Behandelter Abschnitt Titus 3,8-9
So lesen wir im Römerbrief: „Jetzt aber, von der Sünde freigemacht und Gott zu Sklaven geworden, habt ihr eure Frucht zur Heiligkeit, als das Ende aber ewiges Leben“ (Röm 6,22). Die herrliche Zukunft liegt hier vor uns; dann und nur dort wird der volle Charakter des ewigen Lebens ungehindert sein. Dennoch ist es jetzt nicht weniger wahr, wie Vers 23 zu zeigen scheint: „Denn der Lohn der Sünde ist der Tod, die Gnadengabe Gottes [die aus seiner Gnade fließt] aber ewiges Leben in Christus Jesus, unserem Herrn.“ Wir haben zumindest das gegenwärtige Anrecht seiner freien Gabe in Christus. Sowohl das Evangelium als auch der erste Brief des Johannes bestätigen, dass das neue Leben eine gegenwärtige Wirklichkeit für uns ist. Was für ein Vorrecht für den Gläubigen, das er schon jetzt genießen darf! Welch eine Verantwortung haben wir, entsprechend zu wandeln und ein wahres Zeugnis für Ihn abzulegen! Es ist nichts weniger als Christus in uns, die Hoffnung der Herrlichkeit. Wenn Er zu Israel kommen wird, wird die Herrlichkeit in Besitz genommen und offenbar werden. Wir haben Ihn als Leben, während Er in Gott verborgen ist; und wenn Er offenbart werden wird, dann werden auch wir mit Ihm in Herrlichkeit offenbart werden (Kol 3,3.4).
Der Apostel begnügte sich auch nicht mit der vollständigen und klaren Darstellung des Evangeliums. Er lenkt die Aufmerksamkeit des Titus auf seine Bedeutung und seinen Wert in einer Formulierung, die in den Pastoralbriefen nicht unüblich ist.
Das Wort ist gewiss; und ich will, dass du auf diesen Dingen fest bestehst, damit die, die Gott geglaubt haben6, Sorge tragen, gute Werke zu betreiben. Dies ist gut und nützlich für die Menschen. Törichte Streitfragen aber und Geschlechtsregister und Zänkereien und Streitigkeiten über das Gesetz vermeide, denn sie sind unnütz und wertlos (3,8.9).
Es gibt keinen wirklichen Grund, daran zu zweifeln, dass der Apostel hier auf die Entwicklung der Wahrheit zurückblickt, die ihn gerade beschäftigt hatte. Die Errettung Gottes von Anfang bis Ende finden wir einfach und kurz in 1. Timotheus 1,15.16. Hier wurde es ausführlicher erklärt. Die Beziehung des Heiligen Geistes dazu ist ein zusätzliches Vorrecht, nicht weniger als die Gnade Gottes als die Quelle von allem. In 1. Timotheus 1 ist es einfach die schlichte Wahrheit, dass Christus in die Welt gekommen ist, um Sünder zu erretten. Gewiss wird der Gegenstand des Glaubens hier nicht ausgelassen; und es wird gesagt, dass der Heilige Geist reichlich ausgegossen wird, außer dass Er uns erneuert, „damit wir, gerechtfertigt durch seine Gnade, Erben würden nach der Hoffnung des ewigen Lebens“ (V. 7). Wir warten also nicht auf das Leben oder die Errettung für unsere Seelen; wir warten nicht auf die Gerechtigkeit, weil wir schon gerechtfertigt sind; wir warten durch den Geist im Glauben auf die Hoffnung der Gerechtigkeit (Gal 5,5), wenn das ewige Leben auch unsere Körper verschlingen wird, und zwar in himmlischer Herrlichkeit.
Man mag wohl behaupten, dass das Wort gewiss ist im ersten Fall vorausgeht, während es hier folgt. Aber 1. Timotheus 4,9.10, ist ein klarer Beweis dafür, dass die Reihenfolge variieren kann, ohne dass die Sicherheit der apostolischen Anwendung in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird. Die Autorisierte Version ist wie einige andere zumindest zweideutig, wenn nicht irreführend; denn man könnte daraus schließen, dass sich das Wort ist gewiss lediglich auf die Aufforderung an die Gläubigen bezog, gute Werke zu betreiben. Dies ist jedoch ein eher unwürdiger Sinn, den der Text, wie auch die Wahrheit im Allgemeinen, widerlegt. Der Apostel legt die einzige Grundlage der Kraft für einen fruchtbringenden Wandel dar; und deshalb drängt er Titus, ständig und gründlich auf der sicheren, aber ausschließlichen Wahrheit der Errettung durch Gnade in ihrer ganzen Fülle wie auch ihrer Wirklichkeit zu bestehen. Dies war das erste Thema des Apostels für die einzelnen Gläubigen überall und immer; er schärft es nun Titus ein. Ohne sie gibt es keine Bereitschaft und Kraft zu guten Werken; ohne sie ist das Gewissen getrübt und das Herz verhärtet: Es gibt weder Leben noch Frieden, wo sie unbekannt ist.
Wenn wir aber nach dieser göttlichen Art errettet sind, sind wir fähig, alles zu Gott zu bringen und auch von Ihm zu empfangen. In einer Welt, die Christus verworfen hat und in der der Satan regiert, erwarten Prüfungen und Sorgen die Gläubigen, und doch danken wir Gott. Trost und Freuden werden von Gott gegeben, und wir danken. Der Glaube sieht und hört Ihn und führt und behütet, was auch immer die Schwierigkeit oder Gefahr sein mag. Sein Wille ist annehmbar, da er auch heilig und vollkommen ist. Wir lieben nicht nur seine Gebote, sondern auch sein Wort, weil wir seinen Wert in unserer tiefsten Not erkannt haben, weil Er uns dadurch seine Liebe trotz unserer Entfremdung und unseres Hasses bekanntgemacht hat. Jetzt können wir ohne Anmaßung sagen, dass wir Ihn und seine Ehre lieben. Wir wollen seinen Willen tun und Ihm gefallen; und das ist der Wille Gottes, auch unsere Heiligkeit; denn Er hat uns zur Heiligkeit berufen, und wir selbst sind von Gott gelehrt, einander zu lieben: so hat der Apostel verfügt (1Thes 4).
Die bekannte Errettung durch Gottes Gnade in Christus, unserem Herrn, ist also die Grundlage, die der Heilige Geist für den Gott wohlgefälligen Wandel eines Christen legt. Dennoch bedarf es der Ermahnung. Und das Wort ist voller Ermutigung wie Warnung, die Ermunterungen sind vielfältig und stark, damit die, die Gott geglaubt haben, darauf bedacht sind, gute Werke zu betreiben. Vielleicht ist es nicht zu viel gesagt, dass, wenn seine Gnade uns rechtfertigt, unsere Treue Ihn fortan rechtfertigen soll, wie gering auch unser Maß sein mag.
Es mag auch gut sein, hier gegen die Herabsetzung des Ausdrucks „gute Werke zu betreiben“ zu protestieren, als wäre er nur ein Echo von Vers 14. Das ist nicht so. Der Ausdruck mag ähnlich klingen, doch der Zusammenhang ist klar: Das Ziel Gottes ist in den beiden Versen unterschiedlich, wie wir im weiteren Verlauf sehen werden. Zweifelsohne hat Vers 14 eine wichtige Bedeutung, aber sie ist von engerem und geringerem Charakter. In Vers 8 haben gute Werke nichts mit Nutzen „für die Menschen“ zu tun und müssen in ihrem ganzen Umfang gesehen werden. Es sind die ehrenvollen Werke, die einen Gläubigen kennzeichnen, nicht nur wohltätige, sondern Werke von Menschen, die in der Gunst Gottes und des ewigen Segens stehen, in einer Welt, in der das Böse überhandnimmt und Gott nicht gekannt wird.
Es ist auch gut, hinzuzufügen, dass es hier nicht wie in der Autorisierten Version heißt, „an Gott zu glauben“, sondern „Gott zu glauben.“ Sie haben besiegelt, dass Gott wahr ist, indem sie sein Zeugnis angenommen haben. Darum beugten sie sich seiner innerlich gewirkten Überzeugung, dass sie „verhasst und einander hassend“ waren. Wie dankbar waren sie aber nun, dass Er sie nach seiner Barmherzigkeit errettet hatte. Wenn aber die ganze Dreieinheit an dieser wahrhaft göttlichen Errettung beteiligt war, so war sie ohne das Kreuz nicht möglich. Christus, der für die Sünden litt, hatte Gott die gerechte Grundlage gelegt, seine Gnade ohne Unterlass auszuüben. Deshalb ist es die Gerechtigkeit Gottes. Diese kann der Heilige Geist krönen mit dem reichsten Genuss und mit wirklicher Kraft zur Ausübung. „Dies ist gut und nützlich für die Menschen“. Ohne Zweifel schließt der Apostel hier die Ausübung guter Werke seitens der Gläubigen ein; Aber warum sollte man die Treue der Errettung Gottes von einem noch direkteren und wichtigeren Platz ausschließen wollen. Die Ursache ist sicherlich von mindestens gleichem Gewicht wie die Wirkung. Im Gegensatz zu diesen guten und nützlichen Dingen gebietet der Apostel Titus: „Törichte Streifragen aber und Geschlechtsregister und Zänkereien über das Gesetz vermeide“.
Es ist derselbe Apostel, der zu Timotheus sagte: „Wir wissen aber, dass das Gesetz gut ist, wenn jemand es gesetzmäßig gebraucht“ (1Tim 1,8.9). Wie geschieht das? „Indem er dies weiß, dass für einen Gerechten das Gesetz nicht bestimmt ist, sondern für Gesetzlose und Zügellose“. Das ist eine schonungslose Waffe gegen alles Böse. Was wird ehrbare Werke hervorbringen? Nichts anderes als das Evangelium von der Herrlichkeit des gesegneten Gottes, das Paulus anvertraut und Titus nicht weniger als Timotheus eingeschärft wurde.
Hier also prangert der Apostel den Missbrauch des Gesetzes an. Wie es den Menschen aufbläht, der in Unkenntnis seiner Sünde und Ohnmacht darauf baut, so erzeugt es törichte Fragen und Geschlechtsregister und Streitigkeiten und juristische Auseinandersetzungen. Die Wahrheiten des Evangeliums sind „gut und nützlich für die Menschen“. Rechtsstreitigkeiten sind „unnütz und wertlos“. Das ist der Missbrauch des Gesetzes, zu dem der menschliche Verstand immer neigt, wenn er überhaupt etwas beachtet. Die Wahrheit des Evangeliums, wie sie die Gnade offenbart, regiert das Herz und das Gewissen des Gläubigen. Wo kein Glaube ist, da ist die Macht des Todes nicht fern und die Finsternis im Blick auf Gott. So ist es mit der Menschheit in ihrem natürlichen Zustand, den kein Ritus ändern kann – das kann nur der Erlöser, der im Glauben aufgenommen wird.
Nach den dunklen oder unbedeutenden und auf jeden Fall recht unvorteilhaften oder sogar schädlichen Fragen, zu denen die Gesetzlichkeit neigt, warnt der Apostel danach vor einem noch dunkleren Ergebnis, das nur zu leicht in Erscheinung tritt, dem Aufkommen der Parteisucht in seiner extremsten Form, den die Schrift als „Parteiung“ oder „Sekte“ (griech. Häresie) bezeichnet. 1. Korinther 11,18.19, ist das erste Vorkommen des Ausdrucks αἵρεσις in den apostolischen Briefen, der allein seine christliche Anwendung genau bestimmen kann. „Denn zuerst einmal, wenn ihr als Versammlung zusammenkommt, höre ich, es seien Spaltungen unter euch, und zum Teil glaube ich es. Denn es müssen auch Parteiungen [αἵρεσις] unter euch sein, damit die Bewährten unter euch offenbar werden.“
Daraus lernen wir, wie sich die gewöhnliche Sprache von der Schrift unterscheidet. Die Menschen betrachten „Häresie“ als ein Abweichen von der gesunden Lehre, die in einer eigenen Partei oder Sekte enden kann, die dadurch gekennzeichnet ist. Kurz gesagt, sie betrachten eine „Spaltung“ als das abgetrennte Ergebnis, ob mit (wie es im Allgemeinen der Fall ist), oder ohne (wie es sein kann), der abweichenden Wurzel.
Nun scheint das inspirierte Wort mit solchen Gedanken unvereinbar zu sein. „Spaltungen“ gab es bereits in der Versammlung in Korinth. Es gab noch keine „Sekten“ oder getrennte Parteiungen; aber das sah der Apostel als unvermeidlich an. Spaltungen im Innern führen natürlich und (wie Menschen nun einmal sind) notwendigerweise zu Spaltungen nach außen oder zu Sekten. Das stand in Korinth unmittelbar bevor, es sei denn, die Gnade schenkte Selbstgericht und erstickte so die Knospe, so dass die böse Frucht nicht folgen sollte. Aber die Gefahr war in den „Spaltungen“ am Werk, die die Gläubigen in Korinth heimsuchten, obwohl alle noch von dem einen Brot aßen. Wenn sie nicht umkehrten, würde es sicher zu „Spaltungen“ oder Sekten kommen, wie es in Galater 5,20 heißt.
Aus dieser Übersicht über den Sprachgebrauch scheint es klar zu sein, dass das Wort in keinem der beiden Briefe notwendigerweise eine fremde Lehre beinhaltet, wie oft dies auch vorkommen mag und die belebende Quelle einer Partei ist. Die fleischliche Vorliebe, die Kephas gegen Paulus oder Apollos gegen beide aufstellte, bildete „Spaltungen“ in der Versammlung; und dies würde, wenn es nicht als Sünde verurteilt würde, schließlich in äußerlichen Spaltungen oder „Parteiungen“ enden. Denn solche fleischlichen Gefühle werden immer heißer und unduldsamer, so dass Christus, das Zentrum der Einheit, übersehen wird, und der Geist, der betrübt ist, aufhört, die zu kontrollieren, die so eigenwillig und ungehorsam gegenüber dem Wort Gottes sind.
Aber es gibt noch eine weitere Stufe auf dem Weg des Bösen, von der wir den Ausdruck im zweiten Petrusbrief finden: „Es waren aber auch falsche Propheten unter dem Volk, wie auch unter euch falsche Lehrer sein werden, die Verderben bringende Sekten nebeneinführen werden und den Gebieter verleugnen, der sie erkauft hat, und sich selbst schnelles Verderben zuziehen“ (2Pet 2,1). Hier gibt es eine deutliche Entwicklung; denn wir hören von falschen Lehren (ψευδοδιδάσκαλοι), die als insgeheim „zerstörerische Irrlehren“ oder „Verderben bringende Sekten“ (αἱρέσεις ἀπωλείας) charakterisiert werden. Schon hier ist der Zusammenhang klar, dass es nicht nur persönlicher oder parteilicher Eigensinn ist, der die Einheit des Geistes zerbricht, sondern dass die vom Apostel vorhergesehenen Spaltungen oder Sekten auch die dunklere Färbung einer verderblichen Irrlehre haben.
Nicht ein Hauch davon erscheint im Gebrauch des Wortes für die Galater und die Korinther. So schlimm der Fall in seiner mildesten Form auch ist, er stellt immer eine Verletzung der Einheit der Versammlung dar. Nur wenn der Begriff im Zusammenhang erweitert und mit der eindeutigen Unterstellung der Irrlehre belastet wird, können wir den „Ketzer“ mit falscher Lehre bezichtigen belasten. Daher sind die ungläubigen Vorwürfe von De Wette und so weiter nicht wirklich haltbar. Der traditionelle und falsche Sinn eines späteren Tages trifft auf den paulinischen Gebrauch von αἵρεσις nicht zu.
6 Tyndale und Wyclif haben hier recht, denn bei letzterem ist glauben an gleichbedeutend mit unserem einfachen glauben. Es ist merkwürdig, dass Rhemish sich nicht an die Vulgata gehalten hat, die korrekt ist, sondern sich mit den späteren englischen Versionen irrt. Gott glauben bedeutet, sein Zeugnis anzunehmen, besonders im Evangelium, wie es soeben dargelegt wurde, was den Juden nicht weniger obliegt und für sie notwendig ist als den Heiden. Außerdem glauben wir an (ἐπὶ) Gott und an (εἰς) Ihn, wie Er uns in der Auferweckung Christi von den Toten kundgetan wurde (Röm 4,24; 1Pet 1,21). Aber das geht noch weiter, und wir müssen die Dinge unterscheiden, die verschieden sind.↩︎