Behandelter Abschnitt Jak 1,2-4
Daher beginnt er mit einem ermutigenden Aufruf an die, die in Gefahr waren, durch ihre Prüfungen kleinmütig und niedergeschlagen zu werden. Die Juden suchten natürlich nach äußeren Zeichen der göttlichen Gunst; doch die Psalmen und die Propheten offenbarten tiefere Dinge. Jakobus geht noch einen Schritt weiter.
Haltet es für lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei Prüfungen fallt, da ihr wisst, dass die Bewährung eures Glaubens Ausharren bewirkt. Das Ausharren aber habe ein vollkommenes Werk, damit ihr vollkommen und vollendet seid und in nichts Mangel habt (1,2–4).
Es ist das Gegenstück zu den Glückseligpreisungen unseres Herrn in Matthäus 5. Denn die Glückseligen sind in seinen Augen und in seinem Mund nicht nur unbedeutend in der Welt, sondern leiden unter ihr um der Gerechtigkeit willen und um Christi willen, sie sind arm im Geist, sanftmütig, trauern, hungern nach der Gerechtigkeit, sind barmherzig und anderes mehr. Sie werden aufgefordert, sich zu freuen und zu frohlocken, denn ihr Lohn ist groß im Himmel. So auch hier: „Haltet es für lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei Prüfungen fallt“ (V. 2). In dieser Welt der Sünde und des Verderbens wirkt Gott nicht nur in der Gnade, sondern führt eine Zucht der Gläubigen durch und verwandelt Prüfungen aller Art in eine Gelegenheit zum Segen für alle, die Ihn besitzen und seine Führung suchen. Der Eigenwille verhärtet sich gegen jede Prüfung, oder er gibt der Entmutigung und sogar der Verzweiflung nach. Der Glaube erkennt die Liebe, die sich nie verändert, und richtet das Ich, das sich seinem Willen widersetzt oder sein Wort verachtet; und wenn der Glaube sich unterwürfig beugt, erntet er Gewinn und wächst durch die Erkenntnis Gottes.
Daher ist der Gläubige berechtigt und ermutigt, es für jede Art von Freude zu halten, wenn er in verschiedene Prüfungen gerät, wie sie in der Tat von aller Art sein können. Es ist nicht so, dass Christen vom Leid ausgenommen wären – weit gefehlt, oder dass wir das Leid nicht fühlen würden, genauso wenig wie wir Gottes Gnade vergessen sollten. So führt uns die Prüfung zu Ihm, ohne den kein Sperling auf die Erde fällt und der die Haare unseres Hauptes alle gezählt hat. Trübsal kommt nicht aus dem Staub, noch entspringt die Not der Erde. Alles ist unter seiner Hand, der uns zu seiner Herrlichkeit gemacht hat und der inzwischen unseren Glauben in dieser bösen Zeit auf die Probe stellt und uns nicht nur an Geduld, sondern an Ausdauer gewöhnt.
So war es, als Christus hier auf der Erde wandelte und uns ein Beispiel hinterließ, damit wir seinen Fußstapfen folgen sollten. Seine Speise war, den Willen dessen zu tun, der Ihn gesandt hatte, und sein Werk zu vollenden. Seine Freude war in seiner Liebe und den herrlichen Ratschlüssen, die Er kannte und die bald offenbar werden. Er ertrug zwar das Kreuz, wie es nur Ihm möglich war; aber Er erlitt alles auf eine Weise, die Ihm selbst angemessen war, und dadurch lernte Er Gehorsam (denn vorher hatte Er nur befohlen). Doch was war nicht seine Freude, obwohl Er ein Mann der Schmerzen war und mit Leid mehr als alle anderen hinaus vertraut war! Er konnte die Städte, in denen die meisten seiner Wunderwerke vollbracht wurden, tadeln und tat es auch, weil sie nicht umkehrten; denn ihre Schuld war schlimmer als die schlimmsten Gerichte der Vergangenheit. Aber zu jener Zeit antwortete Er und sprach: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor Weisen und Verständigen verborgen und es Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, denn so war es wohlgefällig vor dir. ... Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen“ (Mt 11,25.26.29).
Auch hier wird der Grund der Freude mit der Trübsal erklärt: „da wir wissen, dass die Trübsal Ausharren bewirkt“, wie der Apostel in Römer 5,3 von den Gläubigen sagt. Beides ist gleichermaßen wahr; aber es ist klar, dass Trübsal keine solche Wirkung hervorbringen kann, wenn nicht der Glaube da ist, der die Prüfung erduldet. Und so war sein Gebet für die Kolosser, dass sie „gekräftigt mit aller Kraft nach der Macht seiner Herrlichkeit, zu allem Ausharren und aller Langmut mit Freuden“ wären (Kol 1,11). Der Charakter der inspirierten Schriften mag sich noch so sehr in der Eignung für Gottes Plan in jeder einzelnen Prüfung unterscheiden; aber es gibt auch über jeden Zweifel hinweg eine Einheit des Geistes in seinem offenbarten Sinn. Er kann sich selbst nicht verleugnen.
Eine wichtige Warnung wird hinzugefügt: „Das Ausharren aber habe ein vollkommenes Werk, damit ihr vollkommen und vollendet seid und in nichts Mangel habt“ (V. 4). Den Gegensatz dazu sehen wir bei Saul, dem König von Israel, der nicht bis zum Erreichen des Ziels ausharrte und das Königreich verlor (1Sam 14). Sogar bei David sehen wir ein Versagen des Ausharrens, als er auf der Flucht vor Saul Achis in Gat aufsuchte (1Sam 27-29). Christus allein war hierin wie in allem anderen vollkommen. Ausdauer soll ein vollkommenes Werk haben, wenn wir unseren eigenen Willen richten und auf Gottes Willen warten. Dann und nur dann sind wir vollkommen und ganz, in nichts mangelhaft. Das kann nicht im Widerspruch zu Jakobus 3,2 stehen.