Behandelter Abschnitt Jak 1,2-5
Verse 2-5 Glaube in Versuchungen
Die Aufforderung von Jakobus, es für Freude zu halten, wenn man in mancherlei Prüfungen fällt, schließt sehr schön an den Wunsch im vorhergehenden Vers an. Nach dem allgemeinen Gruß in Vers 1 nennt Jakobus seine Leser „meine Brüder“, und dadurch bringt er noch stärker zum Ausdruck, wie sehr er mit ihnen verbunden ist. Das zeigt außerdem, dass er nicht als Führer, sondern als Bruder zu ihnen spricht.
Ohne eine weitere Einleitung spricht Jakobus direkt über „mancherlei Prüfungen“. Er versetzt dich auf einmal in die Welt und zeigt, was du darin erleben kannst. In der Welt wird die Echtheit deines Bekenntnisses durch Prüfungen getestet. Für die Menschen, an die Jakobus schreibt, besteht die Prüfung vor allem in Armut. Vielleicht ist das auch bei dir so. Doch du kannst bei diesen Prüfungen auch an etwas anderes denken, zum Beispiel an Krankheit, eine Behinderung, Arbeitslosigkeit oder den Tod eines Geliebten. Das alles sind Prüfungen, die der Herr auf den Weg der Gläubigen bringt, um zu sehen, wem sie vertrauen. Jakobus spricht also zu Anfang über die Prüfung, ob der Glaube echt ist. Wie schon in der Einleitung gesagt, geht es ihm um die Praxis des Glaubenslebens. Man könnte sagen, dass die Welt mit ihren Versuchungen (im Griechischen dasselbe Wort wie für „Prüfung“) der Bereich ist, wo der Glaube geprüft wird.
Jakobus fordert seine Brüder auf, die Prüfungen, denen sie ausgesetzt sind, mit Freude anzunehmen. Ist das nicht ein bisschen viel verlangt? Es sieht auch noch so aus, als stünde das im Gegensatz zu dem, was Petrus sagt. Petrus sagt ja, dass Versuchungen Betrübnis bewirken (1Pet 1,6), und das kann man viel leichter verstehen. Doch es geht nur um einen scheinbaren und keinen wirklichen Widerspruch. Jakobus und Petrus gehen Versuchungen oder Prüfungen von zwei unterschiedlichen Gesichtspunkten aus an. Wenn du eine Prüfung erlebst, macht dich das traurig. Eine Prüfung erleidest du nicht stoisch, sie lässt dich nicht unberührt (Heb 12,11). Doch du darfst auch daran denken, dass Gott jede Prüfung in deinem Leben geplant hat. Gott beschäftigt sich mit dir. Bei Jakobus geht es um die Tatsache der Prüfung, und dabei weist er darauf hin, dass Prüfungen für jeden wieder anders sind. Deshalb spricht er über „mancherlei“ Prüfungen. Die Prüfung, die du erlebst, soll dich zu Gott hintreiben. Wenn das geschieht, ist das ein Ergebnis, das dich erfreut und vor allem Gott Freude macht. Auf diese Weise kannst du etwas von der Erfahrung nachempfinden, die Paulus machte, und die er so ausdrückt: „Als Traurige, aber allezeit uns freuend“ (2Kor 6,10).
Jakobus gibt auch den Grund an, warum seine Leser es für Freude halten sollen, wenn sie in Prüfungen fallen. Zugleich kann er ihnen sagen, dass sie ja das Ziel der Prüfungen kennen. Sie wissen ja, dass diese Prüfungen, durch die ihr Glaube geprüft wird, ihren Glauben stärken und auch zum Ausharren ermutigen sollen. Gott will uns mit den Prüfungen, in die wir fallen, lehren auszuharren. Ausharren ist der Beweis echten Glaubens. Nun könntest du sagen: „Hängt die Errettung denn doch von eigener Anstrengung ab?“ Nein, so ist das nicht. Die Errettung ist im Werk Christi verankert. Wenn wir jedoch sagen, dass wir errettet sind, wird das bewiesen, wenn wir im Glauben ausharren, auch wenn schwerste Prüfungen kommen.
Das Schwierigste an Prüfungen ist ihre Dauer. Manchmal kann man in einer plötzlichen Prüfung standhaft bleiben und weiter auf Gott vertrauen. Aber wehe, wenn die Prüfung länger andauert. Dann geht es gerade darum, Gott weiter zu vertrauen, dass Ihm die Sache nicht aus der Hand läuft. Dann ist es wichtig, den Glauben festzuhalten, dass Er nicht über Vermögen versucht (1Kor 10,13). Wenn eine Prüfung so lange dauert, dass du denkst: „Wann hört sie denn endlich auf?“, ist das eine Prüfung, die zum Ziel hat, dass das Ausharren ein vollkommenes Werk hat. Im Leben eines Christen ist Ausharren ein sehr wichtiges Kennzeichen. Wenn Paulus die Zeichen eines Apostels aufzählt, nennt er an erster Stelle „Ausharren“ (2Kor 12,12). Sowohl bei Jakobus als auch bei Paulus bedeutet das Wort Ausharren: Leid mit Ausharren (oder Geduld) ertragen. Genauso wie Jakobus zeigt auch Paulus die segensreichen Folgen des Ausharrens in Prüfungen (Röm 5,3-5).
Ein Beispiel für jemanden, bei dem das Ausharren kein vollkommenes Werk hatte, ist König Saul. Er konnte nicht auf Samuel warten und opferte vor der Zeit. Das kostete ihn das Königtum (1Sam 13,8-14). Aber auch David versagte in seinem Ausharren. Saul stellte ihm beständig nach. Dass die Prüfung so lange dauerte, wurde für David in einem bestimmten Augenblick zu viel, und er dachte bei sich: „Nun werde ich eines Tages durch die Hand Sauls umkommen“ (1Sam 27,1). Als einzigen Ausweg sah er die Möglichkeit, bei den Philistern Zuflucht zu suchen. Das verschaffte ihm die ersehnte Ruhe, denn Saul suchte ihn nicht länger; aber er verlor die Gemeinschaft mit Gott. Sein Ausharren hatte kein vollkommenes Werk, denn statt von Gott die Weisheit zu erbitten, was er tun sollte, überlegte er sich selbst, wie er da herauskommen konnte. Im Gegensatz zu Saul kommt David später auf den Weg mit Gott zurück; er hat bis zum Ende ausgeharrt.
Das Ausharren hält so lange an, bis du dich in einem bestimmten Fall vollständig dem Willen Gottes unterworfen hast. Ein vollkommenes Werk besteht nämlich darin, dass du dich ganz und gar dem Willen Gottes unterwirfst und dass sein Wille der deinige wird. Das ist ein Prozess, und der dauert das ganze Leben lang an. Bei dem Herrn Jesus gab es keinen Eigenwillen, dennoch wurde Er in allem versucht wie wir, ausgenommen die Sünde (Heb 4,15). Die Versuchung bewirkte bei Ihm, dass Er vollendet oder vollkommen gemacht wurde (Heb 5,7-10). Wenn dieses Werk in dir abgeschlossen ist und du dich vollständig dem Willen Gottes unterworfen hast, so dass sein Wille das Einzige ist, wonach du verlangst, dann bist du vollendet und vollkommen und hast an nichts Mangel. Das bedeutet nicht, dass du dann den ganzen Willen Gottes kennst und nichts weiter über den Willen Gottes zu lernen hättest. Vers 5 beweist das Gegenteil. Es geht darum, dass du im Willen Gottes für dein Leben und deine Umstände ruhig bist. Du vertraust Ihm, dass Er das Beste mit dir vorhat. Wenn du Ihm so hingegeben bist, kann Er dir seinen Willen bekannt machen. Er kann dann zu dir sprechen und dich auch gebrauchen.
Die Vollkommenheit, über die Jakobus hier spricht, hat nichts mit Sündlosigkeit zu tun. Auch wenn du Gott hingegeben lebst, kann es geschehen, dass du – wie gut deine Absichten auch sind – doch sündigst. Ein Beispiel dafür sieht man bei Petrus. Er wollte wirklich voller Hingabe für den Herrn leben. Er sagte sogar, dass er sein Leben für den Herrn Jesus geben wollte. Aber der Herr musste ihm sagen, dass er Ihn dreimal verleugnen würde. Bei all seinen guten Absichten war Petrus blind für seine eigene Schwachheit. Und weil er eines Tages auch noch die Warnung des Herrn in den Wind schlug, sündigte er, indem er den Herrn verleugnete. Glücklicherweise kam er zur Reue und empfing Vergebung (Lk 22,33.34; 54-62). Das Versagen des Petrus bestand darin, dass er in seinem Glauben nicht ausharrte, als er versucht wurde; ihm fehlte die Weisheit, sich richtig zu entscheiden und das rechte Bekenntnis abzulegen.
Um vor solchen Erfahrungen bewahrt zu bleiben, ist Weisheit nötig. Weisheit bedeutet, die Kenntnis anzuwenden, die man in den Umständen hat, in denen der Glaube auf die Probe gestellt wird. Weil der Glaube immer wieder auf die Probe gestellt wird, brauchst du ständig diese Weisheit. Du wirst sicher einen Mangel an Weisheit empfinden, wenn du dich mit dem Leben der dich umgebenden Welt beschäftigst. Mir geht es jedenfalls so.
Um weitergehen zu können, um ausharren zu können, ist es wichtig, die Absichten Gottes zu kennen. Das bedeutet, dass du zu Ihm ins Heiligtum gehen musst. Im Heiligtum siehst du, welchen Weg Gott mit dir gehen will. Du siehst auch, dass sein Ziel letzten Endes Segen ist. Was für ein gewaltiges Wort spricht Jakobus hier aus! Es ist eigentlich eine wunderbare Einladung. Jakobus lädt dich ein, Gott um Weisheit zu bitten. Er beschreibt, wie Gott auf diese Bitte antwortet. Gott beantwortet deine Bitte willig und großzügig, ohne dir einen Vorwurf zu machen. Wenn du Hilfe bei einem Menschen suchst, kann es sein, dass du einen Vorwurf bekommst. Man findet dich einfach unverschämt, oder man fühlt sich ausgenutzt oder sagt, du müsstest eben sehen, wie du zurechtkommst, weil man dir ohnehin nicht helfen kann. So etwas tut Gott nicht. Wenn du Ihn bittest, wirst du Ihn als einen gebenden Gott kennenlernen.
Er ist kein Fordernder, zu dem man als Bittsteller kommen muss, um Ihn zu erweichen. Nein, Er ist ein Gott, der gern sieht, wenn du kommst, der dir gern zuhört und dich gern erhört.