Behandelter Abschnitt 2Thes 1,1-4
Der erste Brief an die Thessalonicher befasste sich mit einem Irrtum der dortigen Gläubigen bezüglich derer, die in Christus entschlafen waren. In ihrer unreifen und einnehmenden Beschäftigung mit dem Kommen oder der Gegenwart des Herrn hatten sie zu voreilig behauptet, dass solche Gläubigen, die nicht lebend gefunden wurden und auf Ihn warteten, ihren Anteil verlieren würden, nicht natürlich am ewigen Leben und an der Erlösung, sondern in jenem gesegneten Augenblick seiner Ankunft. Dieser Irrtum wurde korrigiert, nicht nur durch die Einführung des großen Prinzips eines gestorbenen und auferstandenen Christus, mit dem wir verbunden sind, und von besonderer Freude für die, die in Ihm entschlafen sind, sondern durch eine besondere Offenbarung, die deutlich machte, dass der Herr herabsteigt, um zuerst die Toten in Christus aufzuerwecken und die Gläubigen, die bis zu seinem Kommen auf der Erde leben, zu verwandeln (Kap. 4,13–17), damit sie alle mit Ihm zusammenkommen.1
Im zweiten Brief ging es um die Täuschung, die die Irrlehrer den
Gläubigen aufzudrängen versuchten, und sogar mit der Behauptung des
Wirkens des Geistes und einem angeblichen Brief des Apostels, die
Lebenden, die der Feind zu erschüttern und zu beunruhigen suchte unter
der Befürchtung, der Tag sei bereits da. Alle wussten, dass der Tag
des Herrn durch Finsternis und göttliche Gerichte eingeläutet
werden würde, und diese versuchte Satan den Gläubigen vorzustellen, um
sie mit Schrecken und Angst zu erfüllen. Das ist eindeutig die
natürliche Erwartung eines Juden, der, auch wenn er gänzlich auf die
Treue Gottes vertraut, nicht anders kann, als eine schreckliche Zeit der
Drangsal und des Gerichts zu erwarten, die dem Reich der Herrlichkeit
für Israel auf der Erde vorausgehen wird (Jes 2; 4,13; Jer 30;
Wie der Feind immer am Werk ist, um das Herz des Christen zum Gesetz zurückzuführen, wenn er ihn nicht in die Gesetzlosigkeit verführen kann, so hat er in Thessalonich und seitdem seine List angewandt, um die Hoffnung zu verschleiern, indem er den Herrn als im Begriff darstellte, zum Gericht zu erscheinen, anstatt dass die Braut sich freuen würde, wenn Er zuvor als Bräutigam kommt. Die Täuschung ist umso gefährlicher, weil der Tag des Herrn eine wichtige Wahrheit an sich ist und es dabei um die offenbarte Zeitspanne des göttlichen Eingreifens und Segens für das alte Volk Gottes geht. Wie das Kommen des Erlösers für uns, die wir jetzt glauben und vom Himmel her auf Ihn warten, mit dem prophetischen Zeugnis zusammenpassen würde, muss noch undeutlich gewesen sein, denn es gab kein geschriebenes Wort, das diese Wahrheit definiert oder die Schwierigkeit gelöst hätte. Daher die Bedeutung dieser neuen Mitteilung. Denn die Frage wurde durch den Versuch Satans aufgeworfen, die Gläubigen von der Freude an ihrer eigenen echten Hoffnung abzubringen. Sie waren aufgewühlt durch den falschen Alarm, dass der Tag tatsächlich da sei. Das verdunkelte mehr oder weniger völlig ihre leuchtende und sehnsüchtige Erwartung des Erlösers, der kommen würde, um sie zu sich zu nehmen und sie, Ihm vollkommen gleich in der Herrlichkeit, dem Vater mit übergroßer Freude vorzustellen.
Wie im ersten Brief setzt sich der Apostel nicht sofort mit dem Irrtum auseinander, sondern bereitet die Herzen der Gläubigen allmählich und von allen Seiten so vor, dass sie die Wahrheit festhalten und den Irrtum zurückweisen, sobald er entlarvt ist. Das ist der Weg der göttlichen Gnade und Weisheit. Das Herz wird befestigt und nicht der bloße Punkt des Irrtums oder des Bösen behandelt. Gerade der Fallstrick wird so zum Anlass für neuen und tieferen Segen; und wenn alle Wahrheit befestigt wird, so wird der Herr umso mehr genossen.
Paulus und Silvanus und Timotheus der Versammlung der Thessalonicher in Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus: Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Wir sind schuldig, Brüder, Gott allezeit für euch zu danken, wie es angemessen ist, weil euer Glaube überaus wächst und die Liebe jedes Einzelnen von euch allen zueinander überströmend ist, so dass wir selbst uns euer rühmen in den Versammlungen Gottes wegen eures Ausharrens und Glaubens in allen euren Verfolgungen und den Drangsalen, die ihr erduldet (1,1‒4).
Es ist unmöglich, die Bemerkungen von Chrysostomus über die Anrede an
„die Versammlung“ statt an „die Heiligen“, wie in anderen Briefen, als
fundiert und zufriedenstellend zu akzeptieren. (Field’s ed. v.
314, Oxon. 1855). Es hat nichts mit der vergleichsweise geringen Anzahl
und ihrer Zusammenfassung in einer einzigen Gesellschaft zu tun. Denn in
keiner Stadt waren die Gläubigen vielleicht zahlreicher als in
Jerusalem, wenn wir von der Versammlung dort lesen (
So schließt der Apostel in der Anrede wieder seine geliebten Mitarbeiter mit ein, die die Gläubigen in Thessalonich schon kannten, als die Versammlung dort gegründet wurde, und er charakterisiert die Versammlung wieder als in Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus: Der eine trennt sie von den Heiden, der andere von den Juden. In der Tat stellten beide sie im Grunde mit beiden in Gegensatz. Denn was wusste ein Jude mehr als ein Heide von einer solch neuen lebendigen und innigen Beziehung zu Gott als Vater? Und was wusste ein Heide mehr als ein Jude von einem verworfenen, aber auferstandenen Herrn und Erlöser im Himmel? „Unserem“ wird hier hinzugefügt im Vergleich zur Eröffnungsformel im ersten Brief. Ist das nicht dazu da, die Gläubigen nachdrücklich anzusprechen, die, wie gut sie auch in den meisten Dingen wandelten, mehr denn je an ihre gemeinsame Beziehung zu dem, der schrieb, und zu allen Gläubigen, zu dem, dessen Gnade die Quelle allen Segens ist, erinnert werden mussten?
Nach wie vor ist er der Meinung, dass sie Gott immer für sie zu danken haben, nicht nur, weil sie Gegenstände seiner Gnade waren, sondern auch, weil ihr Glaube stark wuchs und die Liebe jedes einzelnen und aller zueinander im Überfluss vorhanden war. Das war viel. Doch was ist mit ihrer Freude der Hoffnung auf den Heiligen Geist? Hiervon sagt er nichts. Und das Fehlen ist umso auffälliger, als er in der Einleitung des ersten Briefes davon gesprochen hatte, dass sie nicht nur ihrer Werke des Glaubens und der Bemühung der Liebe, sondern auch ihrer Ausharren der Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus ohne Unterlass gedenken sollten. Hier gibt es für den aufmerksamen Beobachter ein unheilvolles Schweigen über eine solch eine dauerhafte Beständigkeit der Hoffnung. Doch es wird nichts gesagt, um ihre Herzen zu beschweren, sondern all das, was er sagen konnte, um sie zu ermutigen. Tatsache ist, dass ihre Hoffnung auf Christus bewusst, aber ernsthaft untergraben und getrübt wurde, nicht durch unangemessene Aufregung, sondern durch Aufregung und Unruhe des Gemüts, als ob der furchtbare Tag des Herrn bereits angebrochen wäre. Das brachte eine Furcht mit sich, die ihre Erfahrung der Verfolgung und der äußerlich anstrengenden Umstände verdunkelte, obwohl der Apostel sich in der Versammlung Gottes ihres Ausharrens und ihres Glaubens in allen Verfolgungen und Bedrängnissen, die sie ertragen mussten, rühmen konnte.
Aber Ausharren und Glaube brauchen die Kraft der Hoffnung, um in Frische erhalten zu bleiben. Es wird und muss einen Mangel geben, wenn Christus nicht persönlich vor dem Herzen steht als der, der jeden Augenblick kommen kann, um die Seinen zu sich zu nehmen. Aber noch mehr, es kann nicht anders sein, als dem entgegenwirkenden und beunruhigenden Einfluss der Furcht ausgesetzt zu sein, wodurch jemand der deutlichen täuschenden Macht des Feindes ausgesetzt ist, wie wir hier finden werden. Schon im ersten Brief war der Apostel in dieser Hinsicht nicht ohne Befürchtungen; und deshalb sandte er Timotheus, um sie in ihrem Glauben zu stärken und zu trösten, damit niemand durch diese Drangsale beunruhigt werde; denn sie wussten ja, dass wir dazu berufen sind. Denn sie hatten gewiss nicht vergessen, dass Paulus, als er bei ihnen war, ihnen vorhergesagt hatte, dass wir Drangsal erleiden würden, wie sie denn auch wussten, dass es geschah. Aber das hat die Sorge des Apostels für sie nicht gehindert, sondern eher noch verstärkt, „ob nicht etwa Versucher euch versucht habe und unsere Arbeit vergeblich gewesen sei“ (1Thes 3,5).
Denn der Feind kann natürlich letztlich nichts wirklich Gutes oder Segensreiches verhindern; aber er kann und wirkt am kräftigsten durch die Furcht vor dem Bösen, besonders dort, wo das Gewissen belastet oder beunruhigt wird. Darin liegt seine große Macht, Angst zu schüren, indem er sich Gottes eigene angedrohte Gerichte über eine schuldige Welt zunutze macht. Er mag einen Ungläubigen täuschen, indem er ihm mit falschem Frieden und falschen Hoffnungen schmeichelt, von denen der Gläubige durch das Evangelium befreit ist, aber wenn er nicht mit der Hoffnung auf Christus erfüllt ist, kann er leicht durch den Druck und die Vielfalt und das Fortbestehen von Drangsalen in Schwierigkeiten geraten, besonders wenn Satan ihn in Furcht versetzt, dass es sich dabei um gerichtliche Maßnahmen Gottes an der Welt handelt, in die er wie andere verwickelt ist. Wo das Herz in Frieden und Vertrauen vor Gott bewahrt wird, kann der Verstand einsichtsvoll urteilen. Furcht entnervt Menschen, die mit schmerzlichen Umständen beschäftigt sind, und stürzt alles in Verwirrung; denn Gott und das Wort seiner Gnade leiten dann nicht mehr in ruhigem Vertrauen auf seine Liebe, die niemals versagt und uns durch unseren Herrn Jesus Christus den Sieg gibt.
Der Apostel möchte vielmehr, dass sie aus all ihren Verfolgungen und Drangsalen, die sie erdulden mussten, neuen Mut schöpfen, indem er sie wissen lässt, dass er selbst sich gerade deswegen ihrer rühmte. So bittet er die Philipper, sich später in nichts von den Widersachern erschrecken zu lassen, was für die Gläubigen ein so offensichtliches Zeichen des Verderbens ist, wie es für die Gläubigen des Heils ist, und das von Gott (Phil 1,28). Denn es ist ein echtes Vorrecht im Namen Christi, nicht nur an Ihn zu glauben, sondern auch um seinetwillen zu leiden. Es ist ein Teil des großen Kampfes, der immer zwischen Satan und denen tobt, die Christus angehören. Das mussten die Thessalonicher erst noch lernen. Wir werden im Folgenden sehen, wie geschickt der Apostel sie auf einer allgemeinen Grundlage zurechtbringt, bevor er im zweiten Kapitel die direkte Korrektur des Irrtums anspricht.
1 Wenn Er in Herrlichkeit öffentlich erscheint (vgl. 3,13; 2Thes 1,7.10) [WM].↩︎