Im letzten Abschnitt haben wir gesehen, wie der Apostel von den Wirkungen des Evangeliums sprechen konnte, nachdem sie es gehört und die Gnade Gottes in Wahrheit erkannt hatten. Die Gnade ist nicht wie das Gesetz. Die zehn Gebote sind hauptsächlich negativ. Das Gesetz befasst sich größtenteils mit dem, was böse ist, und verurteilt es; aber das Evangelium offenbart Christus als eine belebende, stärkende und Frucht bringende Kraft. Da es ein Lebensprinzip ist, dehnt es sich aus und wächst und bringt Frucht, wie der Apostel es beschreibt: „das zu euch gekommen ist, wie es auch in der ganzen Welt Frucht bringend und wachsend ist, wie auch unter euch, von dem Tag an, da ihr es gehört und die Gnade Gottes in Wahrheit erkannt habt“ (V. 6).
Aber nun sagt er:
Deshalb hören auch wir nicht auf, von dem Tag an, da wir es gehört haben, für euch zu beten und zu bitten, damit ihr erfüllt sein mögt mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlicher Einsicht (1,9).
Das ist ein schöner Ausdruck der Liebe des Apostels, die ihn trotz der Furcht, die er zu Recht bezüglich der Neigungen dieser Gläubigen in Kolossä hegte, nur umso mehr im Gebet für sie anspornte. Sie hatten eher das Gegenteil davon gezeigt; sie hatten eine Leere in ihren Herzen bewiesen, die sie vergeblich durch gesetzliche Verordnungen und Philosophie zu füllen suchten. Das erneuerte Herz kann durch nichts befriedigt werden, als durch eine einsichtsvolle und wachsende Bekanntschaft mit Christus. Gerade die Barmherzigkeit, die einen Menschen befreit, wird zur Gefahr, wenn nicht Christus selbst das gewohnte Ziel ist. Die Freiheit, die das Evangelium bringt, kann leider dazu benutzt werden, die Dinge leichtzunehmen und die Welt mehr oder weniger zu behalten oder zu gewinnen; aber jemand, bei dem dies der Fall ist, hat selten ein großes Maß an geistlichem Genuss, und es wird nie von festem Frieden begleitet. Er wird dadurch unruhig und unsicher. Diese Schwankungen können eine gewisse Zeit lang andauern, bis Gott das Werk tiefer im Herzen fortsetzt. Die Kolosser befanden sich in einem solchen Zustand; sie waren nicht stetig zu einer volleren Erkenntnis des Willens Gottes vorgedrungen; deshalb fand Satan Mittel, um sie zu stören. Sie hatten die erste kostbare Entfaltung der Gnade gesehen; sie war echt, aber nicht tief; denn die Gnade Gottes in Wahrheit zu kennen, ist nicht dasselbe wie mit der Erkenntnis oder der vollen Erkenntnis seines Willens erfüllt zu sein.