Behandelter Abschnitt 1Kor 14,1-3
Hier kommen wir zu der Anwendung der Liebe. So gesegnet diese Kraft der neuen Natur immer und überall ist, so findet sie doch in der Versammlung Gottes ihre größte und reichste Ausübung, soweit es uns betrifft. Nirgendwo sonst wird sie so ständig und in so verschiedenen Formen benötigt. Ohne Liebe erleiden die Gläubigen darin schnell und vollständig Schiffbruch; mit ihr verwandeln sich die schwersten Prüfungen in das glücklichste Zeugnis für die Gnade Christi.
Aber bis jetzt hatten die Gläubigen in Korinth versäumt, sie zu erlernen. Sie waren weit entfernt von der einfachen Frische der Thessalonicher, denen der Apostel einige Jahre zuvor sagen konnte, dass sie es nicht nötig hätten, dass er ihnen schreibe, da sie selbst von Gott gelehrt seien, einander zu lieben. Dennoch bat er auch sie, dass sie immer mehr zunehmen sollten, was sie auch taten (wie wir aus seinem zweiten Brief erfahren). In Korinth war das Versagen groß, und zwar nicht nur im privaten Bereich, sondern auch in der Öffentlichkeit, wie sich sogar bei den feierlichen Anlässen zeigte, wenn die Versammlung zusammenkam, um das Abendmahl des Herrn zu feiern und sie ihre geistlichen Gaben ausübten. Daher die Ermahnung, die folgt:
Strebt nach der Liebe; eifert aber nach den geistlichen Gaben, viel mehr aber, dass ihr weissagt. Denn wer in einer Sprache redet, redet nicht Menschen, sondern Gott; denn niemand versteht es, im Geist aber redet er Geheimnisse. Wer aber weissagt, redet den Menschen zur Erbauung und Ermahnung und Tröstung (14,1–3).
Die Liebe sollte also der wesentliche und dauerhafte Zweck sein; aber es gab geistliche Äußerungen, die nur einen der Liebe untergeordneten Platz hatten, denn der Heilige Geist verherrlichte den Herrn Jesus, indem Er so mitteilte und wirkte. Unter diesen hat die Weissagung den vornehmsten Platz und war damit über eine solche Zeichengabe wie das Sprachenreden erhaben. So ordnet es der Apostel an und beweist damit, dass ein solcher Redner nicht zu den Menschen, sondern zu Gott spricht, denn niemand hört oder versteht ihn, während er im Geist Geheimnisse redet. Wer jedoch weissagt, spricht zu den Menschen zur Erbauung und Ermahnung und zur Tröstung.
Sicherlich wird der Prüfstein des Apostels nicht immer geschätzt, und es gibt in unseren Tagen solche, denen die Erbauung so gleichgültig ist wie den Korinthern. Aber sie betrachteten den Wunsch, dass der Mensch in der von ihm benötigten Weise erfrischt oder unterstützt werden sollte, nicht als Mangel im geistlichen Bereich. Zweifellos argumentierten die, die in einer Sprache redeten, dass sie für die Rechte Christi eintraten, der in der Gabe verherrlicht wurde, und dass die ihre die göttliche Seite war – sie sprachen zu Gott. Aber der Apostel behauptet kühn, dass das Fehlen des Sprechens zu Menschen die Unterlegenheit des Sprechens in einer Sprache gegenüber dem Weissagen beweist. Derjenige, der so redet, wird nicht damit belastet, unverständlich zu reden oder unverständliche Dinge zu sagen; im Gegenteil, man nimmt an, dass er die Wahrheit spricht, und zwar eine hohe Wahrheit: „im Geist spricht er Geheimnisse“. Aber da die Sprache unbekannt ist, „hört niemand“; er wird nicht verstanden. Derjenige, der prophezeit, spricht zu den Menschen zur Erbauung, Ermahnung und Tröstung. Das Zeugnis fließt zum Segen für die Gläubigen. Der Apostel ließ sich nicht, wie die Korinther damals und viele seither in ihrer Sehnsucht danach, von der Entfaltung der Macht blenden. Aber er stellt die Weissagung uneingeschränkt über eine solche Entfaltung hinaus, denn sie bringt nicht nur Kraft, sondern Gott hinein, und Gott ermutigt und tröstet sie, indem Er sie auferbaut. Das wirft keinen solchen Heiligenschein um den Menschen; aber es bringt wirklich Gott in der Gnade hinein und gibt das Bewusstsein seiner Gegenwart.
Wir müssen jedoch bedenken, dass Vers 3 keine Definition des Weissagens ist, sondern dessen Gegensatz zum Reden in einer Sprache. Weissagung wiederum hat keine notwendige Verbindung mit der Zukunft, wie manche annehmen, noch ist es Predigen oder Lehren im Allgemeinen. Es ist eher ein Hervorsagen als ein Voraussagen. Es ist das Reden zu einem Menschen, um ihn in das Licht Gottes zu stellen – in Gottes Handeln mit seinem Herzen und Gewissen. Es stellt vielmehr seine Gedanken vor.