Behandelter Abschnitt Heb 10,5-7
Ein innerer und ewiger Wert war nicht vorhanden und konnte auch nicht in jenen Opfern von Geschöpfen vorhanden sein, die, weit davon entfernt, die Schuld wirksam zu tilgen, durch ihre notwendige Wiederholung bezeugten, dass die Sünden noch vorhanden waren und immer wieder vor Gott ins Gedächtnis kamen. Aber Er hatte ein Opfer von edlerem Namen und reicherem Blut im Sinn als sie. Ja, inmitten des levitischen Systems hatte Er seine Unzufriedenheit damit ausgedrückt, was seinem eigenen Wesen und dem Bedürfnis seines Volkes so wenig entsprach. Alles hing wirklich von dem Einen ab, der kommen würde, nicht von dem ersten, sondern vom zweiten Menschen. Beides wird im nächsten Zitat deutlich gelehrt.
Darum, als er in die Welt kommt, spricht er: „Schlachtopfer und Speisopfer hast du nicht gewollt, einen Leib aber hast du mir bereitet; an Brandopfern und Opfern für die Sünde hast du kein Wohlgefallen gefunden. Da sprach ich: Siehe, ich komme (in der Rolle des Buches steht von mir geschrieben), um deinen Willen, o Gott, zu tun“ (10,5–7).
Er war nicht nur gekommen, den Willen Gottes bekanntzumachen, sondern auch, um ihn zu erfüllen. Das, was vorher festgelegt worden war, entsprach dem damaligen Zustand des Menschen, der unvollständig, irdisch und vorübergehend war. Von Anfang an hatte Gott das Göttliche und Dauerhafte in Aussicht gestellt, das jedoch im Menschen und allein für den Menschen vollkommen ist. Das hat der Unglaube nie gesehen, denn der Wille des Menschen ist immer gegen Gott, fürchtet sein Gericht, glaubt nicht an seine Gnade und sucht nur sich selbst. Der Glaube aber schaute auf Christus und fand im Bewusstsein der Sünde und des Verderbens nirgendwo anders Ruhe. Und als Er in die Welt kam, war sein Auge einfältig, sein ganzer Leib voller Licht, wie wir es in Psalm 40 finden. Er sprach die Wahrheit, kostete es, was es wollte; und es hat Ihn alles gekostet. Er erkennt, dass sein Werk, das selbst das gewaltigste aller Opfer ist, an die Stelle derjenigen treten muss, die Gott vorläufig eingesetzt hatte; es vollendet nicht nur jedes von ihnen, sondern ersetzt sie alle, weil die Vollkommenheit erst jetzt in Ihm gefunden wurde. Friedensopfer (oder Dankopfer) entsprachen ebenso wenig dem Willen Gottes wie Opfergaben oder Speisopfer: Anstelle beider bereitete Er einen Leib für seinen Sohn, den Messias. Das entspricht genau den offenbarten Tatsachen der Menschwerdung. Er sollte von der Frau geboren werden, also vollkommener Mensch wie Adam, aber vom Heiligen Geist gezeugt, wie es weder Adam noch ein anderer war: So wahrhaftig hat Gott einen Leib für den Sohn bereitet, dass Er auch in der menschlichen Natur allein der Heilige Gottes sein würde. Auch sonst wäre es für den Sohn passend gewesen, weder als ständiger Gegenstand des Wohlgefallens des Vaters während der Tage seines Fleisches, noch als angemessenes Gefäß für die Kraft des Heiligen Geistes im Dienst, noch am Ende als Sündopfer. Wie anders als wir, die wir, sogar wenn wir aus Gott geboren sind, nur unter der Wirksamkeit seines Blutes gesalbt sind! Sein Leib war der Tempel Gottes ohne Blut.
Dr. Randolph hat, wenn ich mich nicht irre, in seiner ausführlichen Untersuchung von Zitaten aus dem Alten Testament im Neuen Testament den Versuch aufgegeben, den Zufall in der LXX aus der hebräischen Form des letzten Satzes in Vers 5 zu erklären; und so lässt auch der verstorbene Dean Alford „die Schwierigkeit ungelöst“. Es gibt keinen hinreichenden Grund für die Annahme, dass eine falsche Lesart zu jener griechischen Version geführt hat, der Abp. Ussher (vii. 517), gefolgt von Ernesti, Michaelis, Semler und so weiter, bis hin zu Bleek in unserer Zeit. Die Tatsache, dass der Hebräerbrief sie nicht als wörtliche Wiedergabe, sondern als wesentlichen Sinn annimmt, ist von tiefem Interesse und lehrreich; und dies hat sich den ehrfürchtigsten und kompetentesten Lesern bis in die heutige Zeit empfohlen. Die Anspielung ist weder auf 4. Mose 21,6 noch auf Jesaja 1,5: Psalm 40,6 (7) unterscheidet sich von beiden, obwohl alle drei vom Messias handeln.
Denn erstens bezieht sich der Heilige Geist in diesem Psalm auf die Annahme der menschlichen Natur in einem Zustand, der sich von dem des gefallenen Menschen völlig unterscheidet, sogar von seiner jungfräulichen Mutter. Das Bild von den „gegrabenen Ohren“, die nicht nur geöffnet oder durchbohrt sind, ist der markante Ausdruck dafür. Andere Ohren waren durch die Sünde taub; Gott allein grub für Ihn, da Er immer nur hörte und gehorchte und so „nicht von Brot allein lebt, sondern von jedem Wort, das aus dem Mund des Herrn hervorgeht“ (5Mo 8,3). „Einen Leib hast du mir bereitet“ ist eine gute Entsprechung darauf und gibt den Sinn, den alle nicht so leicht aus dem hebräischen Satz ziehen können.
Dann kommt die Anwendung des Propheten, der von dem Messias spricht, der morgens erwacht, um zu hören. „Der Herr, Herr hat mir das Ohr geöffnet“ (Jes 50,4). Es ist nicht allein das heilige Menschsein, das Ihm von Anfang an gegeben war, sondern seine Gewohnheit der täglichen Abhängigkeit als „der Knecht“.
Das Vorbild im Gesetz vervollständigt die Sache; denn das vermittelt, dass Er sich am Ende seines treuen Dienstes, als Er frei hätte ausgehen können, (in Liebe zu seinem Herrn, seiner Frau und seinen Kindern) sein Ohr mit einem Pfriem „durchbohren“ ließ, als Zeichen dafür, dass Er auf ewig dient (2Mo 21,6). Es ist sein Tod zur Ehre Gottes und das Leben und der Segen aller, die glauben. Unser Text bezieht sich auf die göttliche Zubereitung eines Leibes für den Messias, der für sein würdiges Werk geeignet ist.
„An Brandopfern und Opfern für die Sünde hast du kein Wohlgefallen gefunden“ (V. 6). Die letzten Worte sind immer noch die kräftige Wiedergabe der Septuaginta, keine genaue Wiedergabe des hebräischen „du hast nicht gefragt“. Die Menschen gaben sich leicht zufrieden und vertrauten darauf, dass Gott mit freiwilligen Opfern zufrieden war, wenn es ihnen gut ging, und kein offensichtliches Übel verlangte nach Opfern für die Sünde. Aber Gott hat immer darauf geachtet, dass sein Wille geschieht – was für den ersten Menschen, der gefallen ist, ganz unmöglich ist, und weit über ihm steht, sogar wenn er nicht gefallen wäre. Dazu erschien der, der zugleich Sohn Gottes und Sohn des Menschen war, wie es in einer dem Vater und dem Sohn bekannten Rolle geschrieben stand. Es war in der Tat eine Absicht, bevor der Mensch oder die Welt existierte, deren Frucht im neuen Himmel und auf der neuen Erde bleiben wird, wenn die Zeit in die Ewigkeit mündet, in Wohl und Wehe. „Da sprach ich: Siehe, ich komme (in der Rolle des Buches steht von mir geschrieben), um deinen Willen, o Gott, zu tun“ (V. 7).
Das war der Platz, den Christus hier auf der Erde einnahm. Adam, umgeben von allem, was sehr gut war, versagte völlig, sogar als er auf die geringste Probe gestellt wurde. Die Menschheit hatte nicht einmal den Wunsch, noch nicht einmal die Vorstellung. Der Eigenwille kennzeichnete alle Völker, am stärksten (vielleicht kennen wir sie deshalb am besten) die Griechen und die Lateiner. Alle haben gesündigt, diese ganz besonders: Nichts ist in den Augen beider Völker absurder, als den eigenen Willen aufzugeben, um nur den Willen Gottes zu tun. Und was kann man von Engländern, Franzosen, Deutschen und so weiter sagen, da Christus diesen einzigen Weg der Vollkommenheit für den Menschen hier auf der Erde vorgezeichnet hat? Ach, der zweite Mensch ist auch der letzte Adam. Nicht, dass nicht viele, viele Tausende seinen Schritten im Glauben und in der Liebe gefolgt wären, durch Ihn, der sie gestärkt und geleitet hat, doch wie schwach und weit entfernt sind selbst die, die Ihm am nächsten standen? Denn so groß die Herrlichkeit seiner Person war, so groß war auch seine Ergebenheit, was auch immer die Prüfung sein mochte. Obwohl Er Sohn war, lernte Er den Gehorsam (der ihm als wahrhaft göttlichem Wesen vorher völlig neu war) durch die Dinge, die Er erlitt, „da er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,6-8). Andere hatten Wunder getan, den Seinen versprach er größere Werke, als Er selbst getan hatte, weil Er zum Vater ging; aber welcher Mensch war je gehorsam wie Er? Wer, sogar als Gläubiger, könnte wie Er sagen, dass er nie seinen eigenen Willen getan hat? Er, und nur Er, hatte das Recht zu sagen: „Siehe, ich komme …, um deinen Willen, o Gott, zu tun“?
Da die Person höchst herrlich war und der Leib durch ein Wunder heiligen Charakters und heiliger Kraft so beschaffen, wie nur Gott es sein konnte, werden wir finden, dass das Ende jenes wundersamen Weges würdig war, auf den der Geist Gottes wie eine Taube herabkam und sich auf Ihm niederließ, und die Stimme des Vaters aus den Himmeln sah sich endlich veranlasst, sein bis dahin unaussprechliches Schweigen mit den Worten zu brechen: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe“ (Mt 3,17; 17,3). Freiwillig war Er gekommen, um seinen Vater zu verherrlichen; doch weil Er gekommen war, behielt Er die Stellung eines Menschen, um unbeirrt den Willen Gottes zu tun.