Behandelter Abschnitt 2Thes 3,10-15
Es ist möglich und sogar wahrscheinlich, dass diese Brüder, die keine Lust zur Arbeit zeigten, die Liebe ausnutzten, die zu denen floss, die mit dem Dienst des Wortes beschäftigt waren. Der Egoismus könnte bald einen Platz finden, um diese Liebe in ihrem eigenen Fall zu suchen, wo kein solcher Dienst geleistet wurde. Ein Auge, das nur auf Christus gerichtet ist, bewahrt vor solchen und anderen Fallstricken und befähigt dazu, das Böse, wo es auftritt, zu erkennen und richtig zu behandeln. Und das geschriebene Wort, das von dem kommt, der alles, was nötig war, von Anfang bis Ende gesehen hat, deckt jedes Bedürfnis, das entstehen könnte, vollkommen ab, wenn auch nicht ohne den Heiligen Geist, der allein uns nach der Schrift leiten kann und so unseren Zustand, ob gut oder schlecht, offenbart. Denn wir sind geheiligt zum Gehorsam Jesu Christi.
Denn auch als wir bei euch waren, geboten wir euch dieses: Wenn jemand nicht arbeiten will, so soll er auch nicht essen. Denn wir hören, dass einige unter euch unordentlich wandeln, indem sie nichts arbeiten, sondern fremde Dinge treiben. Solchen aber gebieten wir und ermahnen sie in dem Herrn Jesus Christus, dass sie, in der Stille arbeitend, ihr eigenes Brot essen. Ihr aber, Brüder, ermattet nicht, Gutes zu tun. Wenn aber jemand unserem Wort durch den Brief nicht gehorcht, den bezeichnet und habt keinen Umgang mit ihm, damit er beschämt werde; und erachtet ihn nicht als einen Feind, sondern weist ihn zurecht als einen Bruder (3,10–15).
Es ist ein auffallendes Merkmal des Christentums, dass, wie darin kein Ding zu groß oder hoch für den Gläubigen ist, so ist auch nichts zu gering oder unbedeutend für Gott. Er kümmert sich sogar um eine so einfache und kleine Pflicht wie die, dass ein Mensch Tag für Tag arbeitet und nicht an seinen Brüdern herumkritisiert. Die Vereinigung mit Christus ist der Schlüssel zu allem. Wenn ich durch Gnade eins mit seinem Sohn bin, ist es kein Wunder, dass mein Vater Freude daran hat, mir sein Herz und seinen Geist zu öffnen. Aber aus demselben Grund geht es praktisch nicht um bloßes Richtig und Falsch, sondern darum, Ihm als Kinder zu gefallen, nicht bloß einen ehrlichen Menschen darzustellen, noch den nicht gefallenen Adam (wenn das möglich wäre), sondern Christus. Und wenn wir in Christus droben sind, ist Christus in uns hier auf der Erde. Unsere Verantwortung ergibt sich aus diesen überragenden Vorrechten, die jene unwissend zerstören, die uns auf das Niveau von Juden herablassen wollen, unter das Gesetz als unsere Lebensregel, ein Irrtum, der umso gerechter aussieht, weil er vorgibt, moralische Rechte zu schützen, aber in Wirklichkeit das Evangelium und die Herrlichkeit Christi untergräbt, und damit alles, dessen wir uns rühmen.
Wer hätte andererseits gedacht, dass fromme christliche Männer so rücksichtslos sein könnten, um nicht mehr zu sagen, dass sie leben, ohne zu arbeiten, so selbstsüchtig, dass sie Unterstützung von denen erwarten, die arbeiten oder von den Früchten der Arbeit leben? Das war zu dieser Zeit bei den Gläubigen in Thessalonich der Fall, und der Apostel hatte sie sogar vorgewarnt, als er dort war. Es ist eine Gefahr, die überall und zu jeder Zeit sein kann, aber zu keiner Zeit und an keinem Ort wahrscheinlicher als dort, wo Gläubige frisch und einfach im Leben Christi sind: Gerade der Segen setzt jemanden der Gefahr aus. Unter anständigen Menschen der Welt wäre eine solche Erwartung ganz und gar außergewöhnlich, wenn nicht unmöglich. Die gemeinsamen Interessen der Menschen schließen den Gedanken geradezu aus; ihre Selbstsucht würde ihn als unerträglich zurückweisen.
So hat die Gnade Christi sowohl ihre Gefahren als auch ihre Freuden, Gefahren auf der Seite der Übertreibung nicht weniger als auf der Seite der Verkürzung. Die einzige Sicherheit, die einzige Weisheit, das einzige Glück besteht darin, auf Christus zu schauen, der gewiss nicht zum Müßiggang, sondern zum ernsten Dienst in einer verlorenen Welt führt. Keiner, der auf Christus schaut, könnte ein Müßiggänger sein: Wer dazu geneigt ist, möge die Aufforderung des Apostels nicht vergessen, dass, wer nicht arbeiten will, auch nicht essen soll. Dies wäre ein wirksames Heilmittel, wenn es treu ausgeführt würde, und sind die Gläubigen nicht dazu verpflichtet, dies zu tun? Es ist zweifellos eine gerechte und häusliche Art, damit umzugehen, aber der Christ ist sicherlich der Gelegenheit gewachsen, nicht weniger als ein Jude oder ein Heide. Wenn etwas gegen Christus ist, dann ist es die Selbstsucht, die die Gnade ausnutzen möchte; und wir sind aufgerufen, nicht zu ehren, sondern zu tadeln und zu unterdrücken, was so unwürdig für einen Christen ist, weil es Christus falsch darstellt.
Dieser Müßiggang war eine echt unordentlicher Wandel. Und es ist eine ansteckende Krankheit, die umso mehr eine sofortige Behandlung erfordert. „Denn wir hören, dass einige unter euch unordentlich wandeln, indem sie nichts arbeiten, sondern fremde Dinge treiben“ (V. 11). So war der Meister nie, so ist ein wahrer Diener nie. Denn die Liebe in einer Welt des Elends erfreut sich daran zu dienen, anstatt den Dienst anderer zu fordern, wie es Stolz und Trägheit tun. Der Sohn des Menschen kam nicht, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele“ (Mt 20,28). Und darin ist Er sicherlich ein Vorbild für uns; und sicherlich hat der große Apostel hierin wie auch anderswo seine Größe bewiesen. Die Müßiggänger in Thessalonich hatten daher umso weniger Entschuldigung für ihren Müßiggang. Und es bestand die Gefahr von Schlimmerem, denn diejenigen, die keine Arbeit haben, neigen dazu, Wichtigtuer zu sein, wie der Apostel sie eindringlich warnt. Freizeit von der Arbeit ist Zeit für Unheil, und eine Beschäftigung mit den Angelegenheiten anderer ohne eine Pflicht ist selbst Unheil.
Aber auch hier wirkt der Glaube durch die Liebe; die Wahrheit baut auf, anstatt zu zerstören oder zu zerstreuen. Die Züchtigung hat ihr Maß, denn das Ziel ist die Wiederherstellung. „Solchen aber gebieten wir und ermahnen sie in dem Herrn Jesus Christus, dass sie, in der Stille arbeitend, ihr eigenes Brot essen“ (V. 12). Die aufdringliche Wirkung, wie auch ihre Ursache, der Müßiggang, müssen aufgegeben werden. Beides war mit dem Name des Herrn unvereinbar; aber der Apostel bittet ebenso wie er befiehlt. So ist auch das, was die Natur lehren könnte, mit unserem Herrn und Heiland verbunden. Es geht um das Reich Gottes und nicht um bloße Moral, als ob wir nur Menschen wären und Gnade und Wahrheit nicht in Christus existierten.
Aber die Gläubigen werden allgemein ermahnt, auf dem Weg all dessen weiterzugehen, was Christus gefällt und zu Ihm passt. Sie sollten weder auf der einen Seite gleichgültig sein, noch auf der anderen stolpern. Abscheu vor denen, die unwürdig wandeln, ist weder Gnade noch Rechtschaffenheit. Es war daher mit einer Warnung an andere verbunden: „Ihr aber, Brüder, ermattet nicht, Gutes zu tun. Wenn aber jemand unserem Wort durch den Brief nicht gehorcht, den bezeichnet und habt keinen Umgang mit ihm, damit er beschämt werde; und erachtet ihn nicht als einen Feind, sondern weist ihn zurecht als einen Bruder“ (V. 13–15). Es ist leicht, dass ausgezeichnete Menschen den Mut verlieren, das zu tun, was anständig und ehrenhaft ist. Die Abneigung gegen die Selbstsucht anderer ruft bei ihnen selbst bald Reaktion und Abscheu hervor. Der Apostel möchte das nicht, sondern ein gleichmäßiges und ernsthaftes Ausharren in allem, was in den Augen des Meisters anständig ist, während er mit solchen irrenden Brüdern und unehrenhaften Wegen klar umgeht. Ungehorsam sollte nicht übergangen werden: „unserm Wort durch den Brief“ war nicht ein Wort von Menschen, sondern, wie es in Wahrheit ist, Gottes Wort (1Thes 2,12), das auch in denen wirkt, die glauben, während es die, die es geringachten, schlimmer zurücklässt als zuvor. „Wir“ sind von Gott, konnten die Apostel sagen; „wer Gott erkennt, hört uns; wer nicht aus Gott ist, hört uns nicht“ (1Joh 4,6). „Ihr seid von Gott“, sagen sie zu den Gläubigen; aber die Gläubigen sollen sehen, dass sie weiterhin durch den Glauben überwinden, wie sie die Macht des Bösen überwunden haben, die sie zu Sklaven des Feindes gemacht hätte. Der Glaube, der Gottes Wort in der größten Sache beachtet, wird es nicht im Geringsten verachten, noch den Unglauben jenes Menschen übersehen, der den Namen des Herrn trägt, aber dem Wort nicht gehorcht. Er wird ihn kennzeichnen und seine Gesellschaft meiden, damit er sich schämen möge. Wird er dann von den Gläubigen ausgestoßen, als ein böser Mensch? Ausdrücklich das Gegenteil: „und erachtet ihn nicht als einen Feind, sondern weist ihn zurecht als einen Bruder“ (V. 15). Er hat schweres Unrecht getan, und die anderen sollten sich von ihm zurückziehen, aber brüderliche Ermahnung ist das Wort, nicht Ausschluss, als ob er ein Feind und ein böser Mensch wäre.
Es ist überflüssig zu sagen, dass weder das Wort καλοποιοῦντες an sich noch sein Gebrauch den Sinn von Wohltaten an anderen zulässt, wenn man es nicht als irreführend ansieht. Dies könnte im Gegenteil denen in die Hände spielen, die der Apostel tadelt. Wir dürfen τὸ ἀγαθόν nicht mit τὸ καλόν verwechseln. Sie kommen jeweils im richtigen und unterscheidenden Sinn im gleichen Zusammenhang von Galater 6,9.10 vor. Hier geht es um ehrenhaftes und aufrechtes Handeln.
Ferner könnte es von vornherein unglaublich erscheinen, wenn man es nicht als Tatsache wüsste, dass Luther und Calvin und Männer wie Grotius bis hinunter zu Winer, wenn auch die letzten zögernd und mit Änderungen, wie sie den Artikel zu beachten suchen, sich der seltsamen, der gewöhnlichen Grammatik widersprechenden Fehlinterpretation anschließen, διὰ τῆς ἐπ. als „durch einen Brief [an mich] zu nehmen!“ Bengel mit dem Äthiopier des Polyglottes verbindet die Worte mit σημ. in dem Sinn, dass er durch diesen Brief bezeichnet wird. Aber das gibt diesen Worten eine ganz unnatürliche Betonung, die dadurch aus dem wahren und gewichtigen Zusammenhang mit „unserem Wort“ herausgelöst wird und ihm σημ. eine ungewöhnliche und (wie ich meine) ungebührliche Kraft verleiht.