Behandelter Abschnitt 2Kor 12,11-12
Doch sprach der Apostel nicht von sich selbst, von dem, was die Gnade ihm zum Leiden gegeben hatte? Sprach er nicht von dem, was er Schwachheiten, Schmähungen, Nöte, Verfolgungen und Bedrängnisse für Christus nennt, sondern von sich selbst?
Ich bin ein Tor geworden; ihr habt mich dazu gezwungen. Denn ich hätte von euch empfohlen werden sollen, denn ich habe in nichts den ausgezeichnetsten Aposteln nachgestanden, wenn ich auch nichts bin. Die Zeichen des Apostels sind ja unter euch vollbracht worden in allem Ausharren, in Zeichen und Wundern und mächtigen Taten. Denn was ist es, worin ihr gegenüber den anderen Versammlungen verkürzt worden seid, es sei denn, dass ich selbst euch nicht zur Last gefallen bin? Vergebt mir dieses Unrecht (12,11–13).
Es ist keine Ironie, sondern das echte und tiefe Empfinden eines Menschen, dessen Herz von einem göttlich gegebenen Bewusstsein für das, was Christus ist, und für die Liebe zu den Gläubigen brannte und der gezwungen war, von sich selbst zu sprechen, von denen, die ihn und seinen Dienst besser in Liebe hätten rechtfertigen sollen. Es war umso schmerzlicher, weil er nicht von der Sünde im Menschen spricht, die der Gerechtigkeit Gottes in Christus begegnet, sondern von der völligen Schwachheit im Christen, die durch die Stärke Christi verdrängt wird. Sogar die Gläubigen in Korinth waren in dieser Hinsicht auf dem gleichen Boden wie die Welt, die heidnische Welt um sie her. Sie rühmten sich des Intellekts, der Gelehrsamkeit, der Beredsamkeit – kurz, des Menschen. Sie hatten das Kreuz Christi nie praktisch angewandt, um diese Dinge zu richten, außer soweit die Gnade das Werk durch den ersten Brief begonnen haben mag; und wir brauchen seine Herrlichkeit in der Höhe, wie dieser zweite Brief zeigt, um mit fleischlichen Anmaßungen gründlich fertig zu werden (vgl. 2Kor 4,2 und Kap. 5). Die Schwachheit, die einige Verleumder ihm zum Vorwurf machten, leugnete er so wenig, dass er selbst darauf bestand, sie sei die Voraussetzung für die Entfaltung der Macht Christi.
Es war daher echte und schuldhafte Unkenntnis, ihn in dieser Hinsicht mit den überragenden Aposteln zu vergleichen. Vielmehr war es wahr, dass er in nichts hinter ihnen zurückstand, obwohl er, wie er sagt, nichts war und ganz zufrieden damit, so zu sein. Wonach sich sein Herz sehnte, war die Herrlichkeit Christi, die Kraft Christi, nicht seine eigene. So war es später in Philipper 3 sein Wunsch, in Ihm gefunden zu werden und nicht eine eigene Gerechtigkeit zu haben, die aus dem Gesetz ist, „sondern die, die durch den Glauben an Christus ist – die Gerechtigkeit aus Gott durch den Glauben“ (V. 9), so wollte er hier nicht in sich selbst stark sein, wenn er es könnte, sondern schwach, damit er durch Christus stark sein könnte. Er würde sich eines Menschen in Christus rühmen, aber in sich selbst nichts als seiner Schwachheit.
Natürliche Kraft ist in der Tat im Dienst Christi ebenso anstößig wie die eigene Gerechtigkeit in der Rechtfertigung: die letztere verleugnet Christus für uns, die erstere verleugnet Christus in uns, oder vielmehr seine auf uns ruhende Macht in unserer eigenen empfundenen Schwachheit, ja Nichtigkeit. Nichts kann dem Gefühl und der Vernunft von Fleisch und Blut mehr entgegengesetzt sein. Die menschliche Natur mag nicht, was erniedrigend und schmerzhaft ist; sie liebt die Bequemlichkeit oder die Ehre. In Schwierigkeiten weiterzugehen, von nichts abhängig als vom Herrn, ist höchst anstrengend, nicht befreit werden, sondern auszuhalten, damit Er verherrlicht wird und wir die Genügsamkeit seiner Gnade beweisen können. Das ist der wahre Weg der Kraft, und Paulus beschritt ihn wie kein anderer seither, in dem der erste Mensch stark zu sein pflegt, wobei die Verwirrungen oder Ratlosigkeit anderer nur umso größer sind, wo der zweite Mensch auch stark zu sein scheint, und die Folge schwerwiegend für diejenigen, die die Tätigkeit der beiden Adams als das Richtige und Wünschenswerte annehmen, das im Christen und im Dienst Christi zu bewundern ist. Wie anders war seine Erfahrung, der sich an allem erfreute, was ihn um Christi willen vor anderen verachtet und in sich selbst zermalmt hat – wenn schwach, dann stark!