund weichen, und du sollst darüber nachsinnen Tag und Nacht, damit du darauf achtest, zu tun nach allem, was darin geschrieben ist; denn dann wirst du auf deinem Weg Erfolg haben, und dann wird es dir gelingen. Habe ich dir nicht geboten: Sei stark und mutig? Erschrick nicht und fürchte dich nicht! Denn der Herr, dein Gott, ist mit dir überall, wohin du gehst (V. 8.9).
Hier ist ein weiterer Punkt von großer Bedeutung. Wir haben nicht nur das Wort, sondern Gott selbst. Zugegeben, im Prinzip galt das auch, als Israel durch die Wüste zog. Aber es ist gut, das Empfinden zu haben, dass Gott bei uns ist, wenn wir uns in unser eigenes, richtiges Erbe einführen lassen. Dies wird also dem Volk von neuem zugesichert; und muss ich sagen, wie sehr wir es nötig haben, uns auch daran zu erfreuen, dass wir unter einem solchen Schutz stehen, wie es immer gut für uns ist! Es kommt die Zeit, wo die frische Blüte der Wahrheit zu verwelken droht. Wenn sie nicht mehr neu ist, was soll jemand dann bekommen? Gott selbst ist bei uns – und Er und sein Wille allein ist weise und gut und heilig. Dann ist es so, dass wir, auch wenn es Prüfungen, Schwierigkeiten und tausend Dinge gibt, die für unsere Natur äußerst abstoßend sind, das Bewusstsein seiner Gegenwart haben, die das Fehlende ersetzt und jeden scheinbaren Nachteil aufwiegt. Was kann uns fehlen, wenn Gott mit uns ist und das in vollkommener Liebe?
Es ist also offensichtlich, dass die eindeutige Zusicherung der Gegenwart Gottes bei seinem Volk, wie sie hier mit dem Einzug des Volkes in Kanaan verbunden ist, sowohl voller Belehrung als auch voller Trost für uns ist, weil sie ihn in nicht weniger präzisen als vollständigen Begriffen versichert bekommen. Wir werden es auch brauchen, meine Brüder; und wir brauchen es schon jetzt. Nichts anderes hat Bestand.
Dann finden wir Josua, der entsprechend handelt; so tun es auch die Rubeniter, während sie sich entscheiden, auf dieser Seite des Todes und der Auferstehung zu verweilen. Man hätte denken können, dass es ihnen nicht zustand, so zu sprechen. Sie waren eifrig dabei, das gute Land für ihre Herden auf der anderen Seite zu erobern; aber trotzdem überqueren sie bemerkenswerterweise den Jordan mit den anderen. Es mag Gläubige geben, die den eigentlichen Segen nicht in Besitz nehmen; aber Gottes Absicht ist, dass sein ganzes Volk ihn besitzen soll. Deshalb wird besonders darauf geachtet, diese Rubeniter und Gaditer und den halben Stamm Manasse hervorzuheben, die so beeindruckt sind vom Wort Gottes und von der Aufgabe, die Josua gerade vor sich hatte, dass sie nun selbst die Rolle des Mahners übernehmen: „Nur sei stark und mutig!“ (V. 18). Das ist das erste Kapitel.