Behandelter Abschnitt Heb 3,7-13
Es ist eindeutig nicht unsere Stellung, die in Frage steht; denn dieses Sein, das ganz und gar von Gott und in Christus ist, ist fest, sicher und unveränderlich. Es gibt kein „wenn“, weder in Bezug auf das Werk Christi noch in Bezug auf die Frohe Botschaft der Gnade Gottes. Alles, was es gibt, ist bedingungslose Gnade für den Glauben. Die Reise durch die Wüste steht vor uns und ergibt sich ganz einfach aus der Anspielung auf Mose. Und diese wird mit offensichtlicher Eignung in dem Zitat aus Psalm 95 fortgesetzt. Hier hat das Wenn seinen notwendigen Platz, denn es ist unser Weg durch die Wüste, wo es so viele Gelegenheiten zum Straucheln gibt, und wir brauchen ständige Abhängigkeit von Gott.
Deshalb, wie der Heilige Geist spricht: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht, wie in der Erbitterung, an dem Tag der Versuchung in der Wüste, wo eure Väter mich versuchten, indem sie mich prüften, und sie sahen doch meine Werke vierzig Jahre. Deshalb zürnte ich diesem Geschlecht und sprach: Allezeit gehen sie irre mit dem Herzen; aber sie haben meine Wege nicht erkannt. So schwor ich in meinem Zorn: Wenn sie in meine Ruhe eingehen werden!“ Gebt Acht, Brüder, dass nicht etwa in jemand von euch ein böses Herz des Unglaubens sei in dem Abfallen von dem lebendigen Gott, sondern ermuntert euch selbst an jedem Tag, solange es „heute“ heißt, damit niemand von euch verhärtet werde durch Betrug der Sünde (3,7–13).
Nun ist Psalm 95 in seiner offenen Kraft ein letzter Ruf des Geistes Christi an Israel im Hinblick auf den großen Morgen, wenn das Reich für die Erde in der Macht und Herrlichkeit der Gegenwart des Messias eingeführt wird. Deshalb sollen sie seine Stimme „heute“ hören (V. 7). Daher ist der Psalm wirklich anwendbar, da die Apostel die Menschen zum Glauben an das Evangelium im Hinblick auf das Erscheinen Christi aufriefen. Aber nirgends ist es so treffend wie hier, wo es den Hebräern nahegelegt wird.
Seine Stimme zu hören, ist das Merkmal der Schafe Christi. So drückt es der verworfene Sohn Gottes in Johannes 10,3.4.16.27 aus (vgl. Joh 5,24). Davon hängen die gesegnetsten Dinge ab; denn die Verwerfung seiner Stimme bedeutet, sich in Trauer niederzulegen und die Beute eines mächtigeren Rebellen als der Mensch zu werden. Es ist das Werk des Geistes, einem bisher Tauben zu geben, Ihn zu hören, nach seinem Willen, der auf dem „heiligen Berg“ sprach (Mt 17,5; Mk 9,7; Lk 9,35). Es ist Leben, ewiges Leben.
Leider war es leicht, nur mit dem äußeren Ohr zu hören und das Herz zu verhärten, wie Stephanus warnte. „Ihr Halsstarrigen und Unbeschnittenen an Herz und Ohren! Ihr widerstreitet allezeit dem Heiligen Geist; wie eure Väter, so auch ihr“ (Apg 7,51). Die Sünde liegt im Maß der Wahrheit, die gehört und verachtet wird; und welches Zeugnis kann Gott denen geben, die die Stimme des nicht nur gedemütigten, sondern auch verherrlichten Christus, der für die Sünder gestorben ist, zurückgewiesen haben? Gerade die Glückseligkeit des Evangeliums, die „so große Erlösung“, zeigt die Verzweiflung der Not und die Unmittelbarkeit der Gefahr.
So, wenn auch nicht in gleichem Maß, war es bei dem alten Israel „in der Erbitterung, an dem Tag der Versuchung in der Wüste“ (V. 8). Die Anspielung bezieht sich auf Meriba und Massa, die die Septuaginta so übersetzt (vgl. Ps 95,8). Die Septuaginta gibt jedoch in 2. Mose 17,7 nicht „Erbitterung“ wie in den Psalmen an, sondern „Schmähung“ wie auch in Vers 2. An anderer Stelle wird Meriba mit ἀντιλογία, Widerspruch, wiedergegeben. Massa wird einheitlich mit πειρασμός, Versuchung, übersetzt, und zwar gegen Gott, so wie sich der Streit oder die Schmähung unmittelbar gegen Mose richtete. Die Versuchung des Herrn in der Wüste war die Frage: Ist der Herr unter uns oder nicht? Für Ungläubige mag dies ein geringes Vergehen sein; in den Augen Gottes und des Glaubens ist es abscheulich. Hatte Er nicht den Stolz und die Macht Ägyptens um seines armen, unwürdigen Volkes willen gebrochen? Hatte Er sie nicht aus dem Haus der Knechtschaft herausgeführt, triumphierend, als ihr Führer und ihre Nachhut, um unter ihnen zu wohnen und ihr Gott zu sein?
Mose sagte zu Israel: „Denn frage doch nach den früheren Tagen, die vor dir gewesen sind, von dem Tag an, als Gott den Menschen auf der Erde geschaffen hat, und von einem Ende des Himmels bis zum anderen Ende des Himmels, ob je eine solch große Sache geschehen oder ob dergleichen gehört worden ist. Hat je ein Volk die Stimme Gottes mitten aus dem Feuer reden gehört, wie du sie gehört hast, und ist am Leben geblieben? – Oder hat Gott je versucht zu kommen, um sich eine Nation aus der Mitte einer Nation zu nehmen durch Prüfungen, durch Zeichen und durch Wunder und durch Krieg und mit starker Hand und mit ausgestrecktem Arm und durch große, furchtbare Taten, nach allem, was der Herr, euer Gott, in Ägypten vor deinen Augen für euch getan hat?“ (5Mo 4,32‒34). Und war Er auf dem ganzen Weg durch die Wüste weniger für sie da mit dem täglichen Manna und dem fließenden Wasser, mit behütender Fürsorge und lenkender Barmherzigkeit, trotz ihres ständigen Murrens und ihrer Widerspenstigkeit, ihres Ungehorsams und ihrer hartnäckigen Rebellion von Zeit zu Zeit? Er war zwar gerecht und verabscheute das Böse; aber welch unermüdliches Mitleid und unerschütterliche Güte war in Ihm! Wahrlich, sie versuchten Ihn, indem sie Ihn inmitten der unaufhörlichen Zeichen seiner treuen Gegenwart auf die Probe stellten. Es war schlimm für die von den Begierden und der Macht des Satans verblendeten Heiden, wegen der Züchtigungen durch Israels Sünden zu sagen: Wo ist ihr Gott? Wie viel schlimmer war es für sie, zu fragen: Ist der Herr unter uns oder nicht? Und sie versuchten Gott in ihrem Herzen, indem sie Fleisch für ihre Begierde verlangten. ... Wie oft haben sie sich in der Wüste gegen ihn aufgelehnt und Ihn in der Wüste betrübt! Und sie kehrten um und versuchten Gott und reizten (oder begrenzten) den Heiligen Israels (Ps 78,18.41.42). Das Mindeste, was einem solchen Volk vor einem solchen Gott zustand, war, sich selbst zu richten und in der Gewissheit seiner gnädigen Macht voranzugehen. Aber das tat Israel nicht, obwohl sie „meine Werke vierzig Jahre“ sahen (V. 9.10). „Deshalb zürnte ich diesem Geschlecht und sprach: Allezeit gehen sie irre mit dem Herzen; aber sie haben meine Wege nicht erkannt“ (V. 10). Gerade weil Er gerecht und wahrhaftig ist, spürte Gott so tief die widerspenstige und betrügerische Erhebung Israels gegen seinen Willen. Ihr Fehler lag nicht in ihrem Verstand, sondern in ihrem Herzen: Deshalb lernten sie Gottes Wege nie kennen, sondern ignorierten sie. Mose fürchtete und liebte Ihn wahrhaftig: Nur so werden seine Wege entdeckt und erfreut man sich daran, wie es in einem anderen Psalm heißt: „Er tat Mose seine Wege kund, den Kindern Israel seine Taten“ (103,7). Über seine offensichtlichen Taten hinaus haben sie nichts erkannt. „So schwor ich in meinem Zorn: Wenn sie in meine Ruhe eingehen werden7!“ Ein ernstes Urteil des Ausschlusses. Im Mund des Menschen ist es herausfordernd, Gott tue mir dies und mehr, wenn …! Im Mund Gottes ist die Bedingung für den Eintritt des Menschen die moralische Gewissheit, dass es mit ihm vorbei ist. Das Gute ist einzig und allein aus Gnade. Es gibt kein Eingehen in die Ruhe Gottes, wenn es von den Verdiensten des Menschen abhängt. Wenn sie eintreten sollen, bedeutet das für Ungläubige, dass sie nicht eintreten werden.
7 d. h. sie werden nicht eingehen.↩︎