Behandelter Abschnitt 1Kor 2,1-5
Der Apostel spricht nun das an, was ihm in Korinth zum Vorwurf gemacht worden war. Er hatte hier ebenso wenig wie anderswo versucht, das Ärgernis des Kreuzes zu vermeiden. Im Gegenteil, gerade dieses hatte er in dieser Stadt der intellektuellen Kultur und der moralischen Verderbtheit unverhohlen in den Vordergrund gestellt. Aber auch hier hütete er sich vor engstirniger Einseitigkeit und war darauf bedacht, Christus persönlich vorzustellen, nicht nur einen Punkt der Lehre, und sei es auch der tiefste und am meisten ergreifende Punkt des Kreuzes. Es war Jesus Christus, den er predigte, und das als den Gekreuzigten. Er vermied die pompösen Phrasen und die ausgeklügelten Spekulationen, die Korinth damals prägten.
So konnten die Brüder dort die entsprechende Konsequenz dessen sehen, woran sich der Unglaube an Paulus stieß und was das Fleisch in den Gläubigen lieber in Schweigen hüllen würde. Ist das Kreuz Gottes Kraft für die, die gerettet werden? Ist der gekreuzigte Christus eine Torheit für die Heiden und ein Ärgernis für die Juden? Macht die Weisheit das Wort vom Kreuz zunichte? Der Apostel wurde von Gott geführt, die Wahrheit auf eine Weise darzustellen, die nicht schmackhaft, aber wahrhaftig gesund und vor allem zur Ehre Gottes war, als er nach Korinth ging. Es war nicht Jesus und die Auferstehung (wie in Athen), noch war es seine Wiederkunft, um zu herrschen (wie in Thessalonich), obwohl zweifellos keines dieser Elemente fehlte; aber in Korinth machte der Geist auf das aufmerksam, was zu dieser Zeit nötig war. Und so sagte er zu den gesetzestreuen Galatern: „Von mir aber sei es fern, mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch den mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt“ (6,14). So konnte er hier mit Genugtuung auf den Vorrang zurückblicken, der Jesus Christus und dem Gekreuzigten bei seinem ersten Besuch in Korinth eingeräumt worden wurde; und auch dies mit Entschiedenheit und Überzeugung seinerseits. Es heißt nicht nur, dass es so war, sondern dass er es für das Beste hielt. Das bedeutet auch nicht, wie manche gedacht haben, dass er bei aller Erniedrigung des Kreuzes dennoch Christus predigte. So unsicher klang der Apostel nicht, wie seine Ausleger meinen. Es ging nicht um Christus, obwohl Er gekreuzigt war, sondern ausdrücklich um Christus als den Gekreuzigten. Er wusste wohl und empfand tief, dass es nichts gibt wie jenes Kreuz, wie es einzigartig ist, abgesehen von allem Vorher und Nachher: ja, nichts in der Zeit, nichts in der Ewigkeit, das ihm ähnlich oder gleich wäre. Denn dort erhob sich die Sünde im Menschen, um den Sohn Gottes zu erschlagen, und wurde doch, indem sie Ihn erschlug, selbst erschlagen und gerichtet, damit die Gnade durch Gerechtigkeit herrsche zum ewigen Leben für jeden Gläubigen.
Und ich, als ich zu euch kam, Brüder, kam nicht, um euch das Zeugnis Gottes nach Vortrefflichkeit der Rede oder Weisheit zu verkündigen. Denn ich hielt nicht dafür, etwas unter euch zu wissen, als nur Jesus Christus, und ihn als gekreuzigt. Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und in vielem Zittern; und meine Rede und meine Predigt war nicht in überredenden Worten der Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht auf Menschenweisheit beruhe, sondern auf Gottes Kraft (2,1–5).
Es kann meines Erachtens kein Zweifel darüber bestehen, dass die verschiedenen Lesarten im ersten Vers bezüglich Geheimnis (μυστήριον), obwohl sie im Sinaitischen (erste Hand), Alexandrinischen und Palimpsest von Paris (C), mit einigen guten Kursiven und sehr alten Versionen (Pesch. und Cop.) und so weiter gegeben wird, nicht richtig ist, sondern der allgemeine Text. Er ist nicht nur falsch, sondern ein Fehler, der die Schönheit und sogar die Bedeutung der Stelle zerstört. Denn der Apostel stellt seinen Gebrauch der offenbarten Wahrheit im Umgang mit solchen Menschen wie denen in Korinth, als er ihnen zum ersten Mal das Evangelium brachte, dem gegenüber, was er mit denen tun würde, die sich einfach und gründlich Christus unterwarfen. Das Geheimnis in all seinen verborgenen Tiefen und all seiner himmlischen Herrlichkeit stellt er denen vor Augen, die er „die Vollkommenen“ nennt, das heißt die Erwachsenen, die im Christentum gefestigt waren; aber nicht so bei den kleinen Kindern, die noch nicht in der Wahrheit des Evangeliums gebildet sind.
Daher die einleitenden Worte. Der Apostel kam nicht mit Vortrefflichkeit der Rede oder Weisheit, als er in Korinth das Zeugnis Gottes verkündete, der sie wie alle Menschen zur Umkehr rief und zu diesem Zweck von Jesus Christus und dem Gekreuzigten zeugte. Darauf sich am Anfang des Evangeliums in dieser wollüstigen Stadt zu beschränken, hielt Paulus für richtig. Reifere Gläubige brauchen Christus in jeder Hinsicht, als den, der auferstanden ist, der zur Rechten Gottes sitzt und der in Herrlichkeit wiederkommt. Hier stellte er seine Person vor, und diese besonders als den Gekreuzigten. Er ist keine Philosophie, sondern eine göttliche Person und ein göttliches Werk. Die „Vollkommenen“ brauchen viel mehr und haben keine Einschränkung; und da wird Gottes verborgene Weisheit in dem Geheimnis, das von Zeitaltern und Geschlechtern her verborgen war (Kol 1,26), so wichtig: nicht, dass es eine Einschränkung von Seiten Gottes gäbe, sondern dass der Zustand der Gläubigen so ist, dass einige Milch brauchen, weil sie kleine Kinder sind, andere feste Nahrung, weil sie in Christus gefestigt sind; und sie werden in die ganze Wahrheit Gottes eingeführt, weil sie in der Tat alles brauchen.
Aber darüber hinaus gab es im Ton und in der Art des Apostels eine Angemessenheit für die Botschaft, die er brachte. Er lehnte jede künstliche Methode ab, sei es in den Gedanken oder in der Sprache, mit der er sie verpackte, damit die Wahrheit Gottes sich direkt an das Herz des Menschen wendet. So war er auch bei den Korinthern in Schwachheit und in Furcht und in vielem Zittern. Das ist nicht das Ideal, das sich die Menschen in ihrer Vorstellung von dem großen Apostel machen! Aber ein so tiefes Empfinden der Schwachheit war durch die Gnade seine Stärke, wie andererseits das Streben der Korinther nach Kraft ihre Schwachheit war. Sein einziger Wunsch war es, Gott zu verherrlichen, indem er sowohl die Nichtigkeit als auch die Schuld des Menschen anerkannte; mit einer ängstlichen Furcht, dass irgendein Wort seinerseits die wahre Herrlichkeit Christi verdunkeln könnte, damit es Gottes Zeugnis für und in Jesus Christus und den Gekreuzigten sei. Daher war sein Wort und seine Predigt (das, was gepredigt wurde, nicht nur die Art und Weise, wie er es tat) nicht nach der Rhetorik der Schulen, sondern sie waren so, dass sie dem Geist Gottes Raum gaben.
Haben die Gläubigen damals das Brot des Himmels verabscheut? Haben sie sich nach dem Lauch und den Zwiebeln und den Fleischtöpfen Ägyptens gesehnt? Der Apostel war nicht derjenige, der ihre natürlichen Vorlieben befriedigte. Zumindest entsprach er Jesus Christus und Ihm als gekreuzigt. Er suchte nicht, durch die Entfaltung seiner eigenen außergewöhnlichen Fähigkeiten zu gewinnen; auch wollte er nicht die Wunder des göttlichen Wortes darlegen, die er leicht hätte vorstellen können, um den Verstand der Korinther zu blenden; noch hat er sich herabgelassen, diese kostbaren Wahrheiten in einer Wortwahl darzulegen, die für feinsinnige Ohren anziehend ist. Die Sache und die Art und Weise, die er am meisten für Gottes Ehre hielt, war die, die bei den Menschen Verachtung auslöste und nur auf die Erweisung und Kraft des Geistes bedacht war, damit ihr Glaube nicht auf der Weisheit des Menschen, sondern auf der Kraft Gottes beruhte. Denn gerade in dem Maß, in dem Prediger die Menschen mit Bewunderung für ihren besonderen Denk- oder Sprachstil erfüllen, wird es offensichtlich, dass sie schwach im Geist sind und Menschen an sich ziehen, anstatt sie in der Wahrheit einzuführen und zu festigen, wodurch der Geist in Kraft wirkt.
Ein weiteres Anzeichen für eine ungesunde Lehre (die in Korinth zu häufig vorkam) ist das, was eine Abneigung gegen alles außer dem Favoriten oder seiner Linie hervorruft. Es ist nicht so, dass das Herz Gott nicht für das Werkzeug dankt; aber die Wirkung eines solchen Vorgehens wie das des Paulus ist, die Herrlichkeit des Herrn und seine Wahrheit ungeschmälert zu erhalten, die natürliche Tendenz zu einer Schule oder Gruppe mit ihrem Führer zu vermeiden und die Gläubigen in voller Freiheit und heiligem Vertrauen vor Gott durch den Glauben zu halten. Möge unsere Entscheidung wie die seine sein, dessen Worte (und sie sind von Gott) uns hier beschäftigt haben!