Er fährt fort, um zu zeigen, wie sehr das Werk Gottes sie von den Dingen des Fleisches und des Gesetzes befreien würde:
als er ausgetilgt hat die uns entgegenstehende Handschrift in Satzungen, die gegen uns war, hat er sie auch aus der Mitte weggenommen, indem er sie an das Kreuz nagelte (2,14).
Und doch wollten sie wieder Satzungen haben! Die einzige Wirkung dieser Handschrift war, dass sie gegen sie stand; das ist sehr stark ausgedrückt, und der Apostel wiederholt es in einer doppelten Form.
Diese Gläubigen in Kolossä waren nicht so weit in die Gesetzlichkeit abgerutscht, dass sie die Christen unter die zehn Gebote als Lebensregel stellten. Sogar Verordnungen einzuführen war nicht so verderblich, weil sie wenigstens ihren ganzen Wert von der Wahrheit Christi ableiten, die in ihnen ausgedrückt und vorgeschattet wird. Dennoch gibt es keinen geeigneteren Nährboden für den Geist der Selbstgerechtigkeit in den Selbstsicheren und den des Misstrauens und der Verzweiflung in den Zaghafteren, als das Gesetz zur Lebensregel zu machen, und so den Weg der Gnade ins Gegenteil zu verkehren. Der Apostel besteht darauf, dass die grundlegende Wahrheit des Christentums, der Tod und die Auferstehung, verleugnet werden, wenn wir das Prinzip von Satzungen zulassen, weil sie den Menschen als lebend in der Welt und nicht als gestorben und auferstanden in Christus voraussetzen. Die, die irregeleitet werden, mögen nicht diese Absicht haben, aber der Feind, der sie in die Irre führt, hat diese Absicht sehr wohl. Es ist ein Zurückkehren zu Handlungen, die einen vorbereitenden Charakter tragen, ein Zurückkehren zum Fleisch und zur Welt, und es ist in der Tat ein Verlassen der herrlichen Vorrechte Christi. Der Apostel geht hier nicht wie im Galaterbrief auf die Folgen ein, die sich daraus ergeben, dass wir zur Erfüllung des ganzen Gesetzes verpflichtet sind, wenn wir es überhaupt wagen, uns darunterzustellen; aber er zeigt, dass es eine Verleugnung Christi ist, so wie wir Ihn kennen, wenn wir in irgendeiner Form zum Gesetz zurückkehren, seien es Verordnungen oder nicht. Es ist gerade so töricht, als wenn man etwa Erwachsenen vorschlagen wollte, zur Erziehung durch die Rute oder zum Wert der Fibel oder der Belohnung durch Spielzeug zurückzukehren
Jemand mit philosophischen Neigungen könnte aus dem Ritus der Beschneidung eine weitaus geistlichere Sache machen, als jeder andere aus dem Gesetz als Lebensregel herausstellen könnte. Denn sie könnten sagen, dass die Beschneidung nur ein altes und von Gott gegebenes Zeichen dessen war, was wir jetzt in Christus haben. Aber der Schritt war verhängnisvoll; denn wenn sie dieses äußere Zeichen der geistlichen Gnade zuließen, so war es ein Zurückkehren zu dem Schatten, obwohl das Eigentliche gekommen war; es war auch ein Aufgeben der Gnade für das Prinzip des Gesetzes. Die Väter hatten zweifellos die Beschneidung vor Mose, die dann besonders mit der Verheißung verbunden war. Doch obwohl sie ursprünglich vor der Verpflichtung der Nation auf das Gesetz am Sinai war, war sie danach so in das Gesetz eingebettet, dass sie nicht davon getrennt werden kann. Führt die Beschneidung ein; und wenn ihr euch nicht selbst unter das Gesetz stellt, stellt euch das Gesetz unter dessen ganzes System und trennt euch prinzipiell von Christus als dem erhabenen himmlischen Haupt, das die Erlösung vollbracht hat.
Wenn es also eine Verordnung gab, die mehr als jede andere Verheißung und Gnade symbolisierte, so war es die Beschneidung; und doch war der Apostel so stark, dass er den Galatern sagt, dass sie, wenn sie die Beschneidung anerkennen, schuldig sein würden, das ganze Gesetz zu halten. Den Kolossern gegenüber geht er noch weiter und zeigt, wie es dem Werk Christi widerspricht und den Platz der Verbindung mit Ihm aufhebt, in den wir dadurch vor Gott gebracht werden. Deshalb deutet er hier an, welche Art von Beschneidung wir als Christen bereits haben; sie ist göttlicher und nicht menschlicher Art: „in dem ihr auch beschnitten worden seid mit einer nicht mit Händen geschehenen Beschneidung, in dem Ausziehen des Leibes des Fleisches“ (V. 11). „Mit ihm begraben in der Taufe, in dem ihr auch mitauferweckt worden seid“ (V. 12).
Im Galaterbrief steht das Gesetz im Zusammenhang mit der Rechtfertigung, im Kolosserbrief mit dem auferstandenen und im Himmel befindlichen Christus. Christus ist jedenfalls dort; und obwohl wir nicht gesehen werden, dass wir dort in Ihm sind, bestimmt seine Erhöhung zur Rechten Gottes wirklich unseren Platz als gestorben mit Ihm und auferstanden mit Ihm; nicht bloß als gerechtfertigt durch sein Blut, sondern tot und auferstanden mit Ihm. Unterwerfen wir uns Satzungen, so leugnen wir all diese überaus reichen Segnungen; denn was hat Christus nun mit dem Gesetz zu tun? Und wir sind mit Christus verbunden, wie Er ist, nicht wie Er unter dem Gesetz war.
Im Hebräerbrief haben wir etwas anderes; es ist nicht unser Tod und unsere Auferstehung mit Christus, sondern Christus erscheint jetzt für uns in der Gegenwart Gottes in Herrlichkeit, was auf der Vollkommenheit seines Werkes beruht, seinem einen Opfer, das die Sünde für immer weggetan hat. Er ist dort zur Rechten Gottes, weil Er durch sich selbst unsere Sünden getilgt hat. Das Gesetz als ein Kodex oder ein System für uns ist unvereinbar mit dem Platz Christi in der Herrlichkeit als die leuchtende Darstellung unseres Triumphes durch Gottes Gnade; und das ist die christliche Art, Christus zu betrachten. Wir finden im Hebräerbrief zwar nicht unsere Verbindung mit dem gestorbenen oder auferstandenen Christus; noch weniger finden wir unserer Vereinigung mit Ihm im Himmel; auch nicht die Rechtfertigung, wie im Römer- und Galaterbrief; aber der Wert seines Werkes, gemessen an seiner Stellung im Himmel, leuchtet dort mit besonderem Glanz. Jede Anerkennung von Satzungen erweist sich nun als eine Verleugnung seines Werkes und der Herrlichkeit, die Er im Himmel hat, auch in der Gefahr, die zum Abfall führt.
Im Allgemeinen wird, wie wir nur zu gut wissen, auf Satzungen zurückgegriffen, um Unzulänglichkeiten auszugleichen, den geistlichen Appetit zu wecken und so weiter. Solche Satzungen beinhalten in der Christenheit nicht die offene oder trotzige Verleugnung Christi, sondern die Zuführung gewisser Glaubenshilfen (!) oder Gefühle neben Christus. Genau das, behauptet Paulus, ist so unglaublich und böse.
als er ausgetilgt hat die uns entgegenstehende Handschrift in Satzungen, die gegen uns war, hat er sie auch aus der Mitte weggenommen, indem er sie an das Kreuz nagelte (2,14).
Beachte: nicht gegen dich, sondern gegen uns. Wenn der Apostel auf die Wirkung des Gesetzes zu sprechen kommt, sagt er nicht „euch“, sondern „uns“; noch einmal „die uns entgegenstehende Handschrift in Satzungen, die gegen uns war, hat er sie auch aus der Mitte weggenommen, indem er sie an das Kreuz nagelte“ (V. 14).
Tatsache ist, dass die Gläubigen in Galatien, da sie Heiden waren, überhaupt nicht unter dem Gesetz waren; und deshalb sagt er nicht „euch“; aber als er kurz zuvor von den Sünden sprach, sagte er „euch“: „Und euch, als ihr tot wart in den Vergehungen“. Das macht die Unterscheidung sehr deutlich. „Euch“ kommt in Vers 13 vor, weil es jetzt auf jeden Sünder zutrifft, ob Jude oder Heide; während es in Vers 14 „uns“ ist, weil niemand außer Juden, strenggenommen, unter dem Gesetz war. Die Anspielung auf die Handschrift war auch sehr bemerkenswert; denn die Heiden hatten nie ihre Hände auf die Satzungen gelegt, während die Juden beteuert hatten: „Alle Worte, die der Herr geredet hat, wollen wir tun“ (2Mo 24,3), und darauf mit dem Blut besprengt worden waren, als Siegel des gesetzlichen Bundes, den sie unter Androhung des Todes unterzeichnet hatten.