Behandelter Abschnitt Phil 2,7-8
So auch die Schriftstelle vor uns. Nichts kann schlüssiger zum Beweis seiner eigenen höchst göttlichen Herrlichkeit erdacht werden, als die einfache Aussage des Textes. Gabriel, ja, der Erzengel Michael, hat keine höhere Würde als die, Gottes Diener zu sein, in jedem ihm zugewiesenen Bereich. Der Sohn Gottes allein musste sich entäußern, indem Er die Gestalt eines Dieners annahm und in der Gestalt eines Menschen geboren wurde. Alle anderen waren bestenfalls Diener Gottes, und nichts konnte diese Würde für sie erhöhen oder sie darüber erheben. Von Christus allein war es wahr, dass Er die Gestalt eines Knechtes annahm; und von Ihm allein konnte es wahr sein, weil Er in der Gestalt Gottes war. In dieser Natur bestand Er ursprünglich, ebenso wahrhaftig, wie Er die eines Knechtes annahm; beides war wirklich, gleich wirklich – das eine von Natur aus, das andere das, zu dem Er sich herabließ, in unendlicher Gnade anzunehmen. Und das war noch nicht alles: in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz (2,7.8).
Das ist ein weiterer deutlicher Schritt, wie Er in Gnade zur Verherrlichung Gottes hinabstieg. Zuerst war es eine Demütigung für Ihn, ein Knecht und ein Mensch zu werden; dann, als Mensch, erniedrigte Er sich selbst bis zum Tod in seinem Gehorsam (die gesegnete Umkehrung von Adams Ungehorsam bis zum Tod). Und dieser Tod war das Äußerste der menschlichen Schande, abgesehen von seinem sühnenden Charakter. Doch müssen wir sorgfältig bedenken, dass es für eine göttliche Person ebenso unmöglich wäre, aufzuhören, Gott zu sein, wie für einen Menschen, eine göttliche Person zu werden. Aber es war die Freude und der Triumph der göttlichen Gnade, dass Er, der Gott war, der dem Vater gleich war, als Er Mensch werden sollte, die Herrlichkeit und Macht der Gottheit nicht auf der Erde zeigte, um den Menschen vor sich zu verwirren, sondern sich selbst entäußerte; umgekehrt wurde darin die moralische Vollkommenheit gesehen. So war Er durch und durch der abhängige Mensch, der nicht ein einziges Mal in Selbstvertrauen verfiel, sondern unter allen Umständen und angesichts der allergrößten Schwierigkeiten das vollste Muster und die vollste Darstellung dessen, der auf Gott harrte, der den Herrn stets vor sich stellte, der nie aus sich selbst heraus handelte, sondern dessen Speise und Trank es war, den Willen seines Vaters im Himmel zu tun; mit einem Wort, Er wurde ein vollkommener Diener. Das ist es, was wir hier haben.
Von Christus wird gesagt, dass Er in Gestalt Gottes war; das heißt, Er war nicht bloß eine Erscheinung, sondern Er hatte diese Gestalt und nicht die eines Geschöpfes. Die Gestalt Gottes bedeutet, dass Er seine Gestalt als Gott und keine andere Gestalt hat. Er war dann in dieser Natur des Seins und in nichts anderem; Er hatte kein wie auch immer geartetes Wesen; Er war einfach und allein Gott der Sohn. Er, der in diesem Zustand existierte, achtete es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein. Er war Gott; doch an dem Platz des Menschen, den Er wirklich einnahm, hatte Er dem entsprechend die Bereitwilligkeit, nichts zu sein. Er stellte sich selbst nicht in Ansehen. Wie bewundernswert! Wie großartig für Gott! Er legte all seine Herrlichkeit für eine Zeit ab. Nicht einmal in engelhafter Majestät ließ Er sich herab, ein Diener zu werden, sondern in Menschengestalt. Hier haben wir sowohl die Gestalt eines Dieners als auch die Gestalt Gottes, aber das bedeutet in keiner Weise, dass Er nicht wirklich beides war. In Wahrheit wurde Er, so wie Er ganz Gott war, der wahrhaftigste Diener, den Gott oder Mensch je gesehen hat. Aber wir können noch weiter gehen. in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz (2,7.8).
Merken wir uns das. Es gibt zwei große Stufen des Kommens und der Erniedrigung des Sohnes Gottes. Die erste ist in Bezug auf seine göttliche Natur oder eigentliche Gottheit; Er entäußerte sich selbst. Er würde nicht auf einem Grund handeln, der Ihn vom menschlichen Gehorsam befreit, wenn Er den Platz eines Dieners auf der Erde einnimmt. In der Tat können wir sagen, dass Er auf der Grundlage dessen handeln würde, was Gott der Vater für Ihn war, nicht auf der Grundlage dessen, was Er als der Sohn für den Vater war. Auf der einen Seite, obwohl Er Sohn war, lernte Er durch die Dinge, die Er erlitt, den Gehorsam. Andererseits wäre Er, wenn Er nicht eine göttliche Person gewesen wäre – der Sohn, ohne Zweifel – nicht der vollkommene Mensch gewesen, der Er war. Aber Er geht weiter durch unerhörte Schande, Kummer und Leiden, als jemand, der in allem nur den Willen und die Herrlichkeit seines Vaters suchte. Er würde nichts wählen, nicht einmal bei der Rettung von Sündern oder der Annahme eines Menschen (Joh 6). Er würde in nichts unabhängig vom Vater handeln. Er würde nur die haben, die der Vater zieht. Wen der Vater Ihm gibt, wer auch immer zu Ihm kommt, den nimmt Er auf; Er wird in keiner Weise irgendjemanden hinausausstoßen, sei er noch so schlecht. Welch ein Beweis, dass Er durch und durch ein Diener ist, wenn Er, der Retter, jede Auswahl derer, die Er retten wird, absolut beiseiteschiebt! Wenn Er als Herr mit seinen Aposteln handelt, sagt Er uns, dass Er auswählt; aber in der Frage der Errettung sagt Er praktisch: Hier bin ich, ein Retter; und wer vom Vater zu mir gezogen wird, das ist mir genug; wer kommt, den will ich retten. Ganz gleich, um was es sich handelt, wir sehen bei dem Herrn Jesus diese vollkommene Unterwerfung und Selbstverleugnung, und das auch in dem einzigen Menschen, der nie einen Willen zur Sünde hatte, dessen Wille sich in nichts um seinen eigenen Weg kümmerte. Er war der einzige Mensch, der nie seinen eigenen Willen gebraucht hat; sein Wille als Mensch war Gott vorbehaltlos untertan. Aber wir finden noch etwas anderes: wenn Er sich seiner Gottheit1 entäußert hat, wenn Er Knechtsgestalt annahm, wenn Er Mensch wird, so erniedrigt Er sich und wird gehorsam bis zum Tod.
Das ist wichtig, weil es unter anderem auch zeigt, dass der Tod nicht das natürliche Los unseres Herrn als Mensch war, sondern das, zu dem Er sich, als Er in der Gestalt eines Menschen erfunden wurde, erniedrigte und gehorsam wurde. Es gab keinen Tod für Ihn bloß als Mensch, denn der Tod war der Lohn der Sünde, nicht für den Menschen als solchen ohne Sünde, noch weniger für den Heiligen Gottes. Wie konnte Er unter den Tod kommen? Darin lag der Gegensatz zwischen Ihm und dem ersten Adam. Der erste Adam wurde ungehorsam bis in den Tod; Christus hingegen war gehorsam bis in den Tod. Kein anderer war fähig, sein Leben so hinzugeben. Die Sünder hatten keins zu geben; das Leben war Gott geschuldet, und sie hatten kein Recht, es anzubieten. Es wäre Sünde gewesen, es zu beanspruchen. Aber in Christus ist alles umgekehrt. Sein Tod in einer Welt der Sünde ist seine Herrlichkeit – nicht nur vollkommene Gnade, sondern die Rechtfertigung Gottes in seinem ganzen Charakter. „Ich habe Gewalt“, sagt Er, „es zu lassen, und ich habe Gewalt, es wiederzunehmen“ (Joh 10,18). Indem Er sein Leben hingab, vollbrachte Er die Verherrlichung Gottes. „Jetzt ist der Sohn des Menschen verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in ihm“ (Joh 13,31). Während also Gott in jedem Schritt des Lebens des Herrn Jesus Christus erfreut und verherrlicht wurde, leuchtet die tiefste moralische Herrlichkeit Gottes in seinem Tod auf. Niemals war oder konnte ein solcher Gehorsam vor oder in irgendeinem anderen sein. Er „wurde gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.“
1 Siehe den Anhang, Seiten 103–112.↩︎