Behandelter Abschnitt 1Thes 4,15-18
Aber wie kann das sein, da sie im Tod schlafen und Er in Macht und Herrlichkeit vom Himmel kommt? Hierauf folgt eine höchst erhellende und frische Mitteilung „im Wort des Herrn“, die die Schwierigkeit klärt, indem sie die Reihenfolge der Ereignisse und damit den Weg aufzeigt, auf dem die entschlafenden Gläubigen mit Jesus kommen werden. Die Gläubigen in Thessalonich hatten sich eingebildet, dass die Entschlafenen die glückselige Wiedervereinigung verpassen oder zumindest hinter den Lebenden, die übrig bleiben, zurückbleiben würden. Aber das ist nicht so.
(Denn dieses sagen wir euch im Wort des Herrn, dass wir, die Lebenden, die übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen keineswegs zuvorkommen werden. Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme eines Erzengels und mit der Posaune Gottes vom Himmel herabkommen, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und so werden wir allezeit bei dem Herrn sein. So ermuntert nun einander mit diesen Worten) (4,15‒18).
Das ist die wunderbare Andeutung in dieser eindrucksvollen Begebenheit, die uns in Klammern zu den einleitenden Worten bringt, die ihnen versicherten, dass der Herr kommen würde und die Gläubigen, einschließlich derer, die entschlafen, mit Ihm. Hier lernen wir, wie es sein kann: Er kommt zuerst für sie herab und bringt sie danach mit sich.
Aber es gibt weitere Einzelheiten. Er wird selbst vom Himmel herabkommen mit „gebietendem Zuruft“. Das verwendete Wort, das im Neuen Testament nur an dieser Stelle vorkommt, kann nur eine besondere Bedeutung haben. Außerhalb der Schrift wird es für den Ruf eines Generals an seine Soldaten, für den eines Admirals an seine Matrosen oder manchmal auch ganz allgemein als ein Ruf zum Ansporn oder zur Ermutigung verwendet.
Es scheint am besten geeignet, um ein Wort des Befehls an diejenigen zu übermitteln, die in unmittelbarer Beziehung zueinanderstehen. Es gibt keinen Hinweis auf einen Ruf, der für die Welt, für die Menschen im Allgemeinen, zu hören ist. Es geht hier um die Seinen, damit sie sich Ihm in der Höhe anschließen. „Mit der Stimme des Erzengels“ kommt die höchste Herrlichkeit des himmlischen Geschöpfs, um den Herrn bei dieser alles überragenden Gelegenheit zu begleiten. Wenn die Engel jetzt den Gläubigen dienen, wie wir wissen, dass sie es auch bei Ihm taten, wie passend ist es dann, von „der Stimme des Erzengels“ zu hören, wenn sie sich so um Ihn versammeln! Auch die „Posaune Gottes“ ist nicht stumm in einem solchen Augenblick, wenn alles, was dem sterblichen Menschen angehört, in der Gegenwart Christi vom Leben verschlungen werden wird.
Dementsprechend werden „die Toten in Christus“ zuerst auferstehen. Es geht nicht um den ersten Menschen, sondern um den zweiten; und alle, die entschlafen sind, „werden zuerst auferstehen“. So unbegründet war der verzweifelte Kummer derer in Thessalonich. So weit gehen sie den lebenden Gläubigen voraus, indem sie die ersten sind, die die Kraft des Lebens im Sohn Gottes erfahren. Die Wahrheit ist jedoch, dass der zeitliche Unterschied nur geringfügig ist; denn „danach werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in der Luft.“ Die Entrückung aller verwandelten Gläubigen erfolgt gleichzeitig. Der Kummer derer, die an der vollen Glückseligkeit der inzwischen Entschlafenen zweifelten, war in Wirklichkeit Unwissenheit und Unglaube; denn wenn sie auch die neue Offenbarung des Herrn nicht voraussehen konnten, so hätten sie doch aufgrund ihrer gottgegebenen Erkenntnis seiner Liebe und seiner Erlösung mit seiner Gnade gegenüber den heimgegangenen Gläubigen nicht weniger rechnen müssen als gegenüber den lebenden. Sie hätten das nötige Licht über die Einzelheiten bei denen suchen können, die auferweckt und vom Herrn beauftragt wurden, es zu vermitteln. Wir können uns aber leicht vorstellen, wie die Eile in ihnen wie in uns sogar schädlich wirkte. Aber was für eine unaussprechliche Gnade, dass die Gnade dem Bedürfnis entsprach, den Fehler damals zu korrigieren und ihn später zu verhindern! So ist es gewöhnlich in den Briefen, und zwar besonders in den Briefen, wie auch in der ganzen Heiligen Schrift.
Es ist wichtig zu beachten, dass „die allgemeine Auferstehung“ diesem Teil des Wortes Gottes ebenso fremd ist wie jedem anderen. Es wird allein von den gläubigen Toten und den gläubigen Lebenden gesprochen. Nicht, dass es nicht auch eine Auferstehung der Ungerechten und der Gerechten geben wird. Aber so etwas wie eine Auferstehung aller Menschen in einem Augenblick gibt es in der Schrift nicht. Vor allen Dingen trennt die Auferstehung die Menschen am deutlichsten voneinander. Bis dahin mag es eine mehr oder weniger große Vermischung des Bösen mit dem Guten geben, auch wenn es eine Schande für den Herrn und eine Verletzung für sein Volk ist. Aber der Schein trügt, und die absolute Trennung ist nicht zu finden, und Gott benutzt die dadurch hervorgerufene Prüfung zum Segen für die, deren Auge einfältig ist. Aber bei seinem Kommen wird die Trennung vollständig sein, bei seinem Erscheinen wird sie offenbar sein. Daher wird die Auferstehung der entschlafenden Gläubigen eine Heraus-Auferstehung aus den Toten genannt, was man von der Auferstehung der Gottlosen nicht sagen kann, denn dann bleibt niemand mehr übrig, der noch auferweckt würde. So werden beide Gruppen getrennt voneinander auferweckt, und die traditionelle Vorstellung von einer allgemeinen Auferstehung der Toten ist falsch. Daniel 12 spricht von einer Auferweckung Israels, Matthäus 25 vom Gericht des Herrn über die Nationen: Beides bezieht sich nicht auf die buchstäblich Toten.
Aber die moralische Konsequenz des Irrtums ist so ausdrücklich schlecht, wie die Wahrheit heiligt. Denn die Handlung einer allgemeinen Auferstehung verbindet sich mit einem allgemeinen Gericht, und so wird Unklarheit in das Denken des Gläubigen gebracht, der dadurch die Wahrheit der Errettung als einer gegenwärtigen Sache und das Bewusstsein, ewiges Leben in Christus zu besitzen, im Gegensatz zum Kommen ins Gericht verliert (vgl. Heb 9,27.28 und Joh 5,24). Eine der Hauptbemühungen des Feindes ist es, diesen ernsten Unterschied aufzuheben: Er würde, wenn er könnte, die Freude des Gläubigen an der Gnade Gottes in Christus erschüttern; er würde den Ungläubigen in eine tödliche Ruhe einlullen, gleichgültig gegenüber seinen Sünden und dem Heiland. Die erste Auferstehung der Gläubigen, die durch mindestens tausend Jahre (Off 20) von der der übrigen Toten, der Gottlosen, die zum Gericht und zum Feuersee auferstehen, getrennt ist, ist der stärkste mögliche Gegenbeweis für die vorherrschende Verwirrung, ein ungeheuer ernster Appell an das Gewissen des Ungläubigen, ein höchst aufmunternder Trost für die, die sich damit begnügen, jetzt mit Christus zu leiden.
Ferner ist es unbestreitbar, dass der Tod keineswegs die Hoffnung des Gläubigen ist, sondern das Kommen Christi, wenn jede Anstrengung und jede Spur des Todes von den verstorbenen Gläubigen wie auch von den lebenden Christen ausgelöscht sein wird, die die Sterblichkeit, wie auch andere, in sich wirkend haben. Dann wird sie vom Leben verschlungen werden; denn um sie zu sich zu nehmen, kommt Er, der die Auferstehung und das Leben ist. So wird der, der an Ihn glaubt, obwohl er gestorben ist, leben; und der, der an Ihn glaubt, wird niemals sterben. Der Tod ist nicht der Bräutigam, sondern nur ein Diener (denn alle Dinge sind unser), um uns, abwesend vom Körper, in die Gegenwart des Herrn zu bringen. Aber hier handelt es nicht darum, dass jemand nur individuell nach dem Sterben zu Ihm geht, sondern sein Kommen, der Überwinder des Todes, für uns alle, ob schlafend oder wachend, damit wir in sein herrliches Bild verwandelt werden, auch was den Leib betrifft.
Aber es gibt noch ein weiteres und viel kostbareres Vorrecht, das hier angedeutet wird. „Und so werden wir allezeit bei dem Herrn sein“ (V. 17). Letzteres ist die tiefste Freude des abgesonderten Zustandes, wenn ein Gläubiger abscheidet, um dann bei Christus zu sein. So war es auch bei dem sterbenden, aber gläubigen Räuber: Christus versicherte ihm, dass er an diesem Tag mit Ihm im Paradies sein würde (Lk 23,43). Allerdings war ein solcher Zustand nur ein unvollkommen Zwischenzustand, wenn auch gesegnet. Denn es war noch nicht der verherrlichte Leib, auch waren alle Gläubigen noch nicht versammelt. Bei seinem Kommen wird alles vollständig und vollkommen sein für die himmlische Familie, „und so werden wir allezeit bei dem Herrn sein.“ Was kann zu solchen Worten der unendlichen und ewigen Freude fehlen oder hinzugefügt werden? „So ermuntert nun einander mit diesen Worten“ (V. 18). Der Heilige Geist sagt zu diesem Abschluss nichts mehr. Was vollkommen ist, wird dann kommen.