Behandelter Abschnitt Röm 2,17-24
Der Apostel geht nun in seinem Appell an das Gewissen einen Schritt weiter. Er wendet sich direkt an den Juden und stellt ihn nicht nur in eine Reihe mit dem Heiden. Ist der Jude stolz auf seine besondere Stellung unter den Menschen, auf den Besitz einer göttlichen Offenbarung, auf den wahren Gott als seinen Gott, auf die Kenntnis seines Willens, auf seine eigene, daraus folgende Fähigkeit, das Unterschiedliche zu prüfen und sich so für das Vorzüglichere zu entscheiden? Nahm er eine bewusste Überlegenheit gegenüber seinen heidnischen Nachbarn an, im Vertrauen darauf, dass er auf diese Weise auf einen Vorsprung habe, der es ihm erlaubte, auf die weisesten der anderen Nationen als blind und im Dunkeln und töricht und ungebildet herabzublicken, da sie nicht über die Verkörperung von Wissen und Wahrheit verfügten, die das Gesetz ihm selbst bot? Sei es so, aber wenn dies alles so wäre, wie war es dann tatsächlich mit dem Juden Tat? Je größer das Vorrecht, desto weniger entschuldbar, wenn er dem Licht, das er hatte, untreu und so schlecht wie die Heiden war, die er verachtete.
Wenn du aber Jude genannt wirst und dich auf das Gesetz stützt und dich Gottes rühmst und den Willen kennst und das Vorzüglichere unterscheidest, da du aus dem Gesetz unterrichtet bist, und getraust dich, ein Leiter der Blinden zu sein, ein Licht derer, die in Finsternis sind, ein Erzieher der Törichten, ein Lehrer der Unmündigen, der die Form der Erkenntnis und der Wahrheit in dem Gesetz hat –der du nun einen anderen lehrst, du lehrst dich selbst nicht? Der du predigst, man solle nicht stehlen, du stiehlst? Der du sagst, man solle nicht ehebrechen, du begehst Ehebruch? Der du die Götzenbilder für Gräuel hältst, du begehst Tempelraub? Der du dich des Gesetzes rühmst, du verunehrst Gott durch die Übertretung des Gesetzes? Denn der Name Gottes wird euretwegen unter den Nationen gelästert, wie geschrieben steht (2,17–24).
So streng, aber streng, weil es mit der unwiderstehlichen Kraft der Wahrheit geschah, wendet der Apostel zur äußersten Schande des Juden gerade den Grund, auf dem er sich in Stolz und eitlem Ruhm verschanzt hatte. Wenn es ein Gewissen gäbe, müsste er sich schuldiger bekennen als der Heide; wenn es keines gäbe, würde sein mangelndes Empfinden für seine Sünde und Torheit für alle, die Gott fürchten und den Menschen richtig einschätzen, nicht weniger offensichtlich machen. Seine prahlerische Kenntnis des Gesetzes brachte für ihn selbst keine rettende Kraft mit sich, was auch immer sie für seinen arroganten Missbrauch des Gesetzes in Verachtung anderer bedeuten mag. Wer also hat Gott deutlicher entehrt? Wurde es nicht noch klarer in ihren eigenen Propheten geschrieben? Was sagte Jesaja (Jes 52,5)? Und was Hesekiel (Hes 36,20-23)? Zweifellos brachten ihre fremden Herren sie zum Weinen. Doch war es nicht wahr, dass Israel den heiligen Namen des Herrn unter den Heiden entweihte, wohin immer es auch ging?