Behandelter Abschnitt 5Mo 16,1-17
In Kapitel 16,1‒17 (wo ich jetzt aufhöre) haben wir den Abschluss dieses ganzen Teils ‒ das Ende der Satzungen, die mit der Religion zu tun hatten. Ich möchte fragen: Warum gab es diese drei Feste, und nur diese drei? Aus einem bereits genannten Grund. Diese Feste richteten sich an einen männlichen Israeliten, den niemand anderes sonst an sie richten konnte. Andere mögen freiwillig sein, aber diese Feste waren verpflichtend. Es ist ein Aufruf zum Gehorsam. Das ganze fünfte Buch Mose stellt in herausragender Weise die Autorität Gottes über ein Volk in Beziehung zu sich selbst vor, die sich im Gehorsam zeigt und bewährt. Was nicht so sehr den Gehorsam betraf, wird ausgelassen, obwohl es an seiner Stelle eine wichtige geistliche Bedeutung haben konnte; denn das hatten sicherlich andere Feste (wie beispielsweise das große Versöhnungsfest). Aber es ging hier nicht um die Wahrheit oder ihre Formen, sondern um den Gehorsam: Dieser steht immer im Blickfeld. Es geht nicht um das Zelt der Zusammenkunft, nicht um den Priester, nicht um die Wüste, sondern darum, Gott als sein Volk im Land zu gehorchen.
Es gibt noch eine weitere Bemerkung, die gemacht werden muss. Der Gehorsam, von dem in diesem Kapitel die Rede ist, der jedes männliche Wesen Israels dazu aufrief, an diesen drei Festen an den Herrn zu denken, versammelte sie an den Ort, den der Herr, ihr Gott, erwählen würde. Dann haben wir wieder das, was im fünften Buch Mose immer wieder hervorgehoben wird: Es ist der Herr, der das Volk um sich versammelt. Er erfreut sich an der Freude seines Volkes. Er möchte, dass sie in sich selbst glücklich sind und sich an allem erfreuen, was Er ihnen zum Genuss gegeben hat. Deshalb haben wir diese drei Feste, die besonders deutlich machen, wie der Herr das Herz seines Volkes mit Frieden und Freude bis zum Überfließen erfüllen will.
Doch beim ersten dieser Feste wurde Israel nicht aufgefordert, sich zu freuen. In gewissem Sinn war es eine Zeit, die zu gut und zu tief für Freude war. Der Charakter dieses Festes war so feierlich, dass es dies kaum zuließ. Es stellte den Tod dar, der dem Lamm widerfuhr, und hielt das Gericht Gottes auf, das wegen der Sünde gegen uns ausgegangen war. Wir können uns über den Gott freuen, der so mit uns gehandelt hat, aber ist es angemessen, dass der Tod Christi ein Aufruf zu besonderer Freude sein sollte? Es gibt tiefere Empfindungen im Herzen als Freude. Wir kennen Zeiten, in denen das Empfinden dessen, was wir gewesen sind, von dem, was wir sind, und davon, dass Gott all unser Böses durch den Tod seines eigenen Sohnes für immer weggetan hat, zu tiefer Freude führt, wenn nicht sogar zu Tränen. Ich meine nicht, dass es nicht das tiefste Empfinden der Dankbarkeit und den vollsten Ausdruck der Danksagung an Gott geben sollte. Dennoch ist es zu ernst, das zuzulassen, was so beschwingt ist, was seine eigene angemessene Ausübung hat.
Aber Gott ist sehr darauf bedacht, dass im Angesicht des Passahfestes nicht der Auszug vergessen wird, der sie damals zusammengeführt hat. Daher finden wir beim ersten Fest, dass sie ungesäuertes Brot essen sollten. „Du sollst kein Gesäuertes dazu essen; sieben Tage sollst du Ungesäuertes dazu essen, Brot des Elends – denn in Eile bist du aus dem Land Ägypten herausgezogen –, damit du des Tages deines Auszugs aus dem Land Ägypten gedenkst alle Tage deines Lebens“ (V. 3). Dann werden sie aufgefordert, das Fest nicht wahllos zu feiern, wo und wie es ihnen gefällt. „Du kannst das Passah nicht in einem deiner Tore schlachten, die der Herr, dein Gott, dir gibt; sondern an dem Ort, den der Herr, dein Gott, erwählen wird, um seinen Namen dort wohnen zu lassen, dort sollst du das Passah schlachten, am Abend, beim Untergang der Sonne, zur Zeit deines Auszugs aus Ägypten; und du sollst es braten und essen an dem Ort, den der Herr, dein Gott, erwählen wird. Und am Morgen sollst du dich wenden und zu deinen Zelten gehen“ (V. 5–7).
Aber das zweite Fest bringt die Freude in einer sehr deutlichen und herrlichen Weise zum Ausdruck. „Sieben Wochen sollst du dir zählen; von da an, wo man beginnt, die Sichel an das Getreide zu legen, sollst du anfangen, sieben Wochen zu zählen. Und du sollst dem Herrn, deinem Gott, das Fest der Wochen feiern, je nach der freiwilligen Gabe deiner Hand, die du geben magst, so wie der Herr, dein Gott, dich segnen wird; und du sollst dich vor dem Herrn, deinem Gott, freuen, du und dein Sohn“ (V. 9–11). Es geht nicht um den Tod Christi mit all seinen ernsten, wenn auch gesegneten, Aspekten. Es ist auf das Leben Christi in der Auferstehung gegründet, wenn der Heilige Geist uns in die Kraft des Genusses bringt. Es ist das Pfingstfest. Folglich ist es jenes große Fest, das seine Antwort besonders im Christentum findet (wobei das Passahfest natürlich die Grundlage ist); aber dies ist vor allem sein Charakter als eine gegenwärtige Tatsache. Und man beachte, dass es nicht nur Freude im Herrn ist, sondern dass es andere zur Freude aufruft (V. 11). Außerdem: „Und du sollst dich daran erinnern, dass du ein Knecht in Ägypten gewesen bist, und sollst diese Satzungen halten und tun“ (V. 12). Wir waren Knechte und sind es nicht mehr. Wir sollen die Satzungen beachten und tun. Noch einmal geht es um Gehorsam, und zwar als Erlöste ‒ einst Sklaven, jetzt aber frei zum Gehorsam.
Es gibt noch ein drittes Fest, das Laubhüttenfest. Es ist nicht die Freiheit der Gnade, die das Pfingstfest ist, sondern vielmehr die Epoche im Vorbild, in der die Freiheit der Herrlichkeit gekommen ist. Beachte, wie eindringlich dies gezeigt wird: „Das Fest der Laubhütten sollst du dir sieben Tage feiern, wenn du den Ertrag von deiner Tenne und von deiner Kelter einsammelst“ (V. 13). Zweifellos sind die Einsammlungen von Korn und Wein (d. h. die Ernte und die Weinlese) die wohlbekannten Vorbilder des letzten Handelns Gottes: die Ernte, wenn Er den Weizen von der Spreu trennt, oder jedenfalls von dem, was kein Weizen ist; und die Weinlese, wenn Er ein schonungsloses Gericht über den Weinstock der Erde ausführt ‒ über alle Religion, die eitel ist und den Himmel verleugnet. Bei der Weinlese wird keine Gnade gezeigt. In der Ernte gibt es das Einsammeln des Guten und das Auslöschen des Bösen; aber die Weinlese kennt nichts als die Rache Gottes. Erst danach kommt die volle Zeit der Freude für die Erde.
Der Segen für die Welt kommt, nachdem Gott auf diese Weise den Schauplatz gesäubert hat: In der Aussicht darauf ist der Christ aufgerufen, sich zu freuen ‒ nicht nur über die Freiheit jetzt, sondern auch über die Herrlichkeit, die im Begriff ist, die Unterdrückung, den Kummer, das Elend und die Sünde dieser armen, langwierigen Erde zu verdrängen, wenn alles unter den Einzigen gestellt werden wird, der fähig ist, die Last zu tragen und sie zur Ehre Gottes zu regieren. Daher unterscheidet sich die Sprache auch sehr deutlich von der freudigen Segenszene, von der das Wochenfest so sehr durchdrungen war. Es heißt nicht nur: „du sollst dem Herrn, deinem Gott, das Fest der Wochen feiern, je nach der freiwilligen Gabe deiner Hand, die du geben magst, so wie der Herr, dein Gott, dich segnen wird“ (V. 10), sondern: „Sieben Tage sollst du dem Herrn, deinem Gott, das Fest feiern an dem Ort, den der Herr erwählen wird; denn der Herrn, dein Gott, wird dich segnen in all deinem Ertrag und in allem Werk deiner Hände, und du sollst nur fröhlich sein“ (V. 15).
Möge der Herr uns ein Herz schenken, dass wir uns an der Fülle seiner Gnade, Wahrheit und Herrlichkeit erfreuen können!