Behandelter Abschnitt Heb 12,25-29
Doch die Kraft des Christentums zeigt sich darin, dass es gläubige Juden nicht weniger als Heiden über alles, was auf der Erde zu sehen war oder ist, zu den unvergleichlich höheren Herrlichkeiten Christi zur Rechten der Majestät in der Höhe erhebt, die jetzt unserem Glauben offenbart werden. Das ist der Grundton des vorliegenden Briefes. Und da der in die Philosophie verliebte Heide von seinen eitlen Träumen befreit werden musste, können wir auf den Juden anwenden, was der Apostel in seinem zweiten Brief an die Korinther sagte: „Denn auch das Verherrlichte ist in dieser Beziehung nicht verherrlicht, wegen der überragenden Herrlichkeit“ (3,10), um nicht zu sagen, dass es in der Herrlichkeit verbleibt, anstatt in Christus abgeschafft zu werden, wie es die mosaische Haushaltung ist.
Seht zu, dass ihr den nicht abweist, der redet! Denn wenn jene nicht entkamen, die den abwiesen, der auf der Erde die göttlichen Aussprüche gab: wie viel mehr wir nicht, wenn wir uns von dem abwenden, der von den Himmeln her redet! – dessen Stimme damals die Erde erschütterte; jetzt aber hat er verheißen und gesagt: „Noch einmal werde ich nicht allein die Erde erbeben lassen, sondern auch den Himmel.“ Aber das „noch einmal“ deutet die Verwandlung der Dinge an, die erschüttert werden als solche, die gemacht sind, damit die, die nicht erschüttert werden, bleiben. Deshalb, da wir ein unerschütterliches Reich empfangen, lasst uns Gnade haben, durch die wir Gott wohlgefällig dienen mögen mit Frömmigkeit und Furcht. „Denn auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer“ (12,25–29).
Der Herr Jesus, der Sohn Gottes, wird im Neuen Testament als der Redende gesehen, der vom Himmel aus spricht. So ist es auch in diesem Brief: Gott hat zu uns im Sohn gesprochen, nicht nur in den Propheten (Heb 1,2). Die Person und der Ort verleihen seinem Reden höchste Autorität und unermesslichen Wert, zumal es auf der Grundlage jener ewigen Erlösung und der Reinigung von den Sünden geschieht, die Er selbst vollbracht hat, bevor Er sich zur Rechten der Majestät in der Höhe niedersetzte. Daraus ergibt sich die Gefahr, Ihn, der spricht, abzulehnen. Es geht nicht darum, uns zu entschuldigen, weil wir nicht in der Lage sind, die göttlichen Anforderungen zu erfüllen, wie es im Gesetz steht. Nun wird „der Wille Gottes“ durch den Herrn Jesus, den Sohn, vollbracht – so vollkommen in seinem Opfertod, dass Gott absolut verherrlicht wird; durch welchen Willen wir, die wir glauben, durch die Opferung seines Leibes ein für alle Mal geheiligt worden sind – ja mehr noch, ununterbrochen vollendet (εἰς τὸ διηνεκές), ohne jede Unterbrechung. Der Mensch, der schwache und schuldige Mensch, ist von diesem unermesslichen Tun, diesem unendlichen Leiden ausgeschlossen. Es ist Gott, der in seinem Sohn zu seiner eigenen Ehre handelt, damit der Gläubige vollkommen glückselig werde. Er ist daher aufgerufen, sich im Bewusstsein und im Bekenntnis seines Bösen vor Gott in seiner Gnade zu beugen, der, nachdem er so seinen Willen gewirkt hat, spricht, dass der Mensch hören und leben, glauben und gerettet werden kann, gesegnet jetzt und in Ewigkeit.
Solche, die ihren eigenen Gedanken und Gefühlen vertrauen, verweigern sich dem, der spricht. Sie bemühen sich, in sich selbst oder in der Natur der Dinge einen Grund zu finden; und sie bemühen sich vergeblich, denn weder der Mensch noch die Natur können eine Antwort darauf geben, warum der unreine und verdorbene Mensch dort angenommen werden sollte, um den Anteil der Heiligen im Licht zu teilen und schon jetzt kühn in das Allerheiligste einzugehen. Sie glauben nicht an den, der spricht; sie glauben nicht an die Wirksamkeit des Blutes Jesu. Der Grund liegt nicht im Menschen, noch weniger in der Natur, sondern in der Gnade Gottes, der sich selbst eine neue und ewige Herrlichkeit verschafft hat durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist. So kann Er es sich nicht nur leisten, alle zu erretten, die glauben, sondern auch die Unwürdigsten mit Freude zu erretten, wenn sie nur auf den hören, der spricht, seinen Sohn. Seht zu, dass ihr Ihn nicht abweist!
Gerade weil es Gott ist, der in seinem Sohn hervortritt, um das Werk zu tun, nachdem der Mensch (der in jeder Hinsicht mit der größten Geduld Gottes versucht wurde) in allem versagt hat, ist es fatal, sich für immer zu weigern, Ihn zu hören und sich zu beugen. Das Gesetz war das großartigste mögliche Experiment, um die Pflicht gegenüber Gott und den Menschen zu prüfen; und das Kreuz Christi beendete es durch die größte Sünde des Menschen gegen Gott und die Menschen. Aber an diesem Kreuz wurde der Wille Gottes für immer durch den erfüllt, dessen Tod alle Opfer für unsere Sünden vor Gott vollendete und abschloss. Es war das Werk Christi, es war der Wille Gottes, und der Heilige Geist bezeugt seine Wirksamkeit für immer. Dadurch werden unsere Sünden vergeben; und wo dies geschieht, gibt es kein Opfer mehr für die Sünde. Was ist ein unblutiges Opfer anderes als ein Hohn und Schlimmeres?
Wenn ihr also den, der spricht, ablehnt, habt ihr nichts als eure Sünden jetzt und den kommenden Zorn. Die Juden hatten in irdischen Opfern keine wirkliche Vergebung, sondern nur eine Erinnerung an Sünden. Ein unblutiges Opfer ist eine Nichtigkeit und nicht besser als das von Kain, und jetzt, nachdem Christus für die Sünden gestorben ist, noch anmaßender und schuldiger. Und alles andere Blut ist nicht fähig, Sünden wegzunehmen. Christus, der einmal geopfert wurde, um die Sünden vieler zu tragen, wird denen, die Ihn zum zweiten Mal erwarten, ohne Sünde zur Erlösung erscheinen. Für diese wird Er nichts mehr mit der Sünde zu tun haben, da Er diese Frage durch sein erstes Opfer beendet hat. Das zweite Mal wird Er seinem Volk zur Errettung erscheinen, wenn ihre Leiber gerettet sein werden, wie es jetzt ihre Seelen sind. Wenn ihr euch Ihm aber verweigert, erwartet euch das Verderben, „ewiges Verderben vom Angesicht des Herrn und von der Herrlichkeit seiner Stärke“ (2Thes 1,9), nicht die Vernichtung, die nur ein gottloser Traum vom Verderben ist. Und ist das nicht gerecht? „Denn wenn jene nicht entkamen, die den abwiesen, der auf der Erde die göttlichen Aussprüche gab: wie viel mehr wir nicht, wenn wir uns von dem abwenden, der von den Himmeln her redet! – dessen Stimme damals die Erde erschütterte; jetzt aber hat er verheißen und gesagt: ,Noch einmal werde ich nicht allein die Erde erbeben lassen, sondern auch den Himmel‘“ (V. 25.26). Wie klar, schlüssig und überwältigend! Es war verwerflich, die göttliche Warnung des Gesetzes abzulehnen; es ist unvergleichlich schlimmer, sich von dem abzuwenden, der von den Himmel her redet. Denn Er spricht nicht von dem Joch, das weder die Väter noch die Kinder zu tragen vermochten, und auch nicht von ihrer rebellischen Unnachgiebigkeit unter diesem Joch, sondern von der Erlösung durch sein eigenes Blut, der um ihrer Übertretungen willen verwundet und um ihrer Missetaten willen zerschlagen wurde, von dem Frieden, der durch das Blut seines Kreuzes bereits geschlossen wurde, und der zur Rechten Gottes sitzt als Zeuge der vollen Annahme für alle, die glauben. Sich von seiner Stimme abzuwenden, ist die schwerste Sünde und der sicherste Untergang.
Wollt ihr einen Beweis dafür? Seine Stimme erschütterte damals die Erde, als das Gesetz gegeben wurde; denn der Sohn war immer der, der sprach und handelte, nicht weniger Gott und der eine Herr als der Vater. Und bald wird seine Stimme wieder noch gewaltiger zu hören sein. Damals hörte Israel, nach und nach muss jedes Geschöpf hören. „Noch einmal“, sagt Er, „werde ich nicht nur die Erde erbeben lassen, sondern auch den Himmel“. Doch die Wirksamkeit seines Werkes ist so groß, dass es für die, die glauben, eine Verheißung“ ist. Was kann denen schaden, die sein Eigentum sind? „Wenn Gott für uns ist, wer gegen uns? Er, der doch seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat: wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken? Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben? Gott ist es, der rechtfertigt; wer ist es, der verdamme? Christus ist es, der gestorben, ja noch mehr, der [auch] auferweckt worden, der auch zur Rechten Gottes ist, der sich auch für uns verwendet. Wer wird uns scheiden von der Liebe des Christus?“ (V. 31‒35).
Was für die Ungläubigen eine schreckliche Bedrohung ist, ist für die Gläubigen eine Verheißung. Sogar das Erbeben des Himmels hat Er verheißen; es ist keine Bedrohung für uns, denn seine Liebe wird dann auf uns ruhen wie eh und je, und wir werden friedlich in alles eintreten, was zu seiner Herrlichkeit dient. Aus anderen Schriften wissen wir, dass wir dann mit Christus in der Höhe sein werden, aber die Worte können ein besonderer Trost für die gottesfürchtigen Juden sein, die Ihm folgen, wie wir an anderer Stelle gezeigt haben. „Aber das ,noch einmal‘ deutet die Verwandlung der Dinge an, die erschüttert werden als solche, die gemacht sind, damit die, die nicht erschüttert werden, bleiben“ (V. 27). Es ist nur die Schöpfung, die unter seinem Gericht vergeht, damit die neue Schöpfung allein bestehen kann. „Und der, der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu“ (Off 21,5). Und keine Worte sind wahrer und treuer. Sie werden sicher zu ihrer Zeit eintreffen. Aber das Wunder des Christen ist, dass dies im Prinzip schon jetzt für ihn wahr ist; nicht nur eine Verheißung, sondern eine Tatsache, zweifellos geistlich, aber nur deshalb umso wirklicher und beständiger und unveränderlich. Denn wenn jemand in Christus ist, ist er eine neue Schöpfung. Und das ist ein großer Fortschritt gegenüber einem alttestamentlichen Gläubigen, der von Gott gezeugt, von neuem geboren wurde, eine gesegnete und gottgegebene subjektive Realität. Aber wir haben nicht nur diese, sondern unseren Anteil an der objektiven Wirklichkeit. Wir sind in Christus, dem Auferstandenen, dem Anfang, dem Erstgeborenen aus den Toten. Das gilt für jeden Christen; wenn jemand in Christus ist, ist er eine neue Schöpfung. Die alten Dinge sind vergangen. Siehe, Neues ist geworden, und alles ist von Gott, der uns mit sich selbst versöhnt hat durch Jesus Christus (2Kor 5).
Daher sehen wir als Verheißung die Aufhebung des Gemachten, dieser Schöpfung, damit das Unveränderte bleibe, Gottes Absicht ist es, alles in Christus aufzuheben, alles mit sich selbst zu versöhnen; doch Er hat uns schon im Leib seines Fleisches versöhnt, doch nicht durch die Menschwerdung, sondern durch seinen Tod (vgl. Eph 1; Kol 1; Heb 2). Auch wir sind mit Christus gestorben und halten uns daher der Sünde für tot und Gott lebend in Christus Jesus. Die Beseitigung der erschütterten Dinge, der Dinge, die nicht in Christus sind, erweckt keinen Schrecken, sondern Frieden, und wir jubeln über die Herrlichkeit Gottes. „Deshalb, da wir ein unerschütterliches Reich empfangen, lasst uns Gnade [o. Dankbarkeit] haben, durch die wir Gott wohlgefällig dienen mögen mit Frömmigkeit und Furcht. Denn auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer“ (V. 28.29). Siehe das schöne Bild davon in Offenbarung 4, wo die verherrlichten Ältesten völlig unberührt sind von den Blitzen und Donnern und Stimmen, die vom Thron ausgehen; wenn aber die lebendigen Wesen dem, der darauf sitzt, die Ehre geben, werden sie alle aktiv, verlassen ihre Throne, fallen vor Ihm nieder und werfen ihre Kronen vor den Thron und sagen: „Du bist würdig, o unser Herr und unser Gott“ (V. 11). Und dies wird offenbart, um jetzt auf uns einzuwirken. Denn wir sind schon befähigt, wahre Anbeter in der Stunde, die jetzt ist, zu sein und in Geist und Wahrheit anzubeten. Aus Gnade fürchten und lieben wir Ihn und wollen Ihm dienen. Zweifellos ist „unser“ Gott ein verzehrendes Feuer; nichtsdestoweniger ist Er unser Vater, der uns vollkommen liebt. Und Er liebt uns gleichermaßen als „Gott“. Nicht minder hasst Er die Sünde, wie Er im Kreuz Christi bewiesen hat; und Er hat uns eine Natur gegeben, die die Sünde hasst, sogar Christus, der in uns lebt, wie Er für uns gestorben ist. Es gibt nichts, was der Wahrheit mehr widerspricht, als die Gnade zu einem Schleier oder einer Entschuldigung für die Sünde zu machen, wie jeder Gläubige bekennt. Deshalb sagt der Apostel zu den Gläubigen in Rom: „Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade“ (6,14). Wären wir unter dem Gesetz, so wäre es für die Heiligkeit machtlos und könnte nur verurteilen, da es ein Dienst des Todes ist. Christus ist die Regel des Lebens, die durch den Heiligen Geist an und in uns wirkt.