Wir haben gesehen, dass das Gestorbensein mit Christus und die entsprechenden Konsequenzen vor der Gefahr schützen, die den Gläubigen in Kolossä drohte und dass sie das Böse beurteilten, in das der Satan sie hineinzuziehen versuchte. Aber mit Christus gestorben zu sein wurde dort hauptsächlich unter einem negativen Gesichtspunkt betrachtet. Warum unterwarfen sie sich noch Satzungen? Das sollte nicht der Fall sein, denn sie waren mit Christus gestorben und im Hinblick auf die Elemente der Welt gestorben und hatten daher nichts mit Satzungen zu tun. Diese mögen für die in der Welt lebenden Menschen gut genug sein, doch könnten nicht notwendigerweise für die gelten, die für die Welt tot sind. Das war ein völliger geistlicher Widerspruch. Nun ist der Christ tot kraft des Kreuzes Christi. Das ist alles eine Sache des Glaubens. Natürlich ist er von Natur aus lebendig; er ist auch geneigt, wenn er sich nicht mit Christus, seinem Leben, beschäftigt, alte Gedanken und Gewohnheiten und dergleichen wieder aufleben zu lassen. Als Gläubiger sollte ich jedem Urteil, jedem Gefühl, das ich als natürlicher Mensch hatte, misstrauen, weil ich daran denke, dass der natürliche Mensch nicht annimmt, was des Geistes Gottes ist (1Kor 2,14).
Aber jetzt wird der Christ als ein toter Mensch gesehen, ja, tot für die Welt, die ihr Bestes tut – ja, auch tot für die religiöse Welt. Das Beste, was auf dem Gebiet der Natur erreichbar ist, ist: „Berühre nicht, koste nicht, betaste nicht.“ Das ist der einzige Weg, den Sieg zu erringen, der in Wirklichkeit gar kein Sieg ist, sondern nur die Enthaltsamkeit von bestimmten Dingen oder ein System von fleischlichen Einschränkungen. Das ist völlig anders als das Prinzip des Christen. Er sucht den Sieg der Gnade. Denn der Tod Christi hat ihn von der gesamten Grundlage der Natur befreit, indem er nichts berührt, kostet oder betastet. Das war das jüdische Prinzip, und nicht nur das, denn es war die natürliche Religion für den Menschen. Nur so versucht der Mensch, das Böse in der Welt zu vermeiden. Das Christentum vermeidet nicht nur das Böse im Innern und in der Umgebung, sondern bringt dem Bösen den Tod. Christus ist dafür gestorben, und der Christ sollte sich für alles, was von der Welt ist, ob moralisch oder religiös, ebenso entschieden für tot halten wie für das Grobe, Intellektuelle oder Ungläubige.
In Kapitel 3 gehen wir noch einen Schritt weiter. Der Apostel geht davon aus, dass wir mit Christus auferstanden sind. Es ist nicht nur so, dass wir sterben und auferstehen werden, sondern dass wir gestorben und auferstanden sind. Sogar viele Christen, die die Worte ständig gebrauchen, gehen nicht wirklich auf die Bedeutung dieser Sprache ein, und zwar aus dem offensichtlichen und ausreichenden Grund: Sie leben nicht praktisch in der Wahrheit dieser Sprache. Sie sind gewohnheitsmäßig zu sehr mit der Welt verbunden, um eine solche absolute Trennung von ihr zu verstehen. Es ist nicht so, dass sie stumpfsinnig sind in den Dingen und Interessen der Natur. Aber ihre Sprache und ihr Verhalten verraten sie und beweisen, wie weit sie von der Erkenntnis der Schrift selbst entfernt sind. Sie ersetzen die Wahrheit durch Mystik.
Bevor Christus kam, hatte Gott ein System von Satzungen eingeführt. Das Judentum war die Religion der Welt in ihrer besten Form. Diejenigen, die in dieser Schule erzogen wurden, bis sie durch die Gnade eine völlige Veränderung erfuhren, haben die charakteristischen Merkmale des Christentums nie verstanden. Sein Charakter war ihnen verborgen. Die Juden hatten keine Vorstellung davon, dass das Fleisch völlig verdorben ist – der Sinn für Sünde, das Verständnis für die Gnade Gottes, war gering. Als Nation standen sie unter dem Gesetz, unter dem levitischen Priestertum, unter äußerlichen Opfern, unter fleischlichen Verordnungen. All das war ein Teil dessen, was sie erleben mussten, wobei große Wahrheiten unter diesen einfachen Bildern verborgen waren. Die Christenheit hat die Dinge aufgegriffen, die für einen Juden gut genug waren, die aber jetzt die Elemente der Welt (Kol 2,20) genannt werden, wie sie es in Wahrheit sind. Sie wurden nicht so beurteilt, als Gott mit Israel handelte. Es war jedoch das, wozu die Welt fähig ist. Jetzt werden sie als Elemente der Welt betrachtet. Bis zum Tod Christi war das allerdings nicht so.
Es gibt zum Beispiel viele, die denken, dass man ohne ein heiliges Gebäude und entsprechende Zeremonien keine angemessene Anbetung für Gott haben kann; und je schöner das Gebäude und je eindrucksvoller das Ritual ist, desto mehr denken sie, dass es Gott wohlgefällig sei. Nun ist all dies Teil der Elemente der Welt. Wiederum gibt es solche, die meinen, man könne das Abendmahl nicht ohne eine offiziell dazu geweihte Person feiern. Es gibt keinen solchen Brauch in der Versammlung Gottes. Der Apostel verwirft das ganze System. Es ist eine Erfindung des Feindes. Die neutestamentlichen Schriften, die die Versammlung offenbaren, schließt dies alles aus. Es ist nicht nur nicht gut, sondern alle solchen Gedanken und Wege sind jetzt böse, da sie dem Kreuz und der himmlischen Herrlichkeit Christi widersprechen.
Die Schrift bleibt unveränderlich (was auch immer die Veränderungen in der Christenheit sein mögen), und wir haben es nötig, dass wir uns dem Licht der Schrift anvertrauen. Dies ist ein einfacher, aber gewaltiger Schutz – kehren wir zu Gottes Wort zurück und halten wir uns allein daran fest. Der Teufel war an diesem judaisierenden Werk unter den Kolossern beteiligt. Sein großes Ziel war es, sie zu Satzungen zu verleiten, zu jüdischen Formen, die einst ihren rechtmäßigen Platz hatten, aber jetzt nicht mehr in Kraft sind. Das Christentum behandelt sie als bedeutungslos. Und in der Tatbehalten sie keinerlei Wert, werden sie als kindisch, und sogar als götzendienerisch für den Christen angesehen.
Das war natürlich eine sehr ernste Schwierigkeit für einen Juden. All das, was Moses, David, Hiskia als religiöse Bräuche beachteten, sollten sie jetzt aufgeben? Ja, denn Christus war gekommen; und sollten sie jetzt nicht auf Ihn hören? Die Erlösung, die das Wesen ihrer Abbilder war, war vollbracht; sollte man das missachten? Der große Irrtum der Christenheit war beständig, zu Satzungen zurückzukehren.
Nehmen wir das Prinzip der Ordination von Menschen; ist es nicht genau das? Es ist wahr, dass nicht alle Christen die gleiche Gabe oder den gleichen Platz haben; es gibt nur einige wenige, die begabt sind, den vielen zu helfen, sie anzuleiten und zu unterweisen. Was für manche eine Schwierigkeit zu sein scheint, ist, dass Christus bis zum Kreuz natürlich mit dem jüdischen System verbunden war. Aber das endete mit seinem Kreuz, seiner Auferstehung und seiner Himmelfahrt. Die Verbindung des Christen mit Christus gründet sich seither auf das Kreuz, das den Schleier zerriss und damit das jüdische System auflöste. Deshalb heißt es:
Wenn ihr nun mit dem Christus auferweckt worden seid, so sucht, was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes (3,1).