Von dem Übereifer zu lehren, ob mit oder ohne Gabe, kommen wir im nächsten Vers zu einem weitaus größeren Bereich der Vorsicht, der in der üblichen praktischen Weise, aber mit einzigartiger Eignung und Kraft veranschaulicht wird. denn wir alle straucheln oft. Wenn jemand nicht im Wort strauchelt, der ist ein vollkommener Mann, fähig, auch den ganzen Leib zu zügeln (3,2).
So wendet sich der Geist Gottes von der eitlen Bereitschaft, in der Öffentlichkeit zu lehren, zur Unbeugsamkeit der Rede im Allgemeinen: „denn wir alle straucheln oft“. Das Wort bezeichnet ein physisches Stolpern bis zum moralischen Versagen, wie in Kapitel 2,10, wobei der Übergang bereits in Römer 11,11 markiert wird; vergleiche auch 2. Petrus 1,10 mit dem doppelten Vorkommen in unserem Vers.
Zweifellos ist jeder Gläubige in aller Demut für sich selbst verantwortlich, für den Herrn dort zu sprechen, wo seine Herrlichkeit und sein Wille, seine Gnade und seine Wahrheit offenkundig sind. Wie viel wird leider gesagt, das keine höhere Quelle hat als sich selbst, wie verschleiert es auch sein mag! Aber das Ich, wenn es bekämpft wird, neigt dazu, in Streit und Parteibildung auszubrechen, mit all ihren tödlichen Begleiterscheinungen und Folgen. Auch werden keine Menschen mehr getäuscht als die, die sich selbst die besten Motive zuschreiben und sich nicht scheuen, die, die sie tadeln, mit abscheulichen Beschuldigungen anzugreifen. Es ist klar, dass Jakobus dieses beklagenswerte Übel nur zu gut kannte, wie auch die anderen inspirierten Schreiber; und vielleicht hat auch niemand so sehr unter der bitteren Erfahrung des Übels gelitten wie der Apostel Paulus. Es konnte nicht anders sein, wenn wir von dem Zustand der Galater auf der einen und der Korinther auf der anderen Seite lesen, und von seiner eigenen Verantwortung, über solch frühen Verfall sowohl im Blick auf die göttliche Wahrheit als auch die Wege des Herrn zu sprechen. Denn sie sind gewöhnlich mit einem sich selbst überhöhenden und rebellischen Geist verbunden.
Aber diese Diener des Herrn unterließen nicht die schärfste Anprangerung sowohl der Irrtümer als auch des moralischen Zustandes, ebenso wenig wie der Herr selbst, als Er hier in vollkommener Liebe war. Wer außer Ihm nannte Petrus Satan? Denn er war ein Ärgernis für Christus, weil er sich auf die liebenswürdigste Weise um die Dinge der Menschen kümmerte, nicht um die Dinge Gottes. Wie oft musste Er auch die Rivalität der Menschen bemerken und tadeln, die allein durch die Gnade veranlasst wurden, sich von anderen zu unterscheiden und nach ihrer eigenen Ehre zu trachten, wo Er den Weg zu Schande und Leiden jetzt wies (in deren unergründliche Tiefen Er allein eintrat), aber zur himmlischen Herrlichkeit mit Ihm bald! Sogar nachdem Er auferstanden war, was konnte Er den betrübten Zweiflern sagen, außer: „O ihr Unverständigen und trägen Herzen, an alles zu glauben, was die Propheten geredet haben?“ (Lk 24,25).
Nicht weniger schneidend tadelt Paulus die Korinther als fleischlich und wie Menschen wandelnd, denen er Milch und nicht Speise gab, weil sie es noch nicht vertragen konnten. Das waren die Männer, die bereit waren, über die Autorität und Praxis des Apostels zu urteilen! Wurden nicht die Zeichen eines Apostels unter ihnen in allem Ausharren vollbracht? Es war demütigend für sein Herz, dass er ein Wort darüber zu Gläubigen sagen musste, die ihm so sehr zu Dank verpflichtet waren. Aber er versäumt es nicht, mit Strenge zu sprechen, wie sehr es ihn auch schmerzt. Wie wenig wussten sie, was es ihn kostete, als sie wegen der Zurechtweisung erschraken! Wie weit waren sie davon entfernt, die gottgemäße Liebe zu empfinden, die hinter der Wahrheit steckte, die ihnen nicht schmeichelte, sondern ihre hochmütigen Gedanken und niedrigen Wege bloßlegte!
So tadelt der Apostel seine anderen Kinder im Glauben: „O ihr
unverständigen Galater! Wer hat euch bezaubert? ... Ich fürchte um euch,
dass ich etwa vergeblich an euch gearbeitet habe ... um die ich abermals
Geburtswehen habe, bis Christus in euch Gestalt gewinnt ... Die
Überredung ist nicht von dem, der euch beruft“ (
Vergessen wir nicht, welcher Geist es war, der sich früher gegen so treue Männer wie Mose und Aaron auflehnte oder ihnen vorwarf, zu viel für sich zu beanspruchen, „denn die ganze Gemeinde, sie alle sind heilig, und der Herr ist in ihrer Mitte“ (4Mo 16,3). Es war ihre eigene Selbstgenügsamkeit, die in ihrem Eifer, sich selbst zu erheben, seinen Willen und sein Wort überging. Und solche Selbstüberhöhung ist nicht veraltet. Es ist zunehmend der Zeitgeist und zeigt sich religiös noch mehr als in der profanen Welt.