Behandelter Abschnitt Heb 11,17-19
Keine Auslegung ist weiter von der Wahrheit entfernt als die von Grotius und seinen Anhängern, die sich nicht über Judäa und Jerusalem in einem besseren Zustand erheben können. Wäre dies alles, was Gott im Leben und Sterben dieser Väter gesehen hat, hätte Er sich ihrer geschämt, „ihr Gott genannt zu werden“ (V. 16). Aber es ist nicht so. Sie waren Männer des Glaubens und blickten nach oben, nicht als bloßes Gefühl, sondern in lebendiger Kraft, wie es ihre Verleumder nicht taten. Und Gott ist nicht der Gott der Toten, sondern der Lebenden. Sie leben für Ihn und werden mit Christus in der Herrlichkeit erscheinen, wenn die Verheißungen auch an jenem Tag der Vergeltung voll wirksam werden. Gott hat ihnen eine Stadt bereitet, die besser ist, als das Auge des Menschen sie sieht.
Am Ende dieser Beispiele für die Geduld des Glaubens steht die krönende Prüfung Abrahams, die einen würdigen Abschluss der Aufzählung bildet:
Durch Glauben hat Abraham, als er geprüft wurde, Isaak geopfert, und der, der die Verheißungen empfangen hatte, brachte den Eingeborenen dar, über den gesagt worden war: „In Isaak wird dir eine Nachkommenschaft genannt werden“; wobei er urteilte, dass Gott auch aus den Toten aufzuerwecken vermag, von woher er ihn auch im Gleichnis empfing (11,17–19).
Es war in der Tat die denkbar härteste Prüfung für den Vater der Gläubigen, der nicht nur seinen einzigen Sohn und Erben dem Altar übergab und mit eigener Hand opferte, sondern allem Anschein nach auch die Verheißungen für seinen Nachkommen und damit den Segen für alle Geschlechter der Erde aufs Spiel setzte. Auch die natürliche Zuneigung und die religiöse Hoffnung, die durch Gottes Wort in Isaak zu einem hohen Grad und weitem Ausmaß erweckt worden waren, schienen durch einen solchen Befehl willkürlich, betrüblich und unwiderruflich verlorenzugehen. Aber wir sehen mit Jakobus, dass der Glaube mit seinen Werken zusammenwirkte und dass der Glaube durch die Werke vollendet wurde (Jak 2,22). In früheren Tagen glaubte er in der Hoffnung, Vater vieler Völker zu werden: „was gesagt ist: ,So wird deine Nachkommenschaft sein‘“ (Röm 4,18). Nun, da das Kind der Verheißung gegeben war, wie gewaltig war die Veränderung, die der so wahre und gnädige Gott ihm gab! Und doch zögerte er durch seinen Unglauben nicht mehr als zuvor bei der Verheißung, trotz ihrer völligen Unwahrscheinlichkeit, und das in einer Form, die für ihn sehr schmerzhaft war. Das ist der Glaube, in dem Abraham die Kraft fand, Gott die Ehre zu geben, wie es der wahre Glaube tut.
Aber es gibt noch etwas Wertvolleres und besonders Lehrreiches an diesem Beispiel, das Abraham nach der allgemeinen Erwähnung der Patriarchen den letzten Platz einräumt. Nirgendwo im Alten Testament finden wir ein solch absolutes Vertrauen in Gott, wie wenn der Vater sich bereit zeigt, seinen einzigen Sohn zu opfern, mit dem alle Verheißungen Gottes und seine eigenen Erwartungen verbunden sind. Für den Menschen ist der Tod das Ende der Hoffnung; für Gott ist er nur die Gelegenheit, die Macht der Auferstehung auszuüben; und in der Gewissheit seiner Macht für Isaak vertraute Abraham ohne zu zögern. Er stand frühmorgens auf, nahm Isaak, seinen geliebten Sohn, und „am dritten Tag“ sah er den Ort von fern. Dort angekommen, baute er den Altar, schichtete das Holz auf, band Isaak, legte ihn auf den Altar und nahm das Messer, um ihn zu töten, als der Engel des Herrn im letzten Moment dazwischentrat. Der Beweis war erbracht. Der Glaube konnte nun nicht mehr weitergehen. Er war absolut sicher, dass Gott den Nachkommen (mit den Verheißungen im Nachkommen), der auf sein Wort hin in den Tod gegeben worden war, in der Auferstehung wieder erwecken würde. Welch ein neuer Gewinn für Abraham, wie für alle, die in seinem Willen alles aufgeben, was dem Fleisch lieb ist, um in der Auferstehung alles besser als je zuvor zu empfangen! Im Gleichnis hat Abraham seinen Sohn wie von den Toten auferweckt empfangen.
Gott selbst hat in diesem feierlichen Vorgang das Bild seiner eigenen Gabe des eingeborenen Sohnes Gottes gesehen, den Er nicht verschont, sondern für uns alle hingegeben hat (Röm 8,32). Für Ihn war und konnte kein Ersatz gefunden werden, wenn unsere Sünden gerichtet, getragen und ausgelöscht werden sollten. Im Gegenbild hat Gott, viel wahrhaftiger und vollständiger als im Vorbild, selbst das Lamm zum Brandopfer gegeben, in seinem Sohn das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt (Joh 1,29). In seinem Fall war der Tod so real wie die Auferstehung; und die Wirksamkeit des Todes des Erlösers war so, dass, während die besonderen Verheißungen für die zahlreiche Nachkommenschaft an einem anderen Tag, der sich schnell nähert, bestehen bleiben, der eine auferstandene Nachkomme in Ihm zum Segen wird, wie der Apostel den Galatern zeigte (Gal 3), für die Heiden ebenso frei wie für die Juden. Es war außerhalb des Fleisches und jenseits des Gesetzes, aus Gottes Gnade, gegründet auf das Opfer und verkündet in der Auferstehung, wobei die himmlische Herrlichkeit ihr Ziel und ihre eigentliche Darstellung ist.
Seht, wie Christus in diesem wie in jedem anderen Fall die Wahrheit deutlich gemacht hat; denn Er ist tatsächlich die Wahrheit. Er war das wahre Weizenkorn, das, wenn es nicht in die Erde fällt und stirbt, allein bleibt; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht. Er ist gekommen, damit die Gläubigen das Leben haben und es in Fülle haben. Er ist der gute Hirte und hat sein Leben für die Schafe hingegeben. Und darum hat Ihn der Vater geliebt, weil Er sein Leben hingegeben hat, um es wiederzunehmen. Niemand hat es von Ihm genommen, sondern Er hat es von sich aus hingegeben (Joh 10,17.18). Er, und nur Er, hatte aufgrund der Herrlichkeit seiner Person sowohl das Recht als auch die Macht, es zu lassen; ebenso hatte Er allein die Autorität, es wiederzunehmen. Daher wurde Er, der Sohn des Menschen, im Tod verherrlicht, und Gott wurde in Ihm verherrlicht. Und da Gott so in Ihm moralisch verherrlicht wurde, verherrlichte Gott Ihn auch in sich selbst und verherrlichte Ihn sofort nach der Erlösung zu seiner Rechten, anstatt noch auf den Tag zu warten, an dem Er in Macht und Herrlichkeit für das Weltreich wiederkommen wird. Es war Christus, der weggetan wurde und nichts hatte (Dan 9,26); aber wenn Er so seine Rechte als Messias aufgab und in seinem Tod die Erlösung vollbrachte, dann hat Gott Ihn auferweckt, um nicht nur alles zu erhalten, was verloren schien, sondern „etwas Besseres“, um Erbe aller Dinge im Himmel und auf der Erde zu sein und um himmlische Miterben zu haben, ebenso wie sein altes Volk und alle Nationen hier auf der Erde.