Behandelter Abschnitt Titus 3,10-11
Dies ist nun von Bedeutung, um uns zu einer wahren und gerechten Unterscheidung der Anweisung des Apostels an Titus zu verhelfen, in der es einen tatsächlichen Fortschritt gegenüber den Warnungen an die Korinther und Galater gibt. Es wird angenommen, dass es auf Kreta einen Sektierer gab oder geben könnte, mit dem man sich befassen musste. Ein solcher war im Hochmut seines Herzens ausgegangen und sollte nach der Ermahnung zurückgewiesen werden:
Einen sektiererischen Menschen weise ab nach einer ein- und zweimaligen Zurechtweisung, da du weißt, dass ein solcher verkehrt ist und sündigt, wobei er durch sich selbst verurteilt ist (3,10.11).
Hier wird das Übel nicht in der verschärften Form der Irrlehre ausgedrückt; und folglich sind wir nicht berechtigt, die Sünde der Abtrünnigkeit an sich, von der die Stelle lediglich spricht, zu erleichtern, indem wir den Fall um seine weitaus schwerwiegendere Form ergänzen, als er von Petrus zu einem späteren Zeitpunkt angeprangert wird. Mit „Sektierer“ meint der Apostel jeden, der an der Gründung oder Annahme einer Sekte beteiligt ist, sogar wenn er rechtgläubig wäre.
Solche begnügten sich nicht mit „Spaltungen“ im Inneren, sondern bildeten auch außerhalb eine eigene Schule. Sie konnten in der Regel in zerstörerischen Ansichten verfallen, die mehr oder weniger von denen abwichen, die sie vorsätzlich und mit Absicht verlassen hatten, um sich selbst zu rechtfertigen oder um sich anderen vergeblich entgegenzustellen. Aber der Apostel fügt weder hier noch anderswo ein Wort über das Übel der „Trennung“ oder „Sekte“ an sich hinzu. Titus sollte ein- oder zweimal ermahnen. Denn es mochte in seinem Eigenwillen, der nach außen gedrungen war, verschiedene Steigerungen geben: Bei dem einen genügte eine erste Ermahnung genügte; bei einem anderen, der nicht so weit gegangen war, mochte man den Knecht des Herrn ermutigen, auszuharren und ein zweites Mal zu ermahnen.
Das erklärt auch, jedenfalls teilweise, warum hier kein Wort über das Hinaustun des Übeltäters steht. Titus sollte ihn „abweisen“. Das Wort παραιτοῦ kommt in verschiedenen Schriftstellen vor, wie „altweibische Fabeln weise ab“ (1Tim 4,7), „jüngere Witwen aber weise ab“ (1Tim 5,11), „ungöttliche und leere Geschwätze aber vermeide“ (2Tim 2,16) sowie in der vorliegenden Stelle im Hinblick auf einen Sektierer. In keinem Fall ist der Ausschluss gemeint, sondern nur das Meiden ähnlicher Dinge oder Personen. Es ist klar, dass der Brief nicht ‒ wie der erste Korintherbrief ‒ alle kirchlichen Handlungen bis zum Äußersten umfasst; ebenso wenig wie im Galaterbrief oder in den sieben Versammlungen in Offenbarung 2 und 3 der Ausschluss vorgeschrieben ist, woraus die Befürworter der Duldung der schlimmsten Übel innerhalb der Versammlung ihre unklugen und unheiligen Argumente ziehen. Nur der Sektierer war draußen.
Daher gibt es einen weiteren und besonderen Grund, warum der Versammlung durch Titus keine solche Maßnahme auferlegt werden sollte: Der Übeltäter war weggegangen. Das ist das Wesen der „Parteiung“, in welcher Form sie auch immer auftreten mag; darin liegt ihre Vorstufe und im weiteren Fortschreiten die „Spaltung“. Wie konnte man nun mit Anstand den hinaustun, der schon gegangen war? Das Äußerste, was man tun könnte – wenn es kein Versehen war (vielleicht mit einem richtigen Plan, aber einem schlecht geleiteten Gewissen), sondern vorsätzliche Absicht mit absichtlicher Geringschätzung und Missachtung der Versammlung – wäre, die Tür formell zu schließen, so dass er nicht wieder in die Gemeinschaft eintreten könnte, ohne eine formelle Wiederherstellung. Dies könnte in der Tat, wenn es wirklich angewandt würde, einem Ausschluss gleichkommen. Das würde jedoch auf der Vorderseite den Stempel des Übertreters mit der Tatsache seines eigenen Selbstwillens tragen, während die Gläubigen sich auch in diesem Fall nicht gleichgültig, sondern als wachsam und heilig erweisen würden.
Die Versammlung, die vom Herrn mit der extremen Handlung des Ausschlusses betraut wurde, wenn Gottes Wort es verlangt, übergeht nicht ihre Verantwortung, wenn sie eine solche Sünde ausspricht: Die größere oder zumindest formellere Handlung schließt das ein, was weniger oder verwandt ist. Eine solche Handlung mag angedeutet und abgeleitet werden; aber Waterland (Doctrine of Trin, ch. 4) geht zu weit, wenn er sagt, dass der Befehl an Titus so viel enthält. Noch weniger ist Vitringa (De Vet. Syn. iii. 1–10), nachdem er 2. Thessalonicher 3 und Römer 16 heranzieht, berechtigt, daraus = ἔκβαλλε, die öffentliche Exkommunikation nach der Ermahnung, oder eine private wie bei den Juden zu machen, wie Bp. Ellicott mit Recht bemerkt.
In Wahrheit wendet der Heilige Geist in Galater 5 auf die Irrlehre dasselbe ernste Bild an, wie Er es in 1. Korinther 5 auf das unsittliche Übel tut. Sie ist Sauerteig; und wo ein Handeln der Versammlung geboten ist, wird uns befohlen, sie aus der Versammlung hinauszutun. Wird jemand behaupten, dass lehrmäßiger Sauerteig drin bleiben soll und nur unsittlicher Sauerteig ausgefegt werden muss? Die böse Lehre ist umso schlimmer und verlockender; und wenn der Mensch als Mensch sich nicht darum kümmert, so obliegt es umso mehr den Gläubigen, für die Ehre Gottes zu sorgen: „Deinem Haus geziemt Heiligkeit, Herr, auf immerdar“ (Ps 93,5) und: „Denn auch unser Passah, Christus, ist geschlachtet worden. Darum lasst uns Festfeier halten, nicht mit altem Sauerteig, auch nicht mit Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit Ungesäuertem der Lauterkeit und Wahrheit“ (1Kor 5,7.8). Solche, die Lässigkeit haben wollen, sollen offen reden und ihr böses Vorhaben offenbaren, damit wir uns aus Gnade rein erhalten können.
Wiederum werden Menschen, die nicht die Lehre Christi bringen und den Vater und den Sohn leugnen, von dem liebevollsten der Apostel als Antichristen gebrandmarkt, die ins Haus aufzunehmen oder auch nur zu grüßen uns verboten ist (2Joh). Das geht weit über das hinaus, was durch den Ausschluss des Sauerteigs in den Paulusbriefen angemessen und unbedingt gelehrt wird. Es ist ein tieferes Übel, das die Person Christi angreift, den Felsen, auf dem die Versammlung gebaut ist, und das daher um seinetwillen ein äußerst schnelles und gründliches Gericht erfordert, ganz zu schweigen von seinem Volk, das durch jede Manipulation auf feine Weise gefährdet wird.
Hier sollte Titus nach einer ein- und zweimaligen Ermahnung einfach mit einem Sektierer (Führer oder Anhänger ist nur eine Frage des Grades) handeln. Was folgt, bestätigt zwanglos und gründlich den Unterschied des vorliegenden Falles zum kirchlichen Umgang: „Da du weißt, dass ein solcher verkehrt ist und sündigt, wobei er durch sich selbst verurteilt ist“ (V. 11). Whitby weicht von der Schrift ab, indem er hinzufügt: „ist vom wahren Glauben abgewichen.“ 1. Timotheus 1,19.20 und 2. Timotheus 2,18 lehren dies, aber nicht die fragliche Stelle, die das Übel der Abtrünnigkeit getrennt von der Irrlehre kennzeichnet, obwohl die beiden oft zusammen gefunden werden. Auch bedeutet αὐτοκατάκριτος nicht „von seinem eigenen Gewissen verurteilt“, sondern selbstverurteilt, das heißt ipso facto, ganz abgesehen von dem Gewissen, das ganz stumpf oder verfinstert gewesen sein mag, statt eine Verurteilung des Mannes auszusprechen. Er war selbstverurteilt, weil er, seinem eigenen Willen und vielleicht auch seinen Vorstellungen folgend, die Atmosphäre der Versammlung Gottes nicht mehr ertragen konnte. Er zog es vor, außerhalb der Behausung Gottes im Geist zu sein, eine Versammlung seiner Wahl zu haben oder seine eigene Versammlung zu sein.
Wenn jemand als Bewohner dieses heiligen Tempels bekannt ist, der „aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten, indem Christus Jesus selbst Eckstein ist“, diesen aus eigenem Willen verlässt (und gezwungen oder unberechtigt hinausgedrängt wird), so ist das Gesetzlosigkeit, eine Sünde mit erhobener Hand und besiegelte seine eigene Verurteilung: Worte, die bewundernswert zu einem Deserteur und selbstverherrlichenden Rivalen passen, aber keineswegs zu einem, dessen Sünde ernstlich gerichtet und er selbst durch das Urteil der Versammlung hinausgetan worden war. Kurzum, „Häresie“ bedeutet hier und an anderer Stelle in den Briefen einfach das Abweichen, nicht von der Wahrheit, sondern von der Versammlung, die ihr Pfeiler und ihre Grundfeste ist, wo der Herr durch den Geist zu Gottes Ehre wirkt. Es geht über die „Spaltung“ hinaus, das im Inneren wirkt, aber es ist nicht notwendigerweise falsche Lehre, obwohl dies oft hinzugefügt werden kann und wahrscheinlich sein Ende ist.
Nun folgt der Schluss: