Behandelter Abschnitt 1Tim 1,12-17
Das ist das Evangelium, von dem der Apostel (hier und in Tit 1,3) sagt, dass es ihm anvertraut wurde; wie er in Galater 2,7 sagt, dass es der bleibende Zustand war und ist, und nicht nur die Tatsache, die hier genügte. Die Authorized Version ist als einzige der englischen Versionen hierin genau.
Ich danke Christus Jesus, unserem Herrn, der mir Kraft verliehen hat, dass er mich für treu erachtet hat, indem er den in den Dienst stellte, der zuvor ein Lästerer und Verfolger und Gewalttäter war; aber mir ist Barmherzigkeit zuteilgeworden, weil ich es unwissend im Unglauben tat. Über die Maßen aber ist die Gnade unseres Herrn überströmend geworden mit Glauben und Liebe, die in Christus Jesus sind. Das Wort ist gewiss und aller Annahme wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, um Sünder zu erretten, von denen ich der erste bin. Aber darum ist mir Barmherzigkeit zuteilgeworden, damit an mir, dem ersten, Jesus Christus die ganze Langmut erzeige, zum Vorbild für die, die an ihn glauben werden zum ewigen Leben. Dem König der Zeitalter aber, dem unvergänglichen, unsichtbaren, alleinigen Gott, sei Ehre und Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen (1,12–17).
Das Evangelium, das dem Apostel anvertraut wurde, gibt Anlass zu den Worten, die bis zum Ende von Vers 17 folgen. Es ist eigenartig, dass dies eine der Stellen ist, auf die sich ein angesehener Rationalist stützte, um die Echtheit des Briefes zu anzuzweifeln; während seine Bemerkung in Wirklichkeit die Blindheit des Unglaubens beweist. Sie bezeugt die Unfähigkeit der zweifelnden Schule im Allgemeinen (Schleiermacher ist einer ihrer fähigsten Köpfe und vielleicht der am wenigsten verwerfliche in seinem gewöhnlichen Ton), die bewundernswerten Verbindungen zu erfassen, und nicht zuletzt solche, die nicht an der Oberfläche liegen, sondern sich denen offenbaren, die das Wort als Gottes Wort suchen und die Wahrheit sowohl empfinden als auch verstehen. Der Apostel hatte sich nachdrücklich als mit der frohen Botschaft der Herrlichkeit betraut geäußert. Das Licht der Herrlichkeit Christi hatte sogar buchstäblich auf und in das Herz von Saulus von Tarsus geschienen. Daher ist es hier keine Lehre, sondern ein Aufzählen von Danksagungen, die hervorbricht und seinen eigenen Fall als den leichtesten und tiefsten und auffälligsten Gegenstand der souveränen Gnade mit der Botschaft verbindet, die er zu überbringen berufen war.
Vielleicht war es der Wunsch, diese Verse mit den vorhergehenden zu verbinden, aus Mangel an geistlicher Einsicht, ihre innige Verbindung ohne irgendein äußeres Zeichen zu erkennen, der den Kopulativ („und“) des gewöhnlichen Textes (V. 12) hinzufügte. Die ältesten Abschriften und Versionen lassen es nicht zu. Es ist auch nicht nötig, eine Lobpreisung zu beginnen, die nicht aus einem Herzen unterdrückt werden konnte, das bei der Erinnerung und im gegenwärtigen Genuss der Gnade des Erlösers überfließt.
Das Herz des Paulus glüht in der Danksagung an unseren Herrn für die ihm verliehene innere Kraft. Er wurde nicht nur zum Heiligen berufen, sondern auch zum Dienst bestellt, weil Christus ihn für treu erachtete. Es wurde unermesslich gesteigert durch eine andere Erwägung, die nie vergessen werden darf, was er war, als er so berufen wurde: Er war vorher ein Lästerer, ein Verfolger und ein Gewalttäter gewesen, was nicht alle Verfolger sein konnten. Es war also nicht bloß eine hohe Färbung, sondern sein echtes Empfinden, dass er der Erste der Sünder war: und kein Mensch, der je gelebt hat, war fähiger, ein angemessenes Urteil über die Sünde zu fällen. Er wusste, was Sünder waren, in einer so bedeutenden Erfahrung, wie sie kein Mensch erfassen konnte. Und doch rief unser Herr ihn, der, wie er selbst sagt, die Gläubigen sogar zur Lästerung zwang, und der äußerst wütend war, als er sie außerhalb ihres eigenen Landes verfolgte, und sogar Drohungen und Morde ausstieß in seinem Hass auf den Namen Jesu; was, wenn er daran glaubte, ihm Kraft gab, hinauszugehen und in einer Ausdauer verharren, die alles übertrifft, was diese Welt je gesehen hat, nicht nur in Mühen, sondern in Leiden für Christus. Der Herr erachtete ihn in der Tat für treu, und das vom Tag seiner Bekehrung an, ein auserwähltes Gefäß (wie er sagte), um seinen Namen sowohl vor Heiden als auch vor Königen und Söhnen Israels zu tragen, in jenem erstaunlichen Weg der Prüfung für seinen Namen, von dem der Apostel nichts sagt, außer wenn er gleichsam in seiner „Torheit“, wie er es nennt, durch den schlechten Zustand und die wirkliche Torheit der weltlich-klugen Korinther dazu gezwungen wurde (2Kor 11,16ff.).
Denn die Liebe Christi bewies ihre eigene Kraft, indem sie nicht nur einen Apostel, dessen Vertrauen in seine eigene Zuneigung zu Christus eine schnelle und überwältigende Demütigung erfuhr, zu seinem Dienst berief, damit er durch die Gnade seine Brüder stärken und ein kühner Verkünder der frohen Botschaft werde, die sogar denen galt wurde, die den Heiligen und Gerechten verleugneten, sondern auch ein anderer, der in der Mitte seiner Laufbahn des unbändigen Hasses auf seinen Namen und der hochmütigen Verachtung seiner Gnade verhaftet war, den er zu dem höchsten und größten denkbaren Dienst berief, zum Diener der Versammlung seines Leibes und zum Diener des Evangeliums, das in der ganzen Schöpfung unter dem Himmel verkündet wird (Kol 1,23-25). Wer außer „Christus Jesus, unserem Herrn“ hätte so gegenüber Petrus oder Paulus empfunden, gedacht und gehandelt? Solch ein Heiland und Herr war Er für beide; und so waren sie beide geeignet, das Zeugnis seiner Gnade am besten zu verkündigen, ohne die geringste Beschönigung ihrer jeweiligen Sünden. „Aber“, sagt der eine vor uns, „mir ist Barmherzigkeit zuteilgeworden, weil ich es unwissend im Unglauben tat“ (V. 13). Sicherlich fehlte es ihm nicht an Aufrichtigkeit: Nicht ein Zweifel trübte sein Gewissen. Er glaubte, viel gegen den Namen des Nazareners tun zu müssen, ausgestattet mit der Autorität und dem Auftrag der Hohenpriester, überzeugt von der strengsten pharisäischen Rechtgläubigkeit und gewissenhaften Praxis, und überzeugt von einer ununterbrochenen Nachfolge in der Religion des wahren Gottes seit ihrer Einsetzung am Sinai, um nicht zu sagen seit dem Garten Eden.
Doch die Macht und Herrlichkeit, die alles niederschlug, was Saulus in seiner Person betraf, und seiner Seele in einem Licht jenseits der Sonne am Mittag offenbarte, dass der gekreuzigte, aber verherrlichte Jesus der Jahwe-Elohim Israels war, veränderte alles in einem Augenblick und bewies ohne Frage, dass alles, was er geliebt und verehrt hatte, in hoffnungsloser Feindschaft gegen Gott stand. Gnade, Wahrheit, Herrlichkeit – alles zentriert in Ihm, der, indem Er ihn von den schlimmsten Sünden überführte, errettete, um sein dienender Zeuge zu sein, während Er ihn aus der Mitte des Volkes und der Heiden herausnahm, zu denen Er ihn von nun an auf den lebenslangen Botengang seiner eigenen unvergleichlichen Barmherzigkeit sandte.
Zweifellos war er unwissend, und Unglaube war die Wurzel davon; aber das ist ein anderer Zustand als der derer, die, nachdem sie die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, vorsätzlich sündigen oder zu religiösen Formen abfallen, anstatt Christus und dem Zeugnis des Geistes für sein Werk den Vorzug zu geben. Der himmlische Christus war Jesus, den er in seinen Gliedern verfolgt hatte. Es war alles vorbei mit ihm selbst, wie auch mit seiner Religion: Christus war alles für ihn, und er besaß Christus in allen, die Ihn liebten, dessen Namen er bis zu diesem Augenblick verflucht hatte. Es war für ihn ein ewiges Leben und Sterben für den, der für alle gestorben ist, dass sie, die lebten, nicht mehr sich selbst leben würden, sondern für den, der für sie gestorben und auferstanden ist (2Kor 5,15). Es war sündige, ungläubige Unwissenheit. „Über die Maßen aber ist die Gnade unseres Herrn überströmend geworden mit Glauben und Liebe, die in Christus Jesus sind“ (V. 14), der Gegensatz von Unglauben und Hass, als er nur das Gesetz kannte. Und so kann er mit dem tiefsten Empfinden seine eigene kurze Zusammenfassung des Evangeliums anderen empfehlen: „Das Wort ist gewiss und aller Annahme wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, um Sünder zu erretten“, und er fügt hinzu: „von denen ich der erste bin“ (V. 15).
Vergeblich versuchen die Menschen, entweder „Sünder“ auf der einen oder „Haupt“ auf der anderen Seite zu begrenzen. Der Apostel kannte die Wahrheit unvergleichlich besser als sie, seien es die alten Väter oder die modernen Deutschen, die Katholiken oder die Protestanten. Sein Ziel ist es, alle Vergleiche wegzufegen, alle Selbstgerechtigkeit umzustoßen und alle Verzweiflung zu treffen, indem er den Menschen in den Staub legt und nur den Erlöser verherrlicht, der sich selbst erniedrigt hat und bis zum letzten Grad die rettet, die nicht „dem himmlischen Gesicht“ gehorchen (Apg 26,19).
Es war auch nicht nur eine Frage der Barmherzigkeit bei der Rettung des ersten Sünders, sondern es gab auch eine Absicht der Gnade gegenüber anderen. „Aber darum ist mir Barmherzigkeit zuteilgeworden, damit an mir, dem ersten, Jesus Christus die ganze Langmut erzeige, zum Vorbild für die, die an ihn glauben werden zum ewigen Leben“ (V. 16). Es ist unmöglich, die Energie dieses Ausdrucks zu übertreffen. Wir brauchen uns auch nicht zu wundern, wenn sein Fall ein besonderes Muster oder eine Darstellung der göttlichen Liebe sein sollte, die sich über die aktivste Feindseligkeit erhebt, der göttlichen Langmut, die die vielfältigste und hartnäckigste Feindseligkeit erschöpft, sei es bei den Juden oder bei den Heiden im Allgemeinen; denn wer hatte in beiden Fällen Saulus von Tarsus übertroffen? Wie wird der Herr die Geschichte seiner Bekehrung nicht benutzen, um den verstockten Juden nach und nach zu gewinnen! Wie wendet er sie jetzt nicht auf jeden unglücklichen Sünder an! Tief erfreut sich der Apostel an jener Gnade, die so den Stolz und den Zorn des Menschen dazu bringen kann, Ihn zu preisen, sowohl jetzt als auch am zukünftigen Tag, durch den Glauben an unseren Herrn Jesus, ohne den alles nur Verderben und Elend gewesen wäre, abgeschlossen durch ewiges Gericht. „Dem König der Zeitalter aber, dem unvergänglichen, unsichtbaren, alleinigen Gott, sei Ehre und Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ (V. 17).
Wie die, die an Christus zum ewigen Leben glauben, nicht ein bloßes Volk unter irdischer Regierung sind, um die Segnungen einer gerechten Herrschaft und eines göttlichen Herrschers zu genießen und zu bezeugen, so wird Gott hier als König der Zeitalter in seiner Überlegenheit über alle vergänglichen Zustände und Umstände des Geschöpfes hier auf der Erde anerkannt und gepriesen. Aber Er wird auch als „unvergänglich“ bekannt angesichts dessen, was sich im Himmel oben und auf der Erde unten schamlos von ihm entfernt hat, indem es sogar seine Handlungen und Offenbarungen zu seiner Unehre in Selbstverherrlichung oder Selbstverliebtheit verwandelt hat; als „unsichtbar“, wo unsichtbare Mächte sich des Sichtbaren bedient haben, um den Götzendienst des gefallenen Herzens und des bösen Gewissens Vorschub zu leisten; als „alleiniger“, wo die Weisheit der Welt ihre Verehrung, die sie dem allein wahren Gott vorenthielt, freiwillig den erschaffenen Gegenständen in der Höhe und ringsum und unten auf der Erde schenkte, die ihre Bewunderung, ihre Hoffnungen und ihre Ängste erregten, und so von Satan dazu verleitet wurde, ihn und seine Heerscharen unter Namen zu vergöttern, die jede Lust und Leidenschaft zur eigenen, immer größeren Erniedrigung des Menschen weihten. „Dem König der Zeitalter, dem unvergänglichen, unsichtbaren, alleinigen Gott, sei Ehre und Herrlichkeit“, nicht nur jetzt, wie es die gemeinsten Rivalen gehabt haben mögen, sondern „Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ – Zeit ohne Ende, „Amen.“