Behandelter Abschnitt 1Tim 1,16-18
Es ist wahr, dass die Abkehr von Paulus etwas ganz anderes ist als das Verlassen des Evangeliums oder der Versammlung, als das Aufgeben dieser oder jener Wahrheit. Aber wo der Herr seinen hochverehrten Diener leiden ließ, nicht für irgendein eigenes Versagen, sondern für die göttliche Hinterlassenschaft, für sein Zeugnis hier unten, da wäre es beklagenswert, dass jemand einen solchen Diener zu einer solchen Zeit verlassen würde: wie viel mehr, dass das Verlassen allgemein und in einem moralischen Sinn universell sein sollte, wo die Wahrheit am besten bekannt war und die Gnade in ihrer ganzen Höhe und Tiefe und Breite wie nirgendwo sonst zum Vorschein kommen konnte! Dem Zusammenhang nach zu urteilen, war die Tatsache, die diese höchst beklagenswerte und schuldhafte Fahnenflucht hervorbrachte, die Gefangenschaft des Apostels. Der Feind nutzte die menschliche Schande aus, die auf den größten Diener der Versammlung und des Evangeliums gelegt wurde. Und diejenigen, die die reiche Frucht seiner Arbeit in göttlicher Kraft gewesen waren, schlossen sich in der Tat im Geist der Welt an und kauerten unter ihrer Schande, wo Glaube und Liebe ihnen eine Identifikation mit dem Leiden des Apostels als Verherrlichung des Namens Jesu hätten geben sollen.
Aber die Abkehr von Paulus war auch in Asien nicht absolut vollständig. Es gab wenigstens eine leuchtende Ausnahme, denn eine Zeit des allgemeinen Übels wird in der Gnade Gottes immer dazu benutzt, besondere Treue und Ergebenheit hervorzubringen.
Der Herr gebe dem Haus des Onesiphorus Barmherzigkeit, denn er hat mich oft erquickt und sich meiner Kette nicht geschämt, sondern als er in Rom war, suchte er mich fleißig und fand mich. Der Herr gebe ihm, dass er von Seiten des Herrn Barmherzigkeit finde an jenem Tag! Und wie viel er in Ephesus diente, weißt du am besten (1,16–18).
Der Gegensatz hilft sehr und eindeutig, uns zu zeigen, wo der allgemeine Verfall lag; und der Herr erstattete „dem Haus des Onesiphorus“ mit Zins und Zinseszins die Gnade zurück, die Er seinem Haupt erwiesen hatte. „Er hat mich oft erquickt“, sagt der gnädige Apostel; wie sehr gleicht er darin dem Meister, der zu den armen Jüngern sagen konnte: „Ihr aber seid es, die mit ausgeharrt haben in meinen Versuchungen; und ich bestimme euch, wie mein Vater mir bestimmt hat, ein Reich ein“ (Lk 22,28.29).
Aber Paulus hebt auch die entscheidende Tatsache hervor, dass er sich seiner Kette nicht geschämt hatte. Die Liebe beweist ihre Wahrheit, ihren Charakter und ihre Kraft in der Stunde der Not. Wie war es bei allen, die in Asien waren? Offensichtlich schämten sie sich dessen. Fleischliche Klugheit tadelte den Eifer für Christus, der den Anlass gab; und weltlicher Geist scheute jede Solidarität mit dem gefangenen Apostel. Wie betrachtete der Herr solche selbstsüchtige Zaghaftigkeit? Der Heilige Geist kennzeichnet ihre Niedertracht unauslöschlich auf der ewigen Seite der Schrift. Aber er hebt die gesegnete Ausnahme von einem hervor, dessen Herz sich umso mehr nach dem Apostel sehnte, nicht nur in der Provinz Asien, sondern in der stolzen Metropole, wo der Apostel gefesselt war. „Sondern als er in Rom war, suchte er mich sehr fleißig und fand mich“.4 Das war nicht vergeblich. Er fand den verlassenen Apostel: „Der Herr gebe ihm, dass er von Seiten des Herrn Barmherzigkeit finde an jenem Tag!“ Es ist wahr, dass wir alle im Glauben darauf warten (Jud 21); aber nicht weniger schön und tröstlich ist das Gebet des Apostels, das sicherlich nicht weniger wirksam ist als das eines Abrahams aus alter Zeit für die gegenwärtige Regierung Gottes. Das ist auch nicht alles, was gesagt wird; aber er spricht Timotheus an, der sehr wohl weiß, wie viel Onesiphorus in Ephesus gedient hatte. Der Apostel beschränkt es nicht, wie die Authorized Version es bei anderen tut, auf den Dienst an sich selbst: Die allgemeine Formulierung lässt natürlich Raum für das, was persönlich war, aber sie schließt viel mehr in sich, wie der Apostel sorgfältig erklärt. Keiner wusste dies „am besten“5 als Timotheus, der keiner weiteren Erklärung bedurfte.
4 Es ist sowohl in Vers 17 als auch in Vers 18 der Komparativ, nicht der Positiv und auch nicht der Superlativ: eine beliebte griechische Redewendung, die, wenn die Ellipse erweitert würde, ausdrücken würde: „fleißiger, als man erwarten konnte“ (V. 17) und „besser wissend, als dass man mehr von ihm verlangen konnte“ (V. 18).↩︎
5 Siehe die vorherige Fußnote.↩︎