Vers 32:„Warum hat Israel das Gesetz der Gerechtigkeit nicht erreicht? Darum, dass sie es nicht aus dem Glauben, sondern aus den Werken des Gesetzes suchten. Denn sie haben sich gestossen an dem Stein des Anlaufes, wie geschrieben steht: Vers 33: „Siehe da ich lege in Zion einen Stein des Anlaufes und einen Fels des Ärgernis; wer an ihn glaubt, der soll nicht zu Schanden werden.“
In diesen Stein, in diesen Felsen dürfen wir all unsere Hoffnungen einsenken, ja die Wurzel unseres Wesens, Tuns und Lassens können wir dadurch Gott zurückgeben, dass wir sie in Christus einsenken.
Ehe wir zum 10.Kapitel übergehen, möchte ich nochmals zu Vers 13 des neunten Kapitels zurückgehen. Jenes Wort: „Denn Jakob habe ich geliebt, den Esau aber habe ich gehasst,“ ist nicht ein Wort der Urgeschichte, wie uns von den Patriarchen erzählt wird. Es ist ein Wort, das der heilige Geist dem Propheten Maleachi in den Mund gelegt hat. Wir finden es in allen drei Kapiteln. „Ich habe euch geliebt, spricht Jehova; aber ihr sprecht; worin hast du uns geliebet….?
Sie werden bauen, aber ich werde niederreissen… und eure Augen werden es sehen; aber ihr werdet sprechen: Gross ist Jehova über das Gebiet Israels hinaus!“ Auch hier darf man nach dem Zusammenhang das Wort „gehasst“ nicht in dem Sinne nehmen, wie wir es verstehen, wenn wir vom menschlichem Hasse reden, sondern es handelt sich hier der Sache und dem Zusammenhang nach um eine souveräne Bevorzugung des einen und Zurücksetzung des andern.
Warum hat den Gott Seine ganze Liebe ausgegossen über den einen und den anderen zurückgesetzt? Gott sagt in Hiob 39,5+6, dass Er dem Wildesel (dem Esau) die Wüste zur Wohnung gemacht hat. - Aber nicht für ewig gilt diese Zurücksetzung. Kein Gebiet der Erdenwelt steht so sehr unter dem Fluche, dass letzterer in die Ewigkeit Gottes hineinreichte. Nur die Liebe Gottes währet ewiglich und höret nimmer auf, alles andere gehört der Zeit an. währte es auch durch Jahrhunderte hindurch.
Es scheint also eine gewisse Bevorzugung darin zu liegen, wenn dieses oder jenes Volk das Evangelium hört, während andere Völker vielleicht durch Jahrhunderte hindurch brach liegen. Mag sein, dass da menschliche Schuld vorliegt, wer aber will dies immer feststellen? Soviel ist gewiss, dass Gott schliesslich Recht behalten wird und das es keinem Menschengeiste zusteht, Gott in die Schranken zu fordern und von Ihm zu verlangen, dass er sich erkläre.
Wo kämen wir da hin? Das Verborgene ist für Gott, das Geoffenbarte für uns und unsere Kinder. Zum Geoffenbarten gehört als ein ganz wesentliches, praktisches Gebiet, dass es bei Gott keine Zurückgesetzten gibt, das heisst keine solchen, die auf die Dauer etwas entbehren müssten, was zu ihrer Reifung und Vollendung gehört - nichts, was andere haben. Ein Tier hat nicht, was das andere hat. Die Menschen sind keine Tiere und sind keine Engel. Sie gehören ganz verschiedenen Reichen an, so dass man da nicht vergleichen kann. Ebenso gibt es Stände, Landstriche, klimatische Unterschiede und dergleichen. Kann da etwa jemand sagen: „Warum lässt Gott den einen da geboren werden, den anderen dort?“ Oder: „warum erblicken die einen in einer Räuberhöhle das Licht der Welt und sind demnach von vornherein so ganz anders gestellt als z.B Kinder einer frommen Mutter, die schon vor ihrer Geburt dem Herrn geweiht wurden?“
Das alles gehört in jenes Gebiet: „Jakob habe ich geliebt und Esau habe ich gehasst.“ Wer bist du, dass du mit deinem Gott rechtest?“ Wir sind nicht Selbstzweck, sind nicht für uns selbst da - wir sind nicht auf der Welt, um es möglichst gut zu haben, sondern wir sind da für die Ehre Gottes und für Seine Verherrlichung.
Jeder von uns sollte einen besonderen Strahl der Herrlichkeit Gottes darstellen und ihn hineinleuchten lassen in die dunkle Welt. Wenn uns Gott Sein Heil hat verkündigen lassen, so war das letzte Ziel, das Er damit im Auge hatte, nicht dass wir nur mit knapper Not in den Himmel kommen. Es gibt ein höheres Ziel, das ist, dass unser Leben etwas abwerfe für Gott. Wie gesagt, wird sind nicht Selbstzweck und kommen moralisch herunter, wenn wir unseren Weg dem Wege irgend eines anderen vergleichen.
Und wenn es Gott gefallen hat, dich durch eine strammere Erziehung für ein höheres Ziel heran reifen zu lassen, kannst du dir das nicht gefallen lassen, anstatt zu murren? Fürstensöhne bekommen einen ihrem zukünftigen Berufe angemessene Erziehung und Schulung. Und wenn dich Gott zum Mitregenten in Christo bestimmt hat, kannst du dich da wundern, wenn du menschlich beurteilst, in vielem zu kurz gekommen bist? Merkst du denn nicht, es ist nur darum geschehen, dass du nach Höherem streben mögest, damit du durch Entbehrungen aller Art und äussere Verkürzung für eine Herrlichkeit herangereift werdest, die gegenüber dem, was hienieden hoch und erhaben zu sein scheint, gar nicht in Betracht kommt und keinerlei Vergleich aushält.
Es ist alles Staub und Moder im Vergleich, zu der Berufung Gottes, Mitregenten zu sein mit Christo, Träger der göttlichen Verheissung. Jakob war dazu berufen Träger der Verheissung zu sein, darum bindet sich Gott nicht an die zuerst eingesetzte Ordnung. Dem Erstgeborenen war eine besondere Stellung angewiesen und er hatte besondere Rechte, aber Gott bleibt unter allen Umständen souverän.
Vielleicht fragst du: Ja, wenn Gott doch einmal diese Erstgeburtsrechte geschaffen hat, warum rüstet Er dann den Erstgeborenen nicht dafür aus? Das sind Fragen, die ich nur zur Warnung stelle, damit unser armseliger Menschengeist einmal stille stehe vor der Heiligen Schrift und aus dem engen Gesichtskreis unseren menschlichen Logik und unseres Gewissens heraustrete und anbete auch da, wo unserer menschlicher Rechtssinn sich sträubt.
Oh, dieses fluchwürdige Rütteln am Worte Gottes! Liegt darin nicht, dass man Gott zur Rechtfertigung fordern will, wo einem etwas nicht zu stimmen scheint? Den Weisen und Klugen, denen, die sich so weise und klug dünken, dass sie meinen, sie könnten Gott meistern, gibt Gott keine Erklärung. Er lässt sich die Weisen verstricken in ihrer Logik und offenbart seine tiefe Weisheit den Unmündigen und Kindern, die klein geworden sind in ihren eigenen Augen und nicht mit ihrer Logik und ihrem Rechtssinn beurteilen wollen, was recht und was Unrecht ist. Armes Erdenwürmlein, du verlierst dich, wenn du solches tust! Werde einmal stille vor deinem Gott!
Wenn man bei der Geschichte Jakobs und Esaus sieht, wie Esau so viel edler handelte als der listige Jakob, so kommen einem auch allerlei Fragen. Doch war es nichts Herzensgüte von Esau, dass er Jakob so freundlich begegnete, sondern Gott hatte ihm verboten, Jakob etwas zu Leide zu tun. Die grössten Feinde können uns nichts anhaben, solange Gottes Stunde nicht geschlagen hat. Mit einem Male begegnen sie uns freundlich, sie dürfen uns nicht mehr zürnen, Gott erlaubt es ihnen nicht. Sie dürfen uns nur solange zürnen, solange Gott dieses Zuchtmittel gebraucht, um uns zu einem höheren Ziel heran reifen zu lassen, für unsere Berufung, Träger göttlicher Verheissung zu sein.
Oh, wie mancher befindet sich in den schwierigsten Verhältnissen, ist in einem Geschwister- und Familienkreise traurigster Art zur Welt gekommen. Aber wenn jener einmal die Augen auftun wollte, dass es keine wirklich Zurückgesetzten bei Gott gibt, sondern, dass gerade die, denen viel versagt ist, zur grössten Herrlichkeit berufen sind, wie ganz anders würden sie dann durch alle Proben und Schwierigkeiten des Lebens hindurchgehen!
Auszug aus seinem Buch „Aus Glauben in Glauben“
________________________________________________________