Behandelter Abschnitt Jak 4,11-12
Die nächste Ermahnung bezieht sich auf böses Reden und die Gesinnung des Richtens, die so oft seine Wurzel sind.
Redet nicht gegeneinander, Brüder. Wer gegen seinen Bruder redet oder seinen Bruder richtet, redet gegen das Gesetz und richtet das Gesetz. Wenn du aber das Gesetz richtest, so bist du nicht ein Täter des Gesetzes, sondern ein Richter. Einer ist der Gesetzgeber und Richter, der zu erretten und zu verderben vermag. Du aber, wer bist du, der du den Nächsten richtest? (4,11.12).
Hier war der geeignete Ort, um das besonders anzuwenden, wovor der Brief in Kapitel 2 allgemein gewarnt hatte, als er allen die Langsamkeit im Reden als auch im Zorn auferlegte. Dies wurde in Kapitel 3 fortgesetzt, wo es um die strenge Zügelung der Zunge vor allzu großer Bereitschaft zu lehren ging; denn schöne Worte und unschöne von denselben Lippen sollten nicht sein und können leicht Anlass zum Straucheln sein. Hier folgt die Entlarvung der inneren Quelle des Eigenwillens in Gewalt und Verdorbenheit, ohne die Schrift und den Geist gebührend zu beachten, der zum Gebet mit Unterwerfung unter Gott und Vertrauen auf Ihn und seine Gnade führt.
Die Ermahnung bezieht sich auf unseren gewöhnlichen, aber gottesfürchtigen Umgang miteinander. Die Notwendigkeit gottgefälliger Zucht steht nicht in Frage. Heilige Liebe ist verpflichtet, das Falsche in den Schuldigen zu tadeln und die zu warnen, die durch das schlechte Beispiel gefährdet werden könnten. Das Unrecht muss in diesen Fällen aufgedeckt werden, wenn auch in Trauer; aber es ist dem Herrn geschuldet und zum Nutzen der Betroffenen. Wenn es eine öffentliche Schlinge und Gefahr gibt, macht dies eine entsprechende Ermahnung zur Pflicht und ist Liebe in der Wahrheit.
Aber Verunglimpfung oder verwerfliche Anschuldigungen zu verbreiten, ohne einen Ruf Gottes nach seinem Wort, und ohne sich zu bemühen, das Wohl der vermeintlichen Übeltäter zu suchen, ist nicht nur weit von Christus entfernt, sondern sogar unter der Würde eines Juden. Es ist weder Wahrheit noch Liebe in der Verleumdung, sondern ständige Anfälligkeit für falsches Zeugnis: Einer Menge darf man nicht folgen, um solche unschönen Wendungen zu gebrauchen, ebenso wenig, um einen armen Mann in seiner Sache zu begünstigen. Die Nähe unserer Beziehung ist geneigt, Anlass zu freier Rede zu geben, aber sie sollte uns eindeutig eher zur größeren Vorsicht bringen. „Redet nicht gegeneinander, Brüder.“ Bitten oder Ermahnungen mögen angebracht sein; aber zornige und vor allem gewohnheitsmäßige Abwertung ist derer, die den Namen des Herrn nennen, unwürdig. Ist es zu verletzen? Wie betrachtet Er es? „Wer gegen seinen Bruder redet oder seinen Bruder richtet, redet gegen das Gesetz und richtet das Gesetz. Wenn du aber das Gesetz richtest, so bist du nicht ein Täter des Gesetzes, sondern ein Richter“ (V. 11). Nicht nur die lieblose Handlung, sondern auch die richterliche Anmaßung, die sie nach sich ziehen muss, wird hier mit durchsichtiger Deutlichkeit entlarvt. Der Bruder, gegen den gesprochen wird, mag unschuldig sein; der böse Redner befindet sich sicherlich in einer falschen Stellung und in einem schädlichen Zustand. Die Autorität, die alle anerkennen, verurteilt ihn, zumindest wegen der Beurteilung, den Richterstuhl an sich zu reißen und der Anfechtung der Autorität, auf die er sich beruft. Auch lässt Gott sich nicht spotten; denn wir ernten, was wir säen, wenn vom Fleisch, Verderben; wenn vom Geist, ewiges Leben. „Wenn du aber das Gesetz richtest, bist du nicht ein Täter des Gesetzes, sondern ein Richter.“ Wie wahr ist es, dass die, die am schnellsten andere tadeln, am wenigsten auf sich selbst achten und am meisten Korrektur für ihre unbedachten Wege und ihre voreiligen Urteile brauchen!
Wie ernst auch der Appell an das Gewissen! „Einer ist der Gesetzgeber und Richter, der zu erretten und zu verderben vermag.“ Wie ernst ist die Zurechtweisung derer, die so beleidigen! „Aber wer bist du, dass du deinen Nächsten richtest?“ (V. 12). Gnade und Selbstgericht allein können uns befähigen, das Böse zu verabscheuen und am Guten festzuhalten.