Behandelter Abschnitt Phil 3,13-14
Brüder, ich denke von mir selbst nicht, es ergriffen zu haben; eins aber tue ich: Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist (3,13).
Der Apostel meint nicht, dass man seine vergangenen Sünden und Versäumnisse übersehen sollte oder dass er sie übersehen hat. Im Gegenteil, es ist höchst böse, zu vergessen, was Christus um unseretwillen gelitten hat, und auch die vielfältigen Wege, auf denen wir Gott entehrt haben. Das stört den festen Frieden überhaupt nicht – eher im Gegenteil. Ein Mensch kann sich umso mehr im Herrn freuen, wenn er sein Versagen voll und ganz einsieht. Es ist die Tendenz eines nicht völlig glücklichen Gewissens, dem Wunsch zu entgehen, an etwas zu denken, wo wir uns bewusst zum Leidwesen des Heiligen Geistes abgewandt haben. Es ist richtig, uns völlig zu erforschen; es ist richtig, Gott zu bitten, uns zu erforschen und zu prüfen und uns auf den ewigen Weg zu führen (Ps 139,23.24). Weit davon entfernt, das Empfinden für unsere eigenen Unzulänglichkeiten zu schwächen oder unser Versagen zu leugnen, ist das Vertrauen in die Gnade die eigentliche Quelle, die uns befähigt, die Realität der Dinge in der Gegenwart Gottes zu sehen und damit recht umzugehen. So spricht der Apostel: „Vergessend, was dahinten ist“, nicht in Bezug auf sein Versagen, sondern auf die Punkte des Fortschritts, die Schritte oder Etappen, in denen er in der Erkenntnis Christi Fortschritte gemacht hatte. Anstatt sich bei irgendeiner Errungenschaft aufzuhalten, als ob es etwas wäre, woran man denken sollte (wie der Pharisäer, der sich mit seinem Nächsten vergleicht), haben wir hier diesen gesegneten Mann, der alles vergaß, was die Selbstgefälligkeit nähren oder ihm selbst zur Ehre gereichen könnte. und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus (3,13b.14).
Das kann nur im Zustand der Auferstehung geschehen. Bis dahin war er damit zufrieden, zu laufen. Das war seine einzige Aufgabe: Christus zu leben, denn Christus war sein Ziel.
Aber nun folgt eine andere Sache, die wir im Auge behalten müssen. Wir finden unterschiedliche Bedingungen und keineswegs den gleichen Grad an Fortschritt, den die Kinder Gottes gemacht haben. Was ist dann das große Prinzip, das uns leiten soll? Nehmen wir an, es wäre eine Schar von Gläubigen versammelt, die alle gleichgesinnt sind, die alle dazu erzogen wurden, genau gleichzudenken, von der Taufe mit Wasser bis zum Kommen und Reich Christi, und die sogar in den Einzelheiten übereinstimmen und sich einig sind. Würde dies das Herz befriedigen? Würde es ein gerechtes Zeugnis für die Wege Gottes zu seinen Kindern geben? Ich wage nicht, das zu glauben. Es ist angenehm, wenn Menschen gleichgesinnt sind, weil Gott sie unter der Führung des Heiligen Geistes durch Übung zu einem geistlichen Urteil bringt. Aber gibt es etwas Armseligeres, als Gleichheit, die das Ergebnis davon ist, dass man den Menschen eine Lehre eintrichtert, und durch Regeln und Vorschriften, die Gemüter in Eintönigkeit zwingt? Der Apostel legt die einzige göttliche Regel für den Umgang mit solchen Fällen fest. Wir haben es mit einem Zustand der Dinge zu tun, in dem es alle Arten von Errungenschaften gibt. Im Himmel werden wir erkennen, wie wir erkannt worden sind. Doch die Frage ist, wie wir uns hier in diesen Dingen verhalten sollen. Es ist ein natürlicher Wunsch, dass alle wachsen und sich zu einer bestimmten Höhe des Wuchses Christi erheben sollten (Eph 4,13). Aber neigen wir nicht dazu, diesen Wunsch mit unserer eigenen Vorstellung davon zu verwechseln und zu erwarten, dass die Menschen unserer Meinung sind. Davor müssen wir uns hüten, und das wahre Korrektiv wird hier gegeben.