Behandelter Abschnitt Röm 9,32-33
Auch der moralische Grund ist so klar wie das Wort Gottes. Denn die Anmaßung des Menschen, sich vor Gott auf seinen eigenen Gesetzesgehorsam zu berufen, ist widerlegt; wie andererseits erstreckt sich die Gnade erklärtermaßen zu den Niedrigsten und Nachlässigsten und die das Gute gibt und formt, wie auch das Böse wegnimmt zum Lob der göttlichen Barmherzigkeit, dabei aber gerecht ist. Doch ist es keine Gerechtigkeit des Gesetzes, sondern nur des Glaubens, so dass sie denen offensteht, die das Gesetz nicht kannten, wie auch denen in Israel, die in sich selbst zerbrochen und von Gott gelehrt waren, nur von seiner Gnade in Christus zu empfangen. So hat Gott sich selbst so wahrhaftig verherrlicht, wie Er den ersten Menschen der ganzen Hohlheit und des ständigen Versagens überführt hat.
Israel ist also nicht zu einem Gesetz der Gerechtigkeit gekommen. „Weshalb?“ Wie es nicht an einem Mangel an Vorrechten von Gott lag, so lag es auch nicht an einem Mangel an eigenen Bemühungen, danach zu streben. Aber sie strebten in die falsche Richtung. Sie übersahen, wie es der Unglaube immer tut, sowohl Gott als auch sich selbst; sowohl das, was seiner Majestät gebührt, was sich notwendigerweise aus seiner Natur ergibt, als auch das, was die Sünde im moralischen Verderben und der Unfähigkeit sowie der Schuld des Menschen angerichtet hat: kurz gesagt:
Warum? Weil es nicht aus Glauben, sondern als aus Werken geschah. Sie haben sich gestoßen an dem Stein des Anstoßes, wie geschrieben steht: „Siehe, ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes und einen Felsen des Ärgernisses, und wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden (9,32.33).
Der sündige Mensch versteht unter der Verpflichtung zum Gehorsam eine angemessene Belohnung, die an den Erfolg geknüpft ist; und er kann sich sein eigenes Versagen und Unvermögen, den gerechten Anforderungen Gottes zu genügen, nur schwer vorstellen. Das Letzte, was er gern tut, ist, die ganze Schuld an seinem Übel auf sich zu nehmen, es sei denn, um dem Gott, dem er Unrecht getan hat, trotz seines Unrechts gegen Ihn echte und vollkommene Güte gegen sich selbst zuzuschreiben. Aber von allen Menschen waren die Juden am wenigsten dazu geneigt und am hartnäckigsten in ihren eigenen Gedanken. Denn warum, so dachten sie, sollten wir das Gesetz Gottes haben, wenn nicht, um durch die treue Befolgung seiner Gebote die Anerkennung bei Gott zu erlangen? Wo sind sonst sein Wert und sein Nutzen? Der Irrtum, der für das alte Volk verhängnisvoll war, wie viel mehr in der Christenheit, wo das Evangelium den Untergang Israels auf eben diesem Felsen des Anstoßes beschreibt, damit die Menschen, die den Namen des Herrn hören und tragen, ihn nicht zu ihrem eigenen noch sichereren Verderben wiederholen!
Der Unglaube an die Gnade, die Selbstgerechtigkeit, ist jetzt noch viel unentschuldbarer als früher. Denn Christus, der Sohn Gottes, ist gekommen und hat die Erlösung vollbracht; und Gott sendet frohe Botschaft auf der ausdrücklichen Grundlage des allgemeinen Verderbens im Menschen, damit er dankbar einen anderen, nämlich Jesus, aufnehme und auf seinem Werk vor Gott mit Frieden und Freude im Glauben ruhen kann. Aber die Menschen, getaufte Menschen, stolpern immer noch, wie Israel stolperte, über den Stein des Anstoßes, den Herrn Jesus. Wenn sie ihren eigenen wirklichen Zustand empfinden würden, wie würden sie Gott nicht für einen solchen Retter preisen! Aber sie waren stolz und damit blind. Sie waren mit ihrem eigenen Gehorsam zufrieden, jedenfalls mit ihren eigenen Bemühungen. Sie stolperten über den Stein des Anstoßes; aber derselbe Christus befreit den Gläubigen von Schaden, von Schande und von Verwirrung. Er ist gesetzt, wie Simeon zu Maria sagte, zum Fall und zur Auferstehung vieler in Israel und zu einem Zeichen, damit die Gedanken vieler Herzen offenbart würden; nichts anderes sagte Jesaja in Kapitel 28,16.