Behandelter Abschnitt 1Kor 14
Daher beginnt Kapitel 14 mit den Worten: „Strebet nach der Liebe; eifert aber um die geistlichen Gaben, vielmehr aber, daß ihr weissaget.“ Und warum? Das Weissagen schien unter den Korinthern etwas verachtet worden zu sein. Wunderwerke und Sprachenreden wurden vorgezogen, weil sie ihren Besitzern eine gewisse Wichtigkeit gaben. Solche Wunder überraschten die Menschen und zogen jenen die Aufmerksamkeit zu, welche mit einer offensichtlich übermenschlichen Kraft versehen waren. Doch der Apostel setzte fest, dass die Gaben, welche den Einsatz geistlichen Verständnisses benötigen, einen weit höheren Platz einnehmen. Paulus konnte mehr in Sprachen reden als sie alle. Es braucht auch wohl kaum hinzugefügt zu werden, dass er mehr Wunder bewirkt hat als irgendeiner von den Korinthern. Trotzdem schätzte er die Weissagung als das Höchste ein.
Wir dürfen nicht denken, dass diese Gabe einfach vom Predigen durch einen Menschen spricht. Weissagen heißt nicht predigen. Darüber hinaus ist Weissagen auch nicht einfach Lehren. Zweifellos ist es eine Art von Lehren; aber es ist auch ein gutes Teil mehr. Weissagen ist jene geistliche Anwendung des Wortes Gottes auf das Gewissen, welche die Seele in Gottes Gegenwart stellt und dem Hörer wie aufstrahlendes Licht die Gedanken Gottes offenbar macht. Es gibt viel schätzenswertes Lehren, Ermahnen und Anwenden des Wortes, welches nicht diesen Charakter des Weissagens trägt. Solche Tätigkeiten gibt es durchaus. Aber sie stellen die Seele nicht in die Gegenwart Gottes. Sie liefern nicht jene absolute Sicherheit davon, dass Gottes Gedanken über dem Zustand eines Herzens aufblitzen und dasselbe vor Ihm richten. Ich rede jetzt nicht von den Unbekehrten, obwohl das Weissagen sowohl bei diesen als auch bei Bekehrten seine Wirkung entfalten kann. Unmittelbar angesprochen wurde hier natürlich das Volk Gottes. Wir sehen indessen im Verlauf unseres Kapitels auch den Ungläubigen, wie er in die Versammlung kommt, auf sein Angesicht fällt und anerkennt, dass Gott wahrhaftig unter ihnen war. Das ist die eigentliche Wirkung. Der Mensch fühlt sich in der Gegenwart Gottes gerichtet.
Es ist nicht nötig, auf alles einzugehen, was dieses Kapitel uns vorstellt. Wir sollten jedoch gut beachten, dass wir hier Danksagen und Preisen sowie Singen und Beten erwähnt finden. Sowohl das Weissagen als auch das Übrige werden als zu einer christlichen Versammlung gehörend dargestellt. Was nicht unmittelbar zur Erbauung dient, wie z. B. das Reden in einer Sprache, wird untersagt, es sei denn, ein Ausleger ist anwesend. Ich bezweifle sehr, dass es noch irgendeine Neuoffenbarung gab, nachdem die Heilige Schrift vollständig geschrieben war. Wenn wir annehmen, dass nach dem Abschluss dessen, was wir den biblischen Kanon nennen, etwas Neues göttlich offenbart wurde, schmälern wir Gottes Absicht in demselben. Aber wir können seine Güte gut verstehen, wenn Er hin und wieder besondere Offenbarung gab, bevor der letzte Teil seiner Gedanken in einer bleibenden Form für die Kirche (Versammlung) niedergeschrieben war. Das liefert indessen keine Rechtfertigung dafür, nach einer neuen Offenbarung auszuschauen, seitdem das Neue Testament vollständig ist.
Aus dieser Tatsache ersehen wir eindeutig, dass die Bedeutung des Kapitels für uns gewisse Abänderungen erfahren muss. Falls also gilt, dass gewisse Kennzeichen nach dem Willen Gottes weitgehend ein Ende gefunden haben (z. B. Wunder, Sprachen oder Offenbarungen), dann sollten wir solche Wirkungen des Geistes offensichtlich nicht mehr erwarten. Aber diese Wahrheit setzt keinesfalls die christliche Versammlung beiseite oder die Verpflichtung, dasjenige nach dem Willen Gottes auszuüben, was der Heilige Geist immer noch ausdrücklich schenkt. Und zweifellos lässt Er alles andauern, was in dem gegenwärtigen Zustand seines Zeugnisses und seiner Kirche hienieden nützlich und zu Gottes Verherrlichung ist. Wenn es nicht so wäre, sänke die Kirche auf das Niveau einer menschlichen Institution ab.
Am Ende des Kapitels wird ein sehr wichtiger Grundsatz niedergelegt. Es ist sinnlos, wenn Menschen die gewaltige Macht Gottes als Entschuldigung anführen für irgendwelche Unordnung. Darin besteht der große Unterschied zwischen der Macht Gottes und der Macht der Dämonen. Die Macht eines Dämons ist normalerweise unbeherrschbar. Ketten, Fesseln, die ganze äußerliche Kraft des Menschen versagen vollkommen, einen Menschen zu binden, der von Dämonen erfüllt ist (vgl. Mk 5). Bei dem Geist Gottes ist das anders. Wo immer die Seele mit dem Herrn wandelt, ist die Kraft des Geistes Gottes stets mit seinem Wort verbunden und dem Herrn Jesus unterworfen. Niemand darf zu Recht behaupten, dass ihn der Heilige Geist treibt, wenn er dieses oder jenes tut, was nicht der Heiligen Schrift entspricht. Gegen die Bibel gibt es keine Rechtfertigung; und je mehr die wirkende Kraft von Gott ist, desto weniger wird ein Mensch wünschen, jenen vollkommenen Ausdruck der Gedanken Gottes beiseitezusetzen. Alles soll demnach anständig und in Ordnung geschehen - eine Ordnung, welche die Schrift vorgeben muss. Das einzige Ziel, welches von Gott in Hinsicht auf uns gestützt wird, besteht in unserer Auferbauung und nicht in Selbstentfaltung.