Behandelter Abschnitt Röm 8,22-25
Die Schöpfung wurde nicht (wie jetzt) in Verwesung, Erniedrigung, Leiden und Tod geschaffen. Dass Gott sie ursprünglich in solcher Verwirrung und solchem Elend gewollt habe, wäre schwer zu begreifen; aber die Schrift lehrt das Gegenteil, indem sie zeigt, dass sie, während sie wegen der Schuld und des Verderbens des Menschen ihrer jetzigen Unordnung unterworfen ist, sich nicht vergeblich nach Erlösung sehnt, sondern in Hoffnung auf seine Offenbarung in Herrlichkeit wartet. Gerade der Kampf aller um Leben und gegen Krankheit bezeugt, dass sie gefallen ist, um wiederhergestellt zu werden. So wird nicht nur das Rätsel dessen, was jetzt ist, durch Gottes Bericht über die Vergangenheit gelöst, sondern sein Wort wirft sein eigenes helles Licht auf die Zukunft; denn obwohl sie der Eitelkeit unterworfen ist, war es „auf Hoffnung, dass auch die Schöpfung selbst freigemacht werden wird von der Knechtschaft des Verderbens zu der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (V. 20.21). Jemand kann nur durch den Glauben in die Freiheit der Gnade eintreten; und dies ist sogar jetzt der Anteil der Kinder Gottes in der Zeit des Evangeliums. Die Schöpfung kann eine solche Freiheit nicht kennen, da sie selbst dort, wo sie beseelt ist, uneinsichtig ist; aber selbst sie wird die Knechtschaft des Verderbens, unter der sie jetzt steht, gegen die Freiheit der Herrlichkeit eintauschen, wenn die Kinder Gottes verherrlicht werden. So wird alles von Seiten Gottes gerechtfertigt werden, und alles in der richtigen Reihenfolge. In der Zeit der Gnade kann es keine Gemeinschaft zwischen uns und der Schöpfung geben; in der Herrlichkeit wird es eine geben, wenn die Macht Gottes mit der ganzen Schöpfung handelt, zu Ehren des Todes Christi, dessen Blut nicht nur den Schatz, sondern auch den Acker, die Welt, die ihn enthielt, ja alle Dinge erkauft hat.
Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung mitseufzt und mit in Geburtswehen liegt bis jetzt. Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlinge des Geistes haben, auch wir selbst seufzen in uns selbst, erwartend die Sohnschaft: die Erlösung unseres Leibes. Denn in Hoffnung sind wir errettet worden. Eine Hoffnung aber, die gesehen wird, ist keine Hoffnung; denn was einer sieht, was hofft er es auch? Wenn wir aber das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir mit Ausharren (8,22–25).
Hier ist der entschiedenste Beweis, wenn man mehr wollte, für den Unterschied zwischen der Schöpfung13 auf der einen und dem Christen auf der anderen Seite. Und beachte, dass der Gegensatz am schärfsten und ausschließlichsten gezogen wird; denn „die ganze Schöpfung“ wird von „uns selbst“ unterschieden. Auch der Fehler, die unbußfertigen Menschen in die hier gemeinte „Schöpfung“ einzuschließen, ist nicht weniger deutlich; denn es ist sicher, dass, da ihr Wille im Gegensatz zu dem, was von der Unterwerfung der Schöpfung unter die Nichtigkeit gesagt wird, beschäftigt ist, ihre ernste Erwartung etwas anderes erwartet als die Offenbarung der Söhne Gottes, und sie werden in die Hölle geworfen werden, anstatt aus der Knechtschaft der Verderbens in die Freiheit der Herrlichkeit befreit zu werden.
Als Christen werden wir also nicht durch den Schein und den Verstand und Willen des Menschen getäuscht, der gern das Zeugnis seiner eigenen Schuld und seines Verderbens in dem Elend der Schöpfung, das durch seine Schuld herbeigeführt wird, verbergen würde. Denn wir wissen, dass alles bis jetzt in Seufzen und Geburtswehen ist: Weder das Kommen Christi in Gnade und Erniedrigung noch das Evangelium, das in der Kraft des vom Himmel gesandten Geistes gepredigt wurde, hat dies beseitigt, sondern die Gläubigen zur Herrlichkeit darüber und zur Tugend trotz dessen berufen. Doch das Seufzen der Schöpfung war nicht nur uneinsichtig, sondern selbstsüchtig, obwohl es Gott keineswegs gleichgültig war, was auch immer es für eine träumerische oder harte Philosophie sein mag. Und auch wir selbst, die wir die Erstlingsfrucht des Geistes haben, seufzen in uns selbst und warten als Söhne auf die Erlösung unseres Leibes. Denn der Leib des Gläubigen hat die Kraft Christi noch nicht erfahren, und so haben wir unsere Verbindung mit der seufzenden Schöpfung. Und der Geist gibt uns umso mehr zu seufzen, als wir durch den Glauben Zugang zu dieser Gnade haben, in der wir stehen, und wir rühmen uns in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes (Röm 5). Unser Seufzen ist also nicht uneinsichtig, auch nicht nur wegen unseres persönlichen Leidens, sondern in der Gemeinschaft mit Christus, im Entsetzen über das überhandnehmende Böse, in der Liebe zum verachteten Guten, in der Sehnsucht nach dem Menschen und im Verlangen nach Gottes Wahrheit und Majestät. Der Geist, obwohl Er ein Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit ist, lässt uns umso mehr den Tag herbeisehnen, an dem wir verwandelt und offenbar Söhne Gottes der Auferstehung sein werden. Es ist nicht der Kummer einer unwissenden, ungläubigen Ungewissheit, sondern des inneren Verstehens und Herzens über das, was fern von Gott und Ihm unähnlich ist, weil wir wissen, was Er in Christus ist, und im vollen Vertrauen darauf, dass wir Ihm an jenem Tag gleich sein werden. Denn wir haben die Errettung nur auf Hoffnung, die wir noch nicht sehen und noch nicht besitzen; wir hoffen darauf, dass es vollkommen ist, wie Christus auferstanden ist, und wir warten mit Ausharren darauf. Es lohnt sich, darauf zu warten.
13 Theodoret (a. a. O., ed. Sirmondi, tom. iii.) scheint sich auf der Seite zu irren, zu viel einzubeziehen; denn er schließt nicht nur das materielle Universum, Himmel, Erde, Meer, Luft, Sonne, Mond und alles Sichtbare ein, sondern auch das Unsichtbare, Engel, Erzengel, Mächte, Gewalten und Fürstentümer. Er ist darin nicht konsequent, denn in seinem Kommentar zu Vers 20 ist er gezwungen, die Unterwerfung unter die Nichtigkeit auf die gesamte sichtbare Schöpfung durch das Dekret des Schöpfers zu beschränken; doch in Vers 22 dehnt er sie sogar auf die unsichtbare Schöpfung aus, mit der ziemlich weit hergeholten Begründung, dass, wenn Engel sich über einen reuigen Sünder freuen, sie beim Anblick unserer Vergehen traurig sein müssen. Derselbe Schreiber ist, wie andere seit seiner Zeit, einem ziemlichen Irrtum erlegen, wenn er meint, dass der Apostel mit den Erstlingsfrüchten des Geistes die Gabe impliziert, dass wir im kommenden Zeitalter noch ein Vielfaches des Geistes erhalten werden. Der Leser wird bemerken, wie häufig die gegenwärtigen Irrtümer auf die Väter zurückzuführen sind, oder vielleicht unabhängig davon auf dieselbe verdorbene Wurzel des Unglaubens, der die Lehre der Heiligen Schrift verdirbt.↩︎